# taz.de -- Internationaler Frauentag: Union diskutiert Männlichkeit | |
> Zum Frauentag forderte Kanzlerin Merkel von den Männern ein neues | |
> Rollenverständnis. Die ersten Koalitionspolitiker zeigen sich | |
> überraschend selbstkritisch. | |
Bild: Regt ihre Jungs zum Nachdenken an: Angela Merkel. | |
BERLIN taz | In der Koalition ist eine Debatte über die Emanzipation der | |
Männer in der Gesellschaft entbrannt. "Es sind derzeit nicht selten die | |
Männer, die Probleme haben, ihre Rolle zu finden", sagte Jens Spahn, | |
gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, zur taz, | |
"insofern brauchen sie sicher mehr Selbstbewusstsein". | |
Jungen seien die Bildungsverlierer von heute, sagte Spahn der taz: "Im | |
Bildungssystem etwa haben heute die Jungs aus der Stadt Probleme, nicht wie | |
früher die Mädchen vom Land." | |
Joachim Herrmann (CSU), Innenminister in Bayern, sieht Nachholbedarf im | |
Alltag. "Gleichberechtigung von Mann und Frau ist heute juristisch eine | |
Selbstverständlichkeit, praktisch gibt es aber noch viel zu tun", sagte | |
Herrmann zur taz. | |
Hintergrund der Debatte ist ein Gastbeitrag von Kanzlerin Angela Merkel in | |
der Sonderausgabe der taz zum 100. Internationalen Frauentag (Ausgabe vom | |
8. 3.). Darin hatte die CDU-Politikerin die Männer aufgefordert, über sich | |
nachzudenken. "Ich bin überzeugt: Sie haben viel zu gewinnen", schreibt | |
Merkel. Und: "Wenn junge Väter heute selbstverständlich Elternzeit nehmen, | |
wenn ich sie in Berlin mit ihren Kindern auf den Spielplätzen sehe, dann | |
haben sie keine alte Rolle aufgegeben, sondern eine neue, positive | |
hinzugewonnen." | |
Johannes Vogel, Mitglied des FDP-Bundesvorstandes, fühlt sich durch Merkels | |
Statement "selbstverständlich angesprochen: Allgemein und persönlich", | |
sagte Vogel gegenüber der taz. In der Generation des 29-Jährigen sei es | |
"absolut normal, dass Väter Elternzeit nehmen. Darüber muss ich gar nicht | |
nachdenken." In seinem Freundeskreis kenne er kein Paar, bei dem das | |
klassische Rollenmodell gelebt werde: der Mann als Alleinverdiener, die | |
Frau als Hausfrau und Mutter. | |
Für jüngere Frauen und Männer spielt dieses Modell eine immer geringere | |
Rolle. Das belegen aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Danach | |
will nur jede vierte Frau ausschließlich für Kinder und Haushalt zuständig | |
sein. Bezeichneten sich 1999 mehr als 12 Millionen Frauen als Hausfrauen, | |
waren es zehn Jahre später nur noch 8,8 Millionen. | |
Ursula von der Leyen (CDU) hatte in ihrem Amt als Familienministerin 2007 | |
das Elterngeld und die Vätermonate eingeführt. Seitdem nehmen etwa 25 | |
Prozent der Väter die beiden Vätermonate in Anspruch. Vor der Einführung | |
des Elterngeldes waren es knapp 4 Prozent. | |
Dirk Niebel, FDP-Entwicklungshilfeminister, hatte 2005 als einziger | |
männlicher Bundestagsabgeordneter zwei Jahre Erziehungsurlaub genommen. | |
Seine Umwelt hatte darauf mit Irritation reagiert. "Die unterschwellige | |
Reaktion war: Mann macht so etwas nicht", sagte Niebel damals in einem | |
Magazininterview. | |
Auch die ältere Generation der Union fühlt sich nun durch Merkels | |
Aufforderung angesprochen. "Männer sollten sich nicht emanzipieren, sondern | |
sich zurücknehmen", sagte Parteiikone Heiner Geißler: "Männer sollten sich | |
öfter mal fragen, ob sie ihre Ehefrau als Putzfrau zum Nulltarif halten". | |
Merkels Forderung finde er "sehr gut": "Für Gleichberechtigung ist es nie | |
zu spät." | |
Trotz allem plädiert FDP-Mann Vogel dafür, dass jedes Paar eine | |
"individuelle Lösung findet. Jede Familie soll es so machen, wie es für sie | |
am besten ist." Er empfindet es "für angebracht, jederzeit über | |
"Geschlechterrollen nachzudenken, vor allem beruflich". Er selbst habe es | |
schon erlebt, dass "gemischte Teams anders arbeiten als Teams, in denen nur | |
Männer vorkommen: Gemischt ist es einfach besser." | |
Die Politik müsse es Männern leichter machen, "ein neues Selbstverständnis | |
zu leben", schreibt Merkel in ihrem taz-Text: "Bitte keine schiefen Blicke | |
mehr, wenn der junge Vater früher das Büro verlässt." Diesen Wunsch | |
unterstützt auch CSU-Politiker Joachim Herrmann. Er habe das schon vor zehn | |
Jahren so gemacht und dabei zahlreiche Väter getroffen. Privat hat er | |
eigenen Aussagen zufolge aber einiges nachzuholen. Er gibt offen zu, dass | |
"bei meinem hektischen Leben als Berufspolitiker meine Frau die Hauptrolle | |
in der Familie spielt". | |
Herrmann war als Nachfolger des zurückgetretenen Verteidigungsministers | |
Karl-Theodor zu Guttenberg im Gespräch, hatte einen Wechsel nach Berlin | |
aber abgelehnt, weil er das Amt mit seiner Familie nicht in Einklang | |
bringen könne. | |
8 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
S. Schmollack | |
D. Steffan | |
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