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# taz.de -- Pannen beim Jugendschutzfilter von O2: Zensur von "prallen Melonen"
> Der Mobilfunkanbieter O2 will etwas für einen verbesserten Jugendschutz
> im Internet tun. Nun rutschte die Seite eines Lebensmittelherstellers
> durch den Filter.
Bild: Eindeutig zweideutig? Pralle Melonen können durchaus auch anders aussehe…
Wer im Vereinigten Königreich "pralle Melonen" oder "frisches junges
Gemüse" online zum Verkauf anbieten will, muss sein Konzept möglicherweise
noch einmal überdenken. Denn die Kunden werden diese Websites vielleicht
gar nicht sehen können.
Das musste auch die Firma livefre.sh jetzt erfahren. Deren Internetangebot
beschäftigt sich vor allem mit lokalen Lebensmitteln und der Diskussion
darüber. Im [1][Blog des Unternehmens] berichten Mitarbeiter, dass ihre
Website vom großen Mobilfunkanbieter O2 gesperrt worden sei. O2 verlangt
von seinen Kunden, sich zu authentifizieren, wenn sie online gehen. Das
funktioniert über die Kreditkarte. Mit der Abwicklung wurde eine externe
Firma beauftragt. Deren Kriterien, Internetangebote als "adult - nur für
Erwachsene" auf den Index zu setzen, waren offenbar fragwürdig.
Das Magazin Wired [2][berichtet], dass durch die Zensur bei O2 sogar das
Übersetzung-Angebot von Google und die Aufklärungs-Website
[3][Brook.org.uk] über das mobile Internet nicht mehr erreichbar waren. Das
Unternehmen entschuldigte sich: Es gehe um einen "verbesserten
Jugendschutz".
Hintergrund ist eine Kampagne vor allem konservativer Politiker in
Großbritannien, die technischen Voraussetzungen für Netzblockaden zu
ermöglichen. [4][Ed Vaizey], der britische Minister für Kultur und
Kommunikation, hat sich für die Zensur auch pornografischer Inhalte im
Internet stark gemacht. Der [5][Guardian] zitiert den konservativen
Politiker Claire Perry, der bemängelte, dass angeblich nur fünfzehn Prozent
der Eltern wüssten, wie man Filter installierte.
Die Provider sind von den Forderungen nach Zensur und Internetsperren nicht
unbedingt begeistert. Man werde nicht automatisch das tun, was die Politik
fordere, sondern sich an den Interessen der Kunden orientieren, sagte
Andrew Heaney, ein Sprecher des Unternehmens Talktalk.
"Jugendschutz"-Filter sind schon in der Vergangenheit immer wieder in die
Kritik geraten, weil sie alle möglichen Dinge sperrten, nur nicht das, was
ihr Ziel war: Websites, die Kinder und Jugendliche verängstigen oder
irritieren könnten.
## Kein Konsens
Die Sperrlisten und die Filterprogramme sind ohnehin leicht zu umgehen. Was
gesperrt werden soll, wird meist durch automatische Suche nach bestimmten
Begriffen definiert. Wer seine Katzen duscht, sollte demnach auch nichts
über "nasse Muschis" schreiben. Auch "big melons" kommen kaum durch die
gängigen Jugendschutzfilter, egal wie gern man sie isst.
Per Hand kann man derartige Listen nicht erstellen. Bei zur Zeit allein
[6][130 Millionen aktiver Domains] und einem Vielfachen an Websites
bräuchte man Heerscharen von Zensoren, die das Netz nach "Bösem" absuchen.
Die meisten Sperrlisten mit einschlägigen Begriffen stammen von Anbietern
in den USA, die wegen der dortigen liberalen Gesetze zur Meinungfreiheit
mit der Leugnung der Shoa im Internet keine Probleme haben, bei nackter
Haut und dem F-Wort jedoch weitaus eher sperren als das in Europa üblich
wäre.
Einen Konsens, was die Entwicklung von Jugendlichen "beeinträchtigt", wird
es wegen der unterschiedlichen kulturellen Traditionen ohnehin nicht geben.
Deutsche Anbieter von "Jugendschutz"-Filtern gehen manchmal sogar noch
weiter - wie etwa [7][jugendschutzprogramm.de], "eine Filtersoftware, die
Eltern auf ihrem Computer installieren können, damit ihre Kinder sicher vor
Erotik und Gewalt im Internet surfen können." Was aber "Erotik" ist und
warum das schädlich sei, darüber schweigt man sich aus.
[8][//www.klicksafe.de/:Klicksafe.de] argumentiert daher mit Positivlisten,
die angeblich "keine unterlaubten Ausflüge ins Netz" erlaubten. Auch das
kann schnell absurd werden. Die Angebote internationaler Firmen wie etwa
[9][Comvigo], die das Zensur-Programm IM Lock anbieten, lesen sich oft wie
ein Handbuch für Diktatoren, die ihren Untertanen alles verbieten, was der
Obrigkeit nicht in den Kram passt. Nicht nur "wie man Pornografie blockt",
sondern auch, wie man den Kurznachrichtendienst Twitter und das Videoportal
Youtube sperrt. Ernst gemeint ist offenbar sogar der Service: "How to block
all but one Website".
## Peer-to-Peer-Netzwerke
In den Niederlanden verzichtet man jetzt ganz auf Netzsperren. Die dortigen
Internet-Provider hatten sich vorsorglich verpflichtet, Websites zu
blockieren, falls dort der Missbrauch von Kindern abgebildet wird. Die
zuständige Beschwerdestelle [10][Meldpunt Kinderporno] informierte die
Zugangsanbieter jetzt darüber, dass die Zahl der einschlägigen Websites
"drastisch" zurückgegangen sei. Es gebe so gut wie keine einschlägigen
kommerziellen Webangebote von Kinderprnografie mehr.
Blockaden und Filter seien zudem kein "zuverlässiges und effektives Mittel"
im Kampf gegen die Darstellung sexuellen Missbrauchs im Netz, heißt es im
Statement der Unternehmens-Arbeitsgruppe
[11][//www.bof.nl/2011/03/07/dutch-providers-abandon-ineffective-web-blocki
ng/:"Werkgroep Blokkeren Kinderporno"]. Technische Filter sperrten auch
immer harmlose Websites und würden zum Missbrauch einladen. Eine
[12][Studie] der European Financial Coalition" (EFC) gegen die sexuelle
Ausbeutung von Kindern im Netz hatte schon im letzten Jahr festgestellt,
dass es keinen "Massenmarkt" für Kinderpornografie im Netz gäbe.
Auch die "US Financial Coalition Against Child Pornography" sprach von nur
einer "Handvoll" kommerzieller Firmen, die einschlägige Bilder und Filme
anböten. Die Täter und die Käufer des Materials wandern offenbar in
Peer-to-Peer-Netzwerke ab, die gar nicht zu kontrollieren oder zu filtern
sind oder verstecken sich in geschlossenen Gruppen in den sozialen
Netzwerken.
9 Mar 2011
## LINKS
[1] http://blog.lovefresh.net/wait-a-second-o2-were-about-the-love-not-the?c=1
[2] http://www.wired.co.uk/news/archive/2011-03/04/o2-mobile-web-filtering
[3] http://brook.org.uk/
[4] http://en.wikipedia.org/wiki/Ed_Vaizey
[5] http://www.guardian.co.uk/society/2010/dec/19/broadband-sex-safeguard-child…
[6] http://www.domaintools.com/internet-statistics/
[7] http://www.jugendschutzprogramm.de/
[8] http://https
[9] http://www.comvigo.com/
[10] http://www.meldpunt-kinderporno.nl/
[11] http://https
[12] http://www.heise.de/newsticker/meldung/Studie-Kinderpornographie-im-Netz-k…
## AUTOREN
Burkhard Schröder
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
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