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# taz.de -- Streit um Sex-Domains: Porno-Ghetto im Internet
> Die Netzverwalter der ICANN haben eine eigene Top-Level-Domain ".XXX" für
> Pornos beschlossen. Was mehr Jugendschutz verspricht, könnte Zensur
> begünstigen.
Bild: Gegen das Porno-Ghetto: Proteste gegen die .xxx-Pläne in San Fransisco.
"The Internet is for porn." Diese so einfache wie wahre [1][Feststellung]
fasst die sexuelle Revolution in einem Satz zusammen, die sich seit der
Durchsetzung des World Wide Web ab 1994 abgespielt hat. Man kann das
schlimm finden oder geil: So einfach, an Bildmaterial von Sex zu gelangen,
war es noch nie.
Versuche, diese Situation zu ändern, gab es schon viele - angefangen vom
gescheiterten [2][Communications Decency Act] unter US-Präsident Bill
Clinton bis hin zu den Bemühungen der deutschen Bundesprüfstelle für
jugendgefährdende Schriften, die längst auch Online-Angebote indiziert.
Geholfen hat das alles wenig.
Ausgerechnet die für Internet-Adressen zuständige "Netzregierung"
[3][ICANN] könnte es nun sein, die mit alldem aufräumt. Jedenfalls
indirekt. Wie die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers am
vergangenen Freitag beschloss, soll es künftig einen neuen Adressbereich
allein für sogenannte Adult-Inhalte geben. Die zuständige Top-Level-Domain
(TLD) hört auf den schönen Namen ".XXX". Ein entsprechendes "Registry
Agreement" für die TLD wurde mit dem [4][Unternehmen ICM] geschlossen.
Träger von ".XXX" soll die sogenannte "Internationale Gemeinschaft für
Online-Verantwortlichkeit", kurz IFFOR, sein. Wer genau hinter dieser
Non-Profit-Organisation steckt, ist schwer zu sagen - allerdings sollen im
Leitungsgremium ebenso Vertreter der "Adult Industry" sitzen wie ein
"Sachwalter freie Meinungsäußerung", ein "Sachwalter Kinderschutz" und ein
"Sachwalter Privatsphäre und Sicherheit". ICM wiederum scheint laut einem
[5][Bericht von ZDNet] einem ehemaligen Immobilienunternehmer, einem
früheren Fax-Händler und einem Ex-Domain-Verkäufer zu gehören.
Die Einführung von ".XXX" war bereits im Jahr 2000 erstmals vorgeschlagen
worden, um Pornoangebote vom Rest des Netzes zu trennen. Die nächsten elf
Jahre wurde nichts daraus, weil die ICANN neue TLDs nur sehr zögerlich
herausgab. Das hat sich teilweise geändert, sodass nun auch ".XXX" wieder
auf die Agenda kam und letztlich, nach einer Entscheidung einer
Berufungskommission der "Netzregierung", zugelassen wurde. ICM hofft auf
Gewinne: 200 Millionen Dollar Umsatz im Jahr plant man bereits ein.
Netzbürgerrechtler fanden die Idee hinter ".XXX" von Anfang an falsch bis
brandgefährlich. Die American Civil Liberties Union (ACLU) fürchtete
bereits 2004, dass nach der Einführung eines "Porno-Ghettos" konservative
Stimmen in der Politik laut werden könnten, immer mehr Inhalte unter dieser
TLD zu sammeln oder dies sogar verpflichtend zu regeln - ähnlich wie es
eine Kennzeichnungspflicht im Kino oder auf DVD gibt.
Die Idee: Sind erst einmal alle Rotlichtseiten (und womöglich andere
"unschöne" Inhalte) unter einem Adressbereich versammelt, lassen sie sich
auch zentral filtern, sei es nun auf Seiten des Rechners der Eltern oder
[6][zentral gesteuert.] Momentan müssen Jugendschützer "böse" Angebote noch
einzeln sperren.
Interessanterweise hatte sich ausgerechnet das mit Regierungsvertretern
besetzte Governmental Advisory Committee (GAC) gegen die Einführung von
".XXX" ausgesprochen. Lawrence Strickling, Ministerialdirektor im
US-Handelsministerium unter Obama und Leiter der "National
Telecommunications and Infrastructure Administration", sagte gegenüber
Politico, die Entscheidung der ICANN widerspreche dem weltweiten
öffentlichen Interesse.
Stricklings Statement hört sich wie ein Nachklang der ACLU-Befürchtungen
an: "Das wird ein Türöffner für mehr Netzblockaden durch Regierungen sein."
Er fürchte gar Angriffe auf Stabilität und Sicherheit des Netzes. Zudem
schütze die neue Domain Kinder nicht.
22 Mar 2011
## LINKS
[1] http://video.google.com/videoplay?docid=1844775900946449930
[2] http://en.wikipedia.org/wiki/Communications_Decency_Act
[3] /1/netz/artikel/1/eine-domain-fuer-jeden/
[4] http://icmregistry.com/
[5] http://www.zdnet.com/blog/perlow/xxx-domain-approved-now-begins-the-era-of-…
[6] /1/netz/netzpolitik/artikel/1/zensursula-vor-gericht/
## AUTOREN
Ben Schwan
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