# taz.de -- Militär in Ägypten: Tahrir-Platz in Kairo geräumt | |
> Einen Angriff von Mubarak-Getreuen nimmt das Militär zum Anlass, den hoch | |
> symbolischen Ort von Dauer-Demonstranten zu räumen. Die Reaktionen sind | |
> gespalten. | |
Bild: Der Tahrirplatz ist zum Symbol der Revolution geworden. Aber jetzt soll S… | |
KAIRO taz | Seit Wochen gehören sie zum Bild der Revolution in Ägypten, die | |
Zelte auf den Grünflächen im Inneren des Tahrirplatzes in Kairo. Mehrere | |
hundert meist junge Menschen haben dort aus Planen und Zelten ein | |
improvisiertes Camp errichtet, geschmückt mit ägyptischen Flaggen und den | |
Bildern der beim Aufstand Getöteten. Ordner kontrollieren am Eingang alle | |
Personen auf Waffen, drinnen herrscht ein wildes Durcheinander von | |
Menschen, Meinungen, Stimmen. Jetzt ist dieser Teil der Revolution | |
Geschichte. Am Mittwochabend hat das Militär die kleine Zeltstadt auf dem | |
Tahrirplatz geräumt. | |
Bereits am Nachmittag herrschte in den belebten Straßen rund um den Tahrir | |
eine angespannte Stimmung. Um zwölf Uhr mittags griffen Augenzeugen zufolge | |
bewaffnete Anhänger des gestürzten Präsidenten Husni Mubaraks die | |
Protestierenden auf dem Platz an, diese konnten den Angriff zunächst | |
abwehren. Gegen fünf Uhr stehen am Rande des Platzes zahlreiche Menschen in | |
Gruppen zusammen, gestikulieren, diskutieren, sehen über den Platz zur | |
Zeltstadt hinüber. | |
In einer Nebenstraße unweit vom Tahrirplatz ist von den Spannungen nichts | |
zu spüren. Unter ausladenden Bäumen sitzen Männer auf Plastikstühlen auf | |
der Straße, ziehen an der Shisha oder nippen am Tee. Auf einmal werden Rufe | |
laut, die Menschen springen auf, rennen zur Kreuzung, um in Richtung Platz | |
zu sehen. "Geht nicht in Richtung Tahrir", ruft ein Mann. Es gebe Kämpfe | |
zwischen Protestierenden und deren Gegnern, einige sprechen von | |
angeheuerten Schlägertrupps. | |
Der Wirt räumt eilig die Stühle in seinen Laden, die Rollos der | |
Ladengeschäfte rattern herunter, Männer ziehen Eisenstangen und Brecheisen | |
hervor und stellen sich vor ihre Läden. Auf den Straßen ist kein Auto mehr | |
zu sehen. Dann ein rasselndes Geräusch: Ein Panzer fährt mit hoher | |
Geschwindigkeit in Richtung Tahrirplatz, weitere folgen. Das Militär greift | |
ein und nimmt zahlreiche Menschen fest. Sie werden bis zum anderen Morgen | |
festgehalten werden, Protestierende ebenso wie Angreifer. | |
## "Die Bewegung braucht den Platz nicht mehr" | |
"Die Besetzung des Platzes hatte nur noch symbolische Bedeutung", sagt | |
Yussuf Adel, ein Aktivist der Bewegung. "Die Bewegung hat andere Orte und | |
Möglichkeiten gefunden, sich zu vernetzen. Sie braucht den Platz nicht | |
mehr." Ähnlich sieht das auch Heba Hafez, die vom ersten Tag an den | |
Protesten beteiligt war. "Der Tahrirplatz hat für uns eine ganz besondere | |
Bedeutung bekommen, das spüre ich jedes Mal, wenn ich vorbeigehe", sagt | |
Hafez. Diese Bedeutung werde er auch in Zukunft nicht verlieren. | |
Ahmad Ghoud, der bis zuletzt versucht hat, das Camp auf dem Platz zu | |
verteidigen, ist skeptischer: "Die Angreifer haben ihr Ziel erreicht. Dem | |
Militär war es recht, dass es einen Anlass hatte, den Platz endlich zu | |
räumen." Und nicht nur dem Militär: Auch Ladenbesitzer aus den umliegenden | |
Straßen hätten sich den Angreifern angeschlossen, so Ghoud. Die Meinung, | |
dass die Revolution richtig sei, nun aber endlich Ruhe einkehren müsse und | |
die Wirtschaft wieder in Gang gebracht werden müsste, ist auch auf der | |
Straße häufig zu hören. | |
Gegen neun Uhr am Abend ist von den Auseinandersetzungen nichts mehr zu | |
sehen. Das Militär hat den Platz abgeriegelt, Trupps von Soldaten | |
patrouillieren in den Straßen um den Platz, wer in die Nähe des Platzes | |
kommt, wird durchsucht und kontrolliert. Erst am Donnerstagmorgen herrscht | |
wieder der übliche Trubel aus Menschen, Bussen, Autos rund um den Platz. | |
Das Militär hat sich zurückgezogen und den Platz für die Öffentlichkeit | |
freigegeben. Dafür sind zum ersten Mal seit 40 Tagen wieder Polizisten in | |
den Straßen rund um den Tahrir zu sehen. Wo in der Mitte des Platzes die | |
Zelte standen, ist nur noch plattgedrücktes Gras zu sehen. | |
10 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Juliane Schumacher | |
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