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# taz.de -- Nach dem Erdbeben und Tsunami in Japan: Versorgung von Millionen ge…
> Millionen Menschen fehlen Lebensmittel, Trinkwasser, Strom, Gas und
> Benzin. Viele Verkehrswege sind nach wie vor unterbrochen. Polizei
> bestätigt 3.600 Tote, weitere 10.000 werden vermisst.
Bild: Rund 600.000 Japaner sind in Notunterkünften untergebracht.
TOKIO afp/dpa/dapd | Millionen Menschen in Japan haben am Montag weiter mit
den schweren Folgen des Erdbebens und anschließenden Tsunamis gekämpft.
Nach Angaben der Vereinten Nationen hatten mindestens 1,4 Millionen
Menschen kein Trinkwasser, zudem wurden Lebensmittel und Benzin knapp.
Rettungshelfer bargen im Katastrophengebiet rund 2.000 weitere Leichen.
Nach UN-Angaben hatten im Katastrophengebiet 2,6 Millionen Menschen keinen
Strom, 3,2 Millionen Menschen ging das Gas aus. An den Tankstellen wurde
das Benzin knapp. In der Stadt Sendai standen die Menschen geduldig um
Lebensmittel an. Auf dem Parkplatz eines wiedereröffneten Supermarktes in
Sendai gaben Angestellte rationierte Lebensmittel aus: Jeder Kunde durfte
höchstens zwei Pampelmusen, zwei Apfelsinen, fünf Tüten Chips, zwei Dosen
Thunfisch sowie Schokolade kaufen. Vor den wenigen Telefonzellen standen
die Menschen an, weil die Mobilfunknetze nur schlecht funktionierten.
Auch in der Stadt Ishinomaki, die nach dem Beben am Freitag zur Hälfte vom
darauf folgenden Tsunami verschlungen wurde, war die Lage dramatisch. Die
165.000-Einwohner-Stadt hatte keinen Strom und war von den
Kommunikationswegen abgeschlossen. Bürgermeister Hiroshi Kameyama sagte dem
Sender NHK, es gebe weder Trinkwasser noch Lebensmittel.
Laut dem Sprecher des Roten Kreuzes im Asien-Pazifik-Raum, Patrick Fuller,
der sich in Ishinomaki aufhielt, lieferten sich Rettungshelfer einen
"verzweifelten Wettlauf mit der Zeit", um unter den Trümmern
eingeschlossene Menschen möglicherweise noch zu retten. "Im Krankenhaus des
Roten Kreuzes bleibt kein Platz ungenutzt. Erschöpfte Rotkreuzärzte
schlafen Seite an Seite mit den Verwundeten." Immer wieder würden weitere
Verletzte eingeliefert, die teilweise zu Fuß kämen oder von anderen
getragen würden.
Zahlreiche betroffene Orte waren von den Hilfsmaßnahmen abgeschlossen, weil
die Zufahrtsstraßen aufgrund der Zerstörungen, Erdrutschen und
Überschwemmungen weithin unpassierbar waren. Auch weitere Nachbeben und
Tsunami-Warnungen behinderten die Rettungsarbeiten.
Soldaten konnten nach Armeeangaben 10.000 Menschen retten, doch mindestens
ebensoviele Todesopfer wurden allein in der Präfektur Miyagi befürchtet.
Dort bargen Rettungskräfte am Montag etwa 2.000 Leichen. Damit stieg die
Zahl der von der Polizei bestätigten Todesopfer auf mehr als 3.600.
## 600.000 Menschen in Notunterkünften
Nach Angaben des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA)
harrten mehr als 600.000 Menschen in Notunterkünften aus. Neben Trinkwasser
und Lebensmitteln würden am dringendsten Decken, Benzin und medizinische
Geräte benötigt, erklärte OCHA. Zahlreiche Teams aus dem Ausland halfen den
etwa 100.000 japanischen Soldaten bei ihrem Rettungseinsatz. Die
ausländischen Helfer fürchteten aber auch die aus beschädigten
Atomkraftwerken in der Region ausgetretene Radioaktivität.
Aufgrund von Versorgungsengpässen wegen der Abschaltung der beschädigten
Atomkraftwerke schaltete der Energiekonzern Tepco am späten
Montagnachmittag vorübergehend den Strom bei etwa 330.000 Haushalten und
anderen Abnehmern ab.
Die Hoffnung, noch Überlebende zu finden, schwand am dritten Tag nach dem
Megabeben mit der Stärke 9,0 weiter. In der besonders betroffenen Provinz
Miyagi waren die Behörden weiterhin ohne ein Lebenszeichen von rund 10.000
Menschen. Viele Verkehrswege in der Region sind nach wie vor unterbrochen.
## Über 150 Nachbeben
Ein heftiges Beben der Stärke 6,2 erschütterte am Montagvormittag
(Ortszeit) die Hauptstadt Tokio. Der Bahnverkehr kam weitgehend zum
Erliegen. Auf der wichtigen Ost-West-Linie durch die Hauptstadt fuhr nur
noch jeder zehnte Zug, wie das japanische Fernsehen meldete. Die
Verbindungen zum Flughafen Narita wurden ebenfalls eingestellt. Dort
wackelte die Abflughalle. Reisende sprangen erschrocken auf, berichtete
eine Reporterin der Nachrichtenagentur dpa. Ein Tsunami-Alarm nach einem
heftigen Nachbeben bewahrheitete sich nicht. Das Land wurde seit Freitag
von mehr als 150 Nachbeben erschüttert.
Große Teile Tokios wirkten am ersten Werktag nach dem Jahrhundertbeben wie
eine Geisterstadt. Wegen der Störfälle in mehreren Atomkraftwerken wurde
überall der Stromverbrauch gedrosselt: "Das war richtig gespenstisch. Die
Straßen waren wie leergefegt, in Hochhäusern brannten keine Lichter",
beobachtete ein dpa-Reporter. Die normalerweise hell erleuchtete Rainbow
Bridge im Hafen der Hauptstadt sei komplett dunkel gewesen.
Auch die Versorgung mit Treibstoff wurde problematisch. Zettel mit der
Aufschrift "Ausverkauft" hingen an vielen Tankstellen in der Präfektur
Ibaraki, die zwischen Tokio und der besonders betroffenen Erdbebenregion
mit dem Atomkraftwerk Fukushima liegt. Dort sei es bitterkalt, berichtete
ein dpa-Reporter. An den wenigen noch offenen Tankstellen stünden lange
Schlangen: "Menschen kamen mit Dutzenden Kanistern, um ihre Benzin- und
Heizölvorräte aufzustocken."
Die japanische Regierung sagte eine für Montag geplante dreistündige
Stromabschaltung in Tokio und anderen Städten ab. Stattdessen wurden alle
Bürger zum Energiesparen aufgerufen. Sollte das nicht reichen, werde die
angekündigte Stromrationierung in acht Präfekturen doch noch umgesetzt.
"Die Menschen überleben mit nur wenig Lebensmitteln und Wasser", sagte ein
Beamter der Präfektur Iwata, eine der drei am härtesten von der Katastrophe
heimgesuchten Regionen. "Wir haben die Regierung (in Tokio) um Hilfe
gebeten, aber die Regierung ist vom Ausmaß der Schäden und der enormen
Nachfrage nach Lebensmitteln und Wasser überwältigt", sagte der Beamte
Hajime Sato. "Wir bekommen nur 10 Prozent von dem, was wir erbeten haben.
Wir sind aber geduldig, weil alle im Bebengebiet leiden." Zu den knappen
Gütern gehörten auch Leichensäcke und Särge, sagte Sato.
14 Mar 2011
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