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# taz.de -- Jürgen Trittin über das AKW-Moratorium: "Schwarz-Gelb hat Angst v…
> Die Abschaltung der AKWs soll die Koalition nur über die Wahlen retten,
> kritisiert der Grünen-Fraktionschef. Um die Ängste der Menschen vor
> Atomkraft ginge es nicht.
Bild: "Ein billiger Wahlkampftrick": Jürgen Trittin nimmt der Kanzlerin ihr Ve…
taz: Herr Trittin, hat die Kanzlerin Sie Ihres größten Wahlkampfschlagers
beraubt: "Atomkraft - Nein danke"?
Jürgen Trittin: Ach, was. Trotz aller zur Schau gestellten Nachdenklichkeit
der Regierung wird keine einzige Kilowattstunde Atomstrom weniger
produziert werden. Frau Merkel hat ein Moratorium für drei Monate erlassen,
zudem auf einer fragwürdigen Rechtsgrundlage. Die Atomkonzerne haben einen
Hebel in der Hand, um die Regierung zu erpressen: Selbst bei der
endgültigen Schließung einzelner Anlagen dürften sie die Restlaufzeiten,
die ihnen per Gesetz zustehen, auf andere Anlagen übertragen. Schwarz-Gelb
will sich bloß mit einem Trick über die Landtagswahlen retten.
Müssen die Grünen, um den ersehnten Ausstieg nicht zu gefährden, dieser
Rechtsbeugung zusehen?
Das tun wir nicht. Wir bringen heute einen Entschließungs- und einen
Gesetzesantrag in den Bundestag ein, mit dem der Atomausstieg rechtlich
wiederhergestellt wird, den Schwarz-Gelb im vergangenen Herbst gekippt
hatte. Ich lade die Abgeordneten von Union und FDP ein, unseren Anträgen
zuzustimmen. Damit können sie das Handeln der Kanzlerin in Übereinstimmung
mit dem Grundgesetz bringen. Denn kein Kanzler und keine Kanzlerin kann ein
vom Bundestag beschlossenes Gesetz aussetzen. Wir leben nicht in einem
Obrigkeitsstaat, das sollte Frau Merkel eigentlich wissen.
Aber ihre Entscheidung war wahltaktisch ungemein clever.
Darauf fallen nur französische Grüne wie Daniel Cohn-Bendit rein. Der
Auftritt von Merkel, fünf Unions-Ministerpräsidenten, einem verwirrt
blickenden Umweltminister und seinem schmerzfreien Kollegen aus dem
Wirtschaftsministerium am Dienstag - das war zu offensichtlich ein
Wahlkampfmanöver. Das war nicht getragen von dem Eingehen auf die
berechtigten Ängste der Menschen vor der Atomkraft, sondern von der Angst
von Schwarz-Gelb vor den Wählern.
Auch in der Regierung mehren sich die Stimmen, die bezweifeln, dass die
Reaktoren nach drei Monaten wieder ans Netz gehen werden.
Hören Sie genauer hin: Auch Röttgen geht von einer Laufzeitverlängerung
weit über den alten Atomkonsens hinaus aus. Allerdings sieht es im Moment
nicht danach aus, dass nach dem 27. März der baden-württembergische
Ministerpräsident noch Stefan Mappus heißen wird. Die Union verliert nicht
nur absehbar einen Ministerpräsidenten, wir stehen dann auch vor dem Anfang
vom Ende der Ära Merkel. Damit stellen sich viele Fragen neu - nicht
zuletzt in der Union. Das sind Fragen zur Machtpolitik, aber natürlich auch
Machtfragen.
Und was ist mit den Protesten gegen den Bau von oberirdischen
Höchstspannungsleitungen von Nord- nach Süddeutschland?
Bei der Verteilung des Stroms aus Erneuerbaren haben wir weniger ein
Problem mit Höchstspannungsleitungen, sondern im 80-Kilovolt-Bereich, also
im Mittellastbereich. Wir Grünen sind dafür, die dafür nötigen Kabel unter
die Erde zu legen. Das ist ohne Probleme möglich. Außerdem müssen wir die
Planungsblockaden in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen aufheben. Dort
wird jeweils weniger als ein Prozent des Stroms aus Windkraft hergestellt,
im Bundesschnitt sind es neun Prozent. Außerdem müssen wir Biogas
effizienter verwenden.
Vorausgesetzt, die abgeschalteten sieben AKWs bleiben vom Netz: Ist der Weg
jetzt wieder frei für Schwarz-Grün im Bund?
Sie glauben doch nicht im Ernst, das wir auf Merkels billigen
Wahlkampftrick hereinfallen und plötzlich an das Gute in der CDU glauben.
16 Mar 2011
## AUTOREN
Matthias Lohre
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
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