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# taz.de -- Kantonalsswahlen in Frankreich: Front National testet die Stimmung
> Am Sonntag finden in Frankreich Kantonatswahlen statt. Die rechtsextreme
> Partei Le Pens könnte in ihrer Hochburg im Norden des Landes einen Erfolg
> erzielen.
Bild: Parteichefin Marine Le Pen vom Front National mit Generalsekretär Steeve…
HÉNIN-BEAUMONT taz | Alle paar Meter hupt ein Auto, Fahrer und Beifahrer
winken. Der Gruß gilt Steeve Briois, der im Zentrum von Hénin-Beaumont mit
einer kleinen Eskorte auf Wahlkampagne unterwegs ist. Der Kandidat strahlt,
denn genau das wollte er dem Besucher vorführen. Alle kennen ihn hier, er
ist schon fast ein Prominenter, auf den die Leute stolz sind.
"Guten Tag, ich bin Steeve Briois vom Front National", sagt er dennoch
jedes Mal zu den Passanten, denen er sein Flugblatt für die
Departementswahlen in die Hand drückt. Niemand pöbelt ihn an oder
beschimpft ihn gar als Faschisten. Vor einigen Wochen wurde er aber von
einem Unbekannten krankenhausreif geschlagen. Man habe seinen Angreifer
aber "nie ernsthaft gesucht", sagt Briois, der nun für seine Partei fast
ein Märtyrer ist.
Ein Erwerbsloser schimpft, die Fürsorgegelder würden an die Falschen
verteilt, und für Leute, die wie er lange ihren Lebensunterhalt ehrlich
verdient hätten, seien dann die Kassen leer. "Das ist kein Wunder mit den
Leuten, die uns in Paris regieren", bestätigt Briois. Und in Hénin könne
man ja von dieser "Sozialistenmafia" im Rathaus nichts Besseres erwarten.
Das ist sein Lieblingsthema und sein Trumpf: Der frühere sozialistische
Bürgermeister Gérard Dalongeville wurde nämlich auf Beschluss des Pariser
Ministerrats wegen Misswirtschaft abgesetzt; das ist eine höchst seltene
Intervention des Zentralstaats. Seit 2009 sitzt Dalongeville wegen
Korruption, Veruntreuung und Betrugs in Untersuchungshaft. Dass jetzt die
Justiz für Ordnung sorge, sei allein dem Front National (FN) zu verdanken,
der Klage eingereicht hat, behauptet Briois.
Zwar wurde als Nachfolger von Dalongeville in dieser seit Jahrzehnten von
der Linken regierten Stadt wieder ein Sozialist gewählt, diesmal aber nur
mit 250 Stimmen Vorsprung vor dem Duo der Parteivorsitzenden Marine Le Pen
und Steeve Briois.
## Gegen Globalisierung und Migration
Arbeiterkinder wie er standen traditionell meist links, er aber habe sich
schon mit 15 Jahren der Partei von Jean-Marie Le Pen angeschlossen, erzählt
Briois stolz. Heute ist er 38, ein Star der extremen Rechten und als
Generalsekretär in der FN-Parteiführung. In diesem von der Krise und
Produktionsverlagerungen schwer getroffenen Industriestädtchen südlich von
Lille hat Marine Le Pen ihren politischen Eroberungsfeldzug gestartet, der
ihr zuerst den Parteivorsitz als Nachfolgerin ihres Vaters einbrachte und
dann eine Popularität, die die anderen Parteien immer mehr das Fürchten
lehrt.
Laut mehreren Umfragen hat die neue FN-Chefin reelle Aussichten, bei den
Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2012 sogar in die Stichwahl zu kommen
und dabei womöglich den jetzigen Staatspräsidenten aus dem Finale zu
verdrängen. "Sarkozy kann jetzt sagen oder machen, was er will, die Leute
glauben ihm nicht mehr. Wenn er seine Islamdebatte beginnen will, ist das
ein Geschenk für uns. Schließlich kommen die Themen mit den Minaretten und
den Gebeten auf der Straße samt und sonders von uns", freut sich Briois.
Und jede Entlassung oder Betriebsstilllegung in der Gegend sei Wasser auf
seine Mühlen.
Gegen die Globalisierung mit ihrer Konkurrenz und der unkontrollierten
Immigration müsse Frankreich wieder Grenzen errichten, Zölle erheben und
aus dem "Euro" austreten, um seine "volle Souveränität wiederzuerlangen".
Würde das Frankreich nicht mehr schaden als nutzen? "Meinen Sie, es könne
schlimmer werden als jetzt?", antwortet Briois, der glaubt, durch die
Rückkehr zur Vergangenheit französische Arbeitsplätze verteidigen zu
können.
Briois ist sicher, in die Stichwahl am übernächsten Sonntag zu gelangen.
Vielleicht könnte der FN dann sogar seinen ersten Sitz in der
Departementsbehörde erringen. Normalerweise interessieren diese
Kantonalswahlen, bei denen jetzt turnusmäßig in der Hälfte der Wahlkreise
die "Generalräte" erneuert werden, kaum. Dreizehn Monate vor den
Präsidentschaftswahlen aber werden sie zum Stimmungstest, bei dem man in
den Pariser Parteizentralen voll Angst vor allem auf den Wahlkreis
Hénin-Beaumont schielt.
17 Mar 2011
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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