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# taz.de -- Laizismus-Debatte in Frankreich: "Keine Gebete auf der Straße"
> Präsident Nicolas Sarkozy fordert Regeln für den "französischen Islam" im
> laizistischen Staat. Er will eine landesweite Debatte über das Verhältnis
> des Staates zum Islam.
Bild: Muslime beim Freitagsgebet in Paris: Das ist pure Provokation, meint die …
PARIS taz | Da in der Moschee am Freitag der Platz knapp ist, breiten
Gläubige in der Pariser Rue Myrha draußen auf dem Asphalt auf Kartons ihre
Gebetsteppiche aus. Eine öffentliche Schande für die Republik, welche die
Glaubensfreiheit garantiert? Nein, eine pure Provokation, meint die Chefin
des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen.
Sie hat mit diesem neuen Angriff auf die Muslime einen empfindlichen Nerv
getroffen und würde nun laut Umfragen mit 20 Prozent im ersten Durchgang
der Präsidentschaftswahlen sogar mit den Favoriten der großen Parteien von
links und rechts gleichauf liegen. Das ist Grund genug für den amtierenden
Präsidenten Nicolas Sarkozy, auf diese Herausforderung zu antworten, indem
er selbst den Islam zum Gegenstand einer Kontroverse macht.
"Wir haben es teuer bezahlt, dass wir bei der Immigration in den 80er
Jahren blind waren. Das war ein Tabuthema. Jetzt wiederholt sich das mit
dem Islam und der weltlichen Republik", sagte Sarkozy Vertretern der
Parteiführung der regierenden UMP (Union pour un Mouvement Populaire), die
er beauftragt hat, mit einem Kolloquium am 5. April den Auftakt zu einer
landesweiten Debatte über das Verhältnis des Islams zum laizistischen, also
konfessionell neutralen Staat zu geben.
Das Ziel müsse es sein, Regeln zu definieren, um Probleme und Konflikte zu
vermeiden. Dies ist umso wichtiger, als der Islam mit drei bis fünf
Millionen mehr oder weniger praktizierenden Gläubigen die zweite Religion
in Frankreich ist.
Wie soll ein "französischer Islam" aussehen? "Ich will keine Minarette,
keine Rufe zum Gebet auf öffentlichem Grund, keine Betenden auf der
Straße", sagte Sarkozy den UMP-Politikern. Er sieht in Frankreich ein
Unbehagen am Islam, aber auch einen "Graben zwischen Medienöffentlichkeit
und Volksmeinung". Die UMP soll sich darum nicht scheuen, in der Debatte
heiße Eisen anzufassen: die Herkunft und Ausbildung der Imame, die Sprache
und der Inhalt der Predigten.
Staatliche Intervention und das Verbot bestimmter Praktiken sollen für
Sarkozy "letztes Mittel" sein. Das wäre konform mit der ab 1905 strikten
Trennung von Religion und Staat, die besagt: "Die Republik gewährt die
Glaubensfreiheit. Sie garantiert die freie Ausübung des Kults, im Rahmen
der im Interesse der öffentlichen Ordnung notwendigen Einschränkungen."
Solche bis heute gültigen Restriktionen wurden 1905 nach einem langen
Kulturkampf mit der Kirche definiert und könnten heute als
Diskussionsgrundlage dienen: keine öffentliche Finanzierung des Baus neuer
Kirchen, keine Politik in Kulträumen, Glockengeläut nur im Rahmen
kommunaler Bewilligungen.
Das wachsende Gewicht des Islams zwingt Frankreich, das Verhältnis zwischen
Religionen und weltlicher Republik neu zu definieren. Die
UMP-Europaabgeordnete und Exjustizministerin Rachida Dati warnt aber davor,
dabei den Islam zu "stigmatisieren".
Patrick Lozès vom Dachverband der französischen Schwarzen (Cran) erinnert
an das Desaster der Debatte über die nationale Identität vor zwei Jahren:
"Gestern setzte man die Immigration der nationalen Identität entgegen,
heute stellt man die Muslime der weltlichen Republik gegenüber." Dabei
würden bloß alte Feindbilder verfestigt: "Der Begriff Muslim ersetzt heute
den des Immigranten oder Bürgers aus den Exkolonien."
18 Feb 2011
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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