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# taz.de -- Proteste nach AKW-Katastrophe: Die Explosion des Wutbürgers
> Nach dem Reaktorunfall in Japan ist in Deutschland eine fast beispiellose
> Protestmobilisierung angelaufen: Dutzende Demos am Wochenende, hunderte
> in den nächsten Wochen. Eine Übersicht
Bild: Anti-Atom-Demo in Freiburg/Breisgau im vergangenen Dezember. Nur ein klei…
BERLIN taz | In Stuttgart hat sich viel verändert, sehr viel. Denn wenn
dort am Samstag wieder zehntausende Wutbürger auf die Straße gehen, um
gegen ihren Atom-Ministerpräsidenten zu demonstrieren, gegen ihren
Tiefbahnhof und nunmehr auch gegen ihre Kernkraftwerke, dann sind die
Baden-Württemberger nicht mehr allein. Überall in Deutschland wird derzeit
zu Protesten mobilisiert. Ja: überall.
In vielen weiteren Städten wollen die Menschen ebenfalls ein Zeichen setzen
gegen Atomkraft, und das nicht zu knapp: In Hamburg, Frankfurt, Hannover,
Köln, Göttingen, Fulda, aber auch in kleineren Ortschaften sind
Kundgebungen und Demonstrationen angemeldet. Und: Für die kommenden Wochen
ist noch weitaus mehr Protest zu erwarten.
Bereits jetzt steht fest: Die atomare Katastrophe von Japan hat zu einer
beispiellosen Mobilisierungswelle in Deutschland geführt. Allein für die
nächsten Tage sind bereits hunderte von Mahnwachen und Demonstrationen
geplant. Eine Ende ist vorerst nicht in Sicht. Und der Protest ist äußerst
vielseitig – er reicht von den Kirchen bis hinein ins linksradikale
Spektrum.
Schon am vergangenen Montag waren an 450 Orten in Deutschland rund 100.000
Menschen spontan zu Anti-Atom-Demonstrationen geströmt, nachdem das Ausmaß
der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima deutlich geworden war.
Für Sonntag haben viele Kirchengemeinden angekündigt, sich in ihren
Gottesdiensten mit der Katastrophe von Japan auseinanderzusetzen. Am Montag
wollen sie dann parallel zu den überall im Bundesgebiet ab 18 Uhr
stattfindenden Mahnwachen ihre Kirchenglocken läuten lassen. Wie die
Hamburger Anti-Atom-Initiative [1][„ausgestrahlt“] mitteilt, sind bislang
über 620 solcher Mahnwachen angemeldet worden.
Am folgenden Wochenende soll dann in vier großen deutschen Städten ein
nächstes Protestzeichen gesetzt werden: In Berlin, Hamburg, Köln und
München werden für den 26. März Großdemonstrationen vorbereitet.
Unterdessen werden bei vielen Anti-Atom-Initiativen bereits die
Protestutensilien knapp, weil die Nachfrage nach Fahnen, Aufkleber und
Buttons so groß ist. Aus einzelnen Initativen heißt es, die Nachfrage habe
sich gegenüber den Vorwochen verdreißigfacht.
Auch im Netz erhält die Anti-Atom-Bewegung immer breitere Unterstützung.
Beim Kampagnenportal Campact haben bis zum Feitagnachmittag bereits über
230.000 Menschen einen Appell an Bundeskanzlerin Angela Merkel
unterzeichnet, in dem sie die Kanzlerin zum endgültigen Ausstieg aus der
Atomenergie auffordern.
Vor dem Bundeskanzleramt in Berlin findet unterdessen nun täglich eine
Mahnwache zum Gedenken an die Opfer in Japan und zum Protest gegen die
Energiepolitik der deutschen Bundesregierung statt.
Diese breite Zustimmung will auch die Netzaktivistin Franziska Heine
nutzen, die 2009 mit ihrer erfolgreichen Bundestagspetition gegen
Netzsperren bekannt geworden war. Heine hat gemeinsam mit südwestdeutschen
Anti-Atom-Initiativen eine Petition beim Deutschen Bundestag eingereicht,
über die das Parlament gezwungen werden soll, sich mit dem Atomausstieg zu
befassen. Angela Merkel war in den letzten Tagen auch in die Kritik
geraten, weil sie die dreimonatige Aussetzung der Laufzeitverlängerung
deutscher Kernkraftwerke beschlossen hatte, ohne den Bundestag mit
einzubeziehen. In den nächsten zwei Wochen wollen die Initiatoren bereits
möglichst viele [2][Unterschriften] sammeln, ehe dann die Petition auch auf
den Webseiten des Deutschen Bundestages zeichenbar sein wird.
Doch nicht nur im Netz, auch im linksradikalen Spektrum formiert sich neuer
Widerstand. Die Kampagne "Castor Schottern", ein Bündnis linker Gruppen,
rief am Freitag bundesweit zu Aktionen zivilen Ungehorsams auf und sprach
von einer „Notwendigkeit massenhaften Widerstands“. Die Kampagne war im
vergangenen Jahr bei den Castor-Transporten nach Gorleben erstmals in
Erscheinung getreten, als tausende Aktivisten versuchten, den
Atommülltransport nach Gorleben zu blockieren.
Die Atomkatastrophe von Japan – sie ist angekommen in der deutschen
Bevölkerung. Am Samstag wollen Zehntausende demonstrieren. Und in den
nächsten Wochen könnten es hunderttausende werden.
18 Mar 2011
## LINKS
[1] http://www.ausgestrahlt.de/
[2] http://sofort-abschalten.de
## AUTOREN
Martin Kaul
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Stuttgart 21
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