Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Jemens Diktator Ali Abdullah Saleh: Noch ein Quadratkilometer Herrs…
> Die Tage des Diktators Saleh sind gezählt, sagt der jemenitische
> Vertreter bei der arabischen Liga, Abdulmalik Mansour. Er ist sich
> sicher, dass die Demonstranten gewinnen.
Bild: Rund um seinen Palast hat Saleh die Lage noch unter Kontrolle.
KAIRO taz | So wie viele andere Jemeniten will auch Abdulmalik Mansour
nicht länger Jemens Diktator Abdullah Saleh dienen. Der Diplomat,
Soziologieprofessor und Vertreter seines Landes in der Arabischen Liga
sitzt in seinem Büro in Kairo und sagt Salehs baldigen Untergang voraus:
"Der Präsident kontrolliert nur noch einen Quadratkilometer rund um seinen
Palast in Sanaa, bewacht von der Präsidentengarde, die von seinem Sohn
angeführt wird." Für diesen Freitag haben die immer zahlreicher gewordenen
Demonstranten angekündigt, auf den Palast zu marschieren und Saleh aus dem
Schlafzimmer zu holen, erzählt er.
Seit vorigem Freitag ist die Lage endgültig eskaliert, als Scharfschützen
auf eine friedliche Demonstration schossen und dabei mehr als 40
Demonstranten töteten. Doch die Demonstranten ließen sich nicht
abschrecken. Zudem wechselte ein großer Teil der Armee die Seiten, darunter
der De-facto-Armeechef Ali Muhsen al-Ahmar, der am Montag verkündete, dass
er fortan die Demonstranten unterstütze.
Der seit 32 Jahren regierende Saleh schlägt seither blind um sich: Er
drohte mit einem blutigen Bürgerkrieg, feuerte am Sonntag sein gesamtes
Kabinett, um dann am Mittwoch vom Parlament den Notstand verkünden zu
lassen - besser gesagt: vom Rest des Parlaments, denn nur noch 160 der 301
Abgeordneten kamen überhaupt noch zur Sitzung. Zwischendrin versuchte es
Saleh mit versöhnlichen Tönen, erklärte, dass er durchaus "Verständnis und
Sympathien für die Probleme der Jugend" habe. Zuvor hatte er der Opposition
angeboten, innerhalb von Monaten zurückzutreten. Aber nach dem blutigen
Freitag dürfte sie sich darauf nicht einlassen.
## Mansour: "Warum tötest du meine Söhne?"
Auch Mansour hatte Saleh am blutigen Freitag persönlich angerufen und
gefragt: "Warum tötest du meine Söhne, friedliche Jugendliche im besten
Alter?" In einer Rede bei der Arabischen Liga hatte er ihn anschließend
aufgefordert, sofort zurückzutreten. "Ich möchte ihm sagen, dass er sich
nicht diesen tyrannischen Mörder Gaddafi als Vorbild nehmen soll", sagt er.
Die Arabische Liga reagierte gespalten auf seinen Antrag, den Rücktritt
Salehs zu fordern: "Meine Kollegen aus Ägypten und Tunesien und der
Generalsekretär Amru Musa haben mich unterstützt, Algerien, Marokko, Syrien
und Saudi-Arabien haben das als eine Einmischung in die inneren
Angelegenheiten abgelehnt", erzählt Mansour.
Seine Rede in der Arabischen Liga war noch nicht beendet, da erhielt er
einen Anruf aus dem Außenministerium, dass sein Rücktritt angenommen worden
sei. Aber Mansour hat nie um einen Rücktritt nachgesucht, und die Autorität
des Präsidenten, ihn zu feuern, erkennt er nicht mehr an. "Saleh hat seine
Legitimität durch das Blut verloren, das er vergossen hat. Wer auf sein
eigenes Volk schießen lässt, hat sich als Präsident disqualifiziert", meint
der Diplomat.
## "Sie wollen ihn für seine Taten vor Gericht stellen"
Er hegt keine Zweifel daran, dass die Demonstranten gewinnen werden. "Sie
wollen nicht nur, dass er abtritt, sie wollen ihn für seine Taten vor
Gericht stellen", erklärt er. "Von Tunesien über Ägypten bis Marokko,
Algerien, Bahrain, Saudi-Arabien und natürlich den Jemen wird die
Revolution nicht mehr aufzuhalten sein", prophezeit er. "Die Leute haben
Durst, und ihr Getränk ist die Demokratie. Die Zeit der Pharaonen ist
abgelaufen", sagt er.
Egal was in den nächsten Tagen und Wochen im Jemen geschieht, das verarmte
Land an der südlichen Spitze der Arabischen Halbinsel, in dem außerhalb der
Hauptstadt vor allem die Stämme das Sagen haben, hat sich bereits jetzt
verändert. Es sei kein Geheimnis, dass alle Jugendlichen der Stämme
bewaffnet seien, erklärt er. Aber sie hätten sich dazu entschieden, ihre
Kalaschnikows zu Hause zu lassen und vollkommen unbewaffnet zu den
Demonstrationen und Streiks zu gehen und ihren Herrscher zum Rücktritt
aufzufordern - und das, obwohl sie mit Tränengasgranaten und sogar scharfer
Munition beschossen wurden und seit Beginn des Aufstands mindestens 50 von
ihnen getötet wurden.
"Unsere Herrscher leben noch in der alten Zeit, unsere Jugendlichen denken
völlig neu. Sie sind noch dem Stamm verpflichtet, aber sie haben jetzt
einen Universitätsabschluss", meint Mansour. "Sie haben ihre Kalaschnikows
in den Schrank gehängt", sagt er, "ihre neue, viel stärkere Waffe sind
Facebook und das Internet."
24 Mar 2011
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
## ARTIKEL ZUM THEMA
Proteste in Syrien und Jemen: Neun Tote und zahlreiche Verletzte
Sicherheitskräfte in Syrien schossen auf die Demonstranten. Eine
Journalistin wurde des Landes verwiesen. Auch im Jemen gingen nach dem
Freitagsgebet wieder Hunderttausende auf die Straße.
Proteste in Jemen: Explosion in Munitionsfabrik
Nach der Plünderung der Fabrik durch Islamisten entzündet sich
Schießpulver. 70 Menschen werden getötet. Präsident Saleh zieht sein
Rücktrittsangebot zurück - er will bis 2013 im Amt bleiben.
Arabische Revolutionen: Den Jemen gibt es nicht
Die Unzufriedenheit mit der Regierung ist größer denn je seit der
Wiedervereinigung von Nord und Süd 1990. Ein Besuch in einem gespaltenen
Land.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.