# taz.de -- Krieg in Libyen: Rebellen zu Waffenstillstand bereit | |
> Ein Gesandter Gaddafis war in London – vermutlich um ein Ausstiegszenario | |
> des Machthabers zu diskutieren. Die USA beenden ihren Einsatz, | |
> Westerwelle verbündet sich mit China. | |
Bild: Hoffnung in die Alliierten: Mädchen in Bengasi. | |
TRIPOLIS/LONDON/PEKING dpa | Der Vorsitzende des libyschen Übergangsrates | |
sagte am Freitag in Bengasi, die Rebellen seien zu einem Waffenstillstand | |
bereit, sobald Gaddafi seine Truppen aus den Städten abziehe. An der Front | |
im Osten Libyens stehen sich Rebellen und regimetreue Truppen des | |
Machthabers Muammar al-Gaddafi in einem Patt gegenüber. Ein Gesandter des | |
Regimes hat in London mit Vertretern der britischen Regierung verhandelt. | |
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) erklärte in Peking gemeinsam mit | |
seinem chinesischen Kollegen, es müssen neue Anstrengungen unternommen | |
werden, um eine nicht-militärische Lösung für Libyen zu finden. | |
Den libyschen Rebellen am Rande der Stadt Adschdabija gelang es am Freitag | |
weiter nicht, die Gaddafi-Truppen zurückzudrängen, wie ein BBC-Reporter aus | |
der Region berichtete. Am Vortag war bereits der Vorstoß gescheitert, den | |
am Mittwoch verlorenen Ölhafen Brega zurückzuerobern. Den Truppen des | |
Regimes scheine es zu gelingen, eine komfortable Pufferzone zwischen dem | |
von den Aufständischen kontrollierten Landesteil und dem Kernland der | |
Gaddafi-Anhänger rund um Sirte, die Geburtsstadt des Diktators, zu | |
schaffen, berichtete der BBC-Reporter. | |
## Rebellen zu Waffenstillstand bereit | |
Die libyschen Rebellen sind unter Bedingungen zu einem Waffenstillstand | |
bereit. "Unsere Bedingung für einen Waffenstillstand ist, dass die Truppen | |
von Gaddafi sofort aus den Städten abziehen, und dass sie die Blockade von | |
Städten wie Misrata beenden", sagte der Vorsitzende des libyschen | |
Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, am Freitag bei einer | |
Pressekonferenz mit dem UN-Gesandten Abdelillah al-Chatieb in Bengasi. | |
Außerdem müsse den Menschen in diesen Städten die Möglichkeit gegeben | |
werden, frei ihre Meinung zu äußern. Gaddafi und seine Familie sollten das | |
Land verlassen, fügte er hinzu. | |
Dschalil forderte die internationale Staatengemeinschaft auf, die Rebellen | |
mit Waffen zu versorgen. Ohne entsprechende Militärhilfe sei es für die | |
Rebellen sehr schwer, den Truppen von Staatschef Muammar al-Gaddafi Einhalt | |
zu gebieten. | |
Der UN-Gesandte erklärte, er habe Vertretern der libyschen Regierung am | |
Donnerstag in Tripolis die drei wichtigsten Forderungen der Vereinten | |
Nationen erklärt: Ein glaubwürdiger Waffenstillstand, Schutz der | |
Zivilisten, Ende der Blockade der Städte im Westen des Landes sowie Respekt | |
für die Wünsche des libyschen Volkes. | |
Abdul Dschalil nutzte die Pressekonferenz, die von mehreren arabischen | |
Fernsehsendern übertragen wurde, auch, um den Menschen in den von Gaddafis | |
Truppen umstellten Städten im Zentrum des Landes und im Westen Mut | |
zuzusprechen. "Wenn es keine Waffenruhe geben sollte, dann werden wir | |
marschieren bis wir bei euch sind", sagte er. | |
## Rückhalt Gaddafis schwindet | |
Doch der Rückhalt für Gaddafi scheint zu schwinden. Nach einem Bericht des | |
arabischen Fernsehsenders al-Dschasira aus der Nacht zum Freitag sind immer | |
weniger Menschen bereit, als "menschliche Schutzschilder" vor der Residenz | |
des Gaddafi-Clans in der Garnison Bab al-Asisija bei Tripolis Stellung zu | |
dienen. | |
Am Donnerstagabend seien nur mehr noch ein paar Dutzend Libyer dort | |
gewesen, um einer möglichen Bombardierung des Stützpunkts durch die | |
westliche Militärallianz zu trotzen, berichtete der Sender. Zu Beginn der | |
Luftangriffe auf libysche Militärziele vor zwei Wochen waren es noch | |
Tausende gewesen. | |
## Gesandter Gaddafis in London | |
Ein Gesandter des Regimes von Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi hat | |
nach Informationen der BBC in London mit Vertretern der britischen | |
Regierung verhandelt. Mohammed Ismail, ein Vertrauter von Gaddafi-Sohn Saif | |
al-Islam, sei inzwischen wieder nach Tripolis zurückgekehrt, berichtete der | |
Sender am Freitag. Bei den Gesprächen sei es möglicherweise um ein | |
Ausstiegsszenario für Gaddafi gegangen. | |
Das britische Außenministerium erklärte anschließend, die Regierung liefere | |
nicht ständig Kommentare über ihre Kontakte zu libyschen Offiziellen ab. | |
Allen Kontaktleuten werde aber unmissverständlich mitgeteilt, dass Gaddafi | |
gehen müsse. | |
Der Besuch des Gesandten wurde in London als Hinweis gedeutet, dass | |
zumindest die Gaddafi-Söhne eine Lösung mit dem Westen anstrebten. Der | |
Besuch Ismails in London kam praktisch zeitgleich mit einer internationalen | |
Libyen-Konferenz am Dienstag in der britischen Hauptstadt, bei der | |
Vertreter von 40 Nationen erste Strukturen für eine Strategie nach dem | |
Gaddafi-Regime erörterten. Am Mittwoch setzte sich der libysche | |
Außenminister Mussa Kussa nach London ab. | |
## USA beenden ihren Einsatz | |
Die USA machen ernst mit ihrem angekündigten Rückzug aus den Kampfeinsätzen | |
in Libyen. Ab Sonntag fliegen US-Kampfjets keine Einsätze mehr gegen die | |
Truppen von Machthaber Muammar al Gaddafi, wie US-Generalstabschef Admiral | |
Mike Mullen am Donnerstag vor dem Kongress in Washington ankündigte. Die | |
USA wollten sich ab Sonntag auf eine rein unterstützende Rolle beschränken | |
und nur auf Bitten der Nato-Führung wieder Angriffe in Libyen fliegen, | |
erklärte Mullen. Diese Angriffe müssten ansonsten Frankreich, | |
Großbritannien und andere NATO-Mitglieder übernehmen, erklärte Mullen. | |
Verteidigungsminister Robert Gates sprach sich in der Anhörung dafür aus, | |
dass die USA ihre Beziehungen zu den Aufständischen vorerst nicht weiter | |
ausbauen. Er sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen die Ausbildung und | |
Bewaffnung der Rebellen, sagte Gates. Bislang lägen noch zu wenig | |
Informationen über die Aufständischen und ihre Ziele vor. "Die nächste | |
Frage wird sein, welche Unterstützung wir der Opposition abseits von | |
Waffenlieferungen anbieten können", sagte Gates. Sollten sich andere | |
Staaten für die Bewaffnung der Rebellen entscheiden, müssten sie diesen | |
Schritt selbst gehen, sagte der US-Verteidigungsminister. | |
Das Ende der US-Kampfeinsätze wurde im Kongress umgehend kritisiert. Dabei | |
gäben die USA ein wichtiges Werkzeug auf, mit dem die Menschen in Libyen | |
vor den Angriffen der Gaddafi-Truppen geschützt werden könnten, erklärte | |
ein Senator. "Verrückt" und "Besorgnis erregend" lauteten einige der | |
Kommentare. "Das Timing ist wunderbar", merkte der republikanische Senator | |
John McCain sarkastisch an. Dabei bezog er sich auf den neuerlichen | |
Vormarsch der Gaddafi-Truppen in dieser Woche. | |
## Gemeinsame Erklärung von Deutschland und China | |
Deutschland und China haben gemeinsam neue Anstrengungen für eine | |
politische Lösung des Libyen-Konflikts verlangt. Die Außenminister Guido | |
Westerwelle und Yang Jiechi betonten nach einem Treffen am Freitag in | |
Peking, dass es keine militärische Lösung geben könne. Beide Länder hatten | |
sich vor zwei Wochen im UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über die | |
Libyen-Resolution enthalten. | |
Chinas Außenminister Yang Jiechi äußerte sich "sehr besorgt" über die | |
jüngste Entwicklung. China befürchte, dass "die militärischen Aktionen | |
wahrscheinlich zur Eskalation kommen". "Wir sollten auf diplomatischer | |
Weise eine Lösung finden." Westerwelle forderte Machthaber Muammar | |
al-Gaddafi zu einem sofortigen Waffenstillstand auf. Anschließend kam er | |
auch mit Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao zusammen. | |
Beide Seiten vereinbarten, trotz bestehender Meinungsverschiedenheiten ihre | |
Beziehungen weiter auszubauen. Dazu soll es im Juli erstmals eine | |
gemeinsame Kabinettssitzung der beiden Regierungen geben. Unterschiede | |
wurden insbesondere in Bezug auf Menschenrechte und Pressefreiheit | |
deutlich. Westerwelle verlangte, dass deutsche Korrespondenten in China | |
"ungehindert" arbeiten können. Darüber hinaus forderte er mehr | |
Rechtssicherheit für deutsche Firmen, die in der Volksrepublik investieren. | |
1 Jan 1970 | |
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