# taz.de -- Schuldenkrise in Griechenland: Der Wackelkandidat | |
> Vor der erneuten Inspektion durch IWF und EU macht sich die Regierung | |
> selbst Mut. Dabei weiß sie so gut wie die Opposition, wie gefährlich die | |
> Spartherapie ist | |
Bild: Plädiert für eine strengere Überwachung der Ratingagenturen: Giorgos P… | |
Es war ein Wirtschaftskolloquium unter Freunden: Griechenland brauche weder | |
eine Umschuldung, noch müsse es nach 2013 den Europäischen | |
Stabilitätsmechanismus beanspruchen, erklärte der griechische | |
Finanzminister Giorgos Papakonstantinou vergangene Woche auf einer | |
Konferenz der europäischen Sozialisten in Athen. Deren Schweigen wurde als | |
Zustimmung gewertet. | |
Lauter dürfte es in dieser Woche werden, wenn sich die Inspektoren von | |
Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und Internationalem | |
Währungsfonds (IWF) vor Ort über das Fortkommen der Antikrisenpolitik | |
informieren. Einer - offiziell aus Athen dementierten - Meldung des | |
Spiegels zufolge drängen hochrangige Vertreter des Fonds gerade darauf, die | |
Schuldenstruktur zu verändern. | |
Ministerpräsident Giorgos Papandreou dagegen plädiert für eine strengere | |
Überwachung der internationalen Ratingagenturen. Diese stuften griechische | |
Staatsanleihen, also das Mittel zur Schuldenaufnahme, bereits 2010 auf | |
Ramschniveau herab, im März bewerteten sie sie noch niedriger. Damit | |
genießt nun das Euroland Griechenland bei Marktanalysten ein ähnliches | |
Vertrauen wie Weißrussland oder Sri Lanka. | |
Dabei gibt es auch erfreuliche Meldungen: Die Exporte haben 2010 um 10 | |
Prozent zugenommen, Tendenz steigend. Tourismusfachleute erwarten | |
zweistellige Zuwachsraten. Finanzminister Papakonstantinou glaubt, dass das | |
reicht, damit die Konjunktur wieder anzieht. Immerhin sei es gelungen, das | |
Haushaltsdefizit binnen zwei Jahren zu halbieren. Ab 2012 könne es wieder | |
aufwärts gehen. | |
Vorerst soll aber ein weiterer "Katalog der Grausamkeiten" verkündet | |
werden: Bis 2015 werden Einsparungen in Höhe von 22 Milliarden Euro fällig, | |
im laufenden Budget klafft ein Loch von 1,5 Milliarden Euro. Neue | |
Sparvorschläge machen die Runde, etwa eine rückwirkende Sonderabgabe auf | |
Besserverdienende. Oder eine erneute Mehrwertsteuererhöhung. Oder auch eine | |
Steuer auf Softdrinks - eine vielversprechende Einnahmequelle bei 30 Grad | |
im Schatten. | |
## Opposition ist gegen Milliardenhilfspaket | |
Zusätzlich soll Griechenland sein Haushaltsdefizit für 2010 abermals nach | |
oben korrigieren. Am Freitag erklärte die europäische Behörde Eurostat, | |
nach jüngsten Daten des griechischen Statistikamts habe die Verschuldung | |
statt bei 9,4 bis 9,5 bei 10,6 Prozent der Wirtschaftsleistung gelegen. Die | |
Regierung will dies weder bestätigen noch dementieren und verweist | |
stattdessen auf die bevorstehenden Gespräche mit IWF und Co. | |
Allerdings ist die Zusammenarbeit mit den Inspektoren in Griechenland | |
sowohl in der Öffentlichkeit als auch zwischen den politischen Parteien | |
umstritten. Die sozialistische Regierung Papandreou bekommt dabei | |
Unterstützung von wirtschaftsliberalen Geistern und von der | |
rechtspopulistischen Splitterpartei LAOS. | |
Auch der ehemalige Außenminister Antonis Samaras als Führer der | |
konservativen Opposition macht jetzt Stimmung gegen das | |
Milliardenhilfspaket, obwohl seine Partei für das Finanzchaos zum Teil | |
selbst verantwortlich ist. Er sagt, die Schocktherapie würge alles ab und | |
stürze das Land noch tiefer in die Krise. | |
Nach dem heutigen Stand hat er damit gar nicht so unrecht: 2011 soll die | |
griechische Wirtschaft um mindestens 4 Prozent schrumpfen und die | |
Arbeitslosigkeit auf über 15 Prozent steigen. Nachdem die griechischen | |
Beamten schon 20-prozentige Lohnkürzungen hinnehmen mussten, sind nun auch | |
die Gehälter im Privatsektor dran - im Namen der Wettbewerbsfähigkeit. | |
Immer mehr Kleinunternehmer melden Konkurs, und in der Athener | |
Stadioustraße, einst ein Einkaufsparadies, steht heute jeder vierte Laden | |
leer. | |
3 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Jannis Papadimitriou | |
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