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# taz.de -- Judit Polgár bei der Schach-EM: Die Killerin
> Judit Polgár ist die beste Schachspielerin der Welt – am Brett überzeugt
> sie durch gnadenlose Agressivität. Jetzt hat sie bei der
> Männer-Europameisterschaft Platz drei belegt.
Bild: Gleich schlägt sie zu: Judit Polgár.
Judit Polgár hat als erste Frau bei einer Männer-Europameisterschaft eine
Medaille errungen. Im französischen Aix-les-Bains kletterte die ungarische
Schach-Großmeisterin punktgleich hinter Sieger Wladimir Potkin (Russland)
und dem Polen Radoslaw Wojtaszek aufs Podium. Einmal mehr bestätigte die
34-Jährige damit die These ihres Vaters und Lehrers László Polgár, dass
"Genies machbar sind".
Bei der zwölften EM agierte die zweifache Mutter erneut getreu einer
Aussage des Briten Nigel Short: "Sie ist ein Killer und riecht das Matt
schon 20 Züge im Voraus", hatte der ehemalige Vizeweltmeister nach einer
seiner zahlreichen Niederlagen gegen die Rivalin pointiert festgestellt.
Nach dem missratenen Start mit einem Remis gegen den jungen Offenbacher
Hagen Poetsch und der Niederlage in Runde sechs gegen den Österreicher
Markus Ragger kam die zuletzt nur noch selten spielende Polgár in Schwung.
Mit vier brillant herausgeopferten Siegen schloss die Budapesterin zur
Spitze auf und bestätigte ihren Ruf als ungewöhnlich aggressiv
attackierende Spielerin – fern der 64 Felder ist sie jedoch eine Frohnatur.
Ihr kompromissloser Stil entstand durch die Umstände: Taktische Wendungen
auf dem Brett sind leichter zu verstehen und zu trainieren.
László und Klara Polgár konnten ihren Kindern, die nicht in die Schule
gingen, vieles beibringen, aber ihnen fehlte es an Verständnis, feine
positionelle Nuancen zu lehren. So ergreifen seine Töchter jede Gelegenheit
zum Angriff, besonders Judit. Sie profitierte dabei zusätzlich von den
Erfahrungen ihrer Eltern bei der Schachausbildung der älteren Schwestern.
Wenn sich nur ein Hauch von Gefahr um den gegnerischen König entwickeln
lässt, ist Judit Polgár in ihrem Element. Nur bei subtilen Manövern und der
Eröffnungsvorbereitung dürfte sie gegenüber den Männer-Weltmeistern im
Nachteil sein.
## "Ich habe ein Problem mit dem Niveau"
In der letzten Runde remisierte die Weltranglistenerste der Damen mit dem
Nachteil der schwarzen Steine gegen den neuen Europameister Potkin. Die
Ausnahmespielerin verbuchte zwar so auch 8,5 Punkte in elf Partien, wies
jedoch nach dem verpatzten Start die schlechtere Feinwertung auf – das
heißt, sie hatte gegen nominell schwächere Kontrahenten gewonnen als der
siegreiche Russe und der zweitplatzierte Pole. Deutsche Spieler kamen nicht
ins Vorderfeld der Europameisterschaft. Unter den 393 Teilnehmern belegte
Daniel Fridman Platz 25. Der Mülheimer qualifizierte sich damit im
Gegensatz zu dem Hamburger Jan Gustafsson, der mit ebenfalls 7,5 Punkten
34. wurde, für den Weltcup.
Polgár, die beste Schachspielerin aller Zeiten, trat bis auf zwei Ausnahmen
nie bei Frauenwettbewerben an. Lediglich mit ihren Schwestern,
Exweltmeisterin Zsuzsa und Großmeisterin Zsófia, räumte sie mit 12 und 14
Jahren Mannschafts-Gold bei den Schach-Olympiaden 1988 und 1990 ab. Dabei
gab das Wunderkind bei einer dieser Team-Weltmeisterschaften in 13 Partien
nur ein Remis ab und siegte zwölfmal. 1992 unterbot Judit Polgár dann den
vermeintlichen "Rekord für die Ewigkeit" von Bobby Fischer. Der
US-Amerikaner war 1958 mit 15 Jahren und sechs Monaten Großmeister geworden
– Polgár erspielte sich den höchsten Männer-Titel zwei Monate früher.
Die Frauen-Weltrangliste führt die 34-Jährige seit zwei Jahrzehnten mit
riesigem Vorsprung an. Zu ihren besten Zeiten war die Budapesterin
Dauergast in den Top Ten der Männer. Die zweitbeste Spielerin, die Inderin
Humpy Koneru, folgt bei den Herren erst auf Position 189. Unverblümt
erklärt Polgar mit Blick aufs Frauenschach: "Ich habe ein Problem mit dem
Niveau."
In den letzten Jahren machte die zweifache Mutter weniger sportlich von
sich reden. Mangels Praxis fiel sie auf Platz 49 in der
Männer-Weltrangliste zurück. weil sie mit dem Nachwuchs lieber im Urlaub
auf den Galapagos-Inseln im Sand wühlte und Schildkröten beäugte, als die
Springer auf den 64 Feldern tanzen zu lassen. Und über ihren Mann, einen
Tierarzt sagt sie: "Ich bin wirklich sehr glücklich darüber, einen
Nichtschachspieler geheiratet zu haben. Ich wollte nicht unbedingt
denselben Beruf wie mein Ehemann ausüben."
4 Apr 2011
## AUTOREN
Hartmut Metz
## TAGS
Schach
Schach
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