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# taz.de -- Schach-Datenbank-Marktführer Chessbase: Der Gründer programmiert …
> Was die Videoanalyse im Fußball, ist den Denksportlern die Datenbank
> "Chessbase". Profis und Freizeitspieler nutzen sie. Sogar eine Partie aus
> dem Jahr 1475 ist enthalten.
Bild: Weltmeister Kramnik beim Spiel gegen den Computer "Deep Fritz" - die Soft…
Die Vorlieben von Alexander Grischuk liegen wie ein offenes Buch vor Boris
Gelfand. Aber auch der Israeli wurde für seinen russischen Gegner schon
lange vor dem ersten Zug beim heute beginnenden WM-Kandidaten-Finale zum
gläsernen Schachspieler.
Steht der Sieger im tatarischen Kasan fest, wird Weltmeister Viswanathan
Anand die fünf Millionen Turnierpartien auf seiner Festplatte durchforsten
und in "Chessbase" eine Datenbank über seinen nächsten Herausforderer
anlegen.
Als Matthias Wüllenweber am 19. Mai 1986 in Basel als "kleiner
Vereinsspieler" aufgeregt zur Audienz bei dem "charismatischen Superstar"
Garri Kasparow schritt, "hatten wir höchstens 200 Partien in der
Datenbank", erzählt der Hamburger lachend. Heute sind es zig Millionen. Die
älteste Partie, die bequem per Mausklick am Bildschirm nachgespielt werden
kann, stammt von 1475: In Valencia setzte Francisco de Castellvi mit Weiß
Narciso Vinoles in 21 Zügen matt.
## Bevorzugte Laufwege und Statistiken
Weltmeister Kasparow "war offensichtlich fasziniert", erinnert sich
Wüllenweber. Mit der Software revolutionierte der angehende Physiker das
jahrhundertealte Spiel. Was die Videoanalyse im Fußball ist, ist bei den
Denksportlern "Chessbase": Es zeigt quasi die bevorzugten "Laufwege" der
Springer und Bauern beim Gegner auf und gibt mit Statistiken preis, welche
Eröffnungen er anwendet und wie er dann weiterspielt. Partiekommentare und
Einschätzungen von Großmeistern finden sich ebenso in jeder gut gepflegten
Datenbank. Schlampigen Genies gefällt die Entwicklung hin zur Wissenschaft
allerdings weniger.
Auf die bahnbrechende Idee war Wüllenweber während seines Studiums in
Edinburgh gekommen. "Die Schotten sind höfliche Menschen und sagten zu mir:
'Spiel mal an Brett eins der Unimannschaft!' Um nicht dauernd zu verlieren,
fragte ich mich, ob ich mein Eröffnungsrepertoire nicht besser elektronisch
verwalten sollte."
Genaue Angaben darüber, wie viele Datenbanken in inzwischen elf Versionen
abgesetzt wurden, liegen der Chessbase GmbH nicht vor. Ihr noch beliebteres
Schachcomputerspiel "Fritz" verkaufte sich aber mehr als eine Million Mal.
Trotz der Marktdominanz, von der Microsoft nur träumen kann, fühlt sich
Wüllenweber "nicht als Bill Gates der Schachszene". Statt sich aufs
Wachstum der Firma zu konzentrieren, programmiert der 49-Jährige lieber
selbst noch jeden Tag.
## Schachserver mit 220.000 Nutzern
Seine 20 festen Mitarbeiter bringen Lehr-DVDs heraus und betreiben drei
populäre Websites in Deutsch, Englisch und Spanisch. Zwecks Kundenbindung
existiert seit zehn Jahren ein Schachserver, der sich mit 220.000
regelmäßigen Nutzern zum größten der Welt mauserte. Online wurden darauf
mehr als 510 Millionen Partien gespielt. Täglich kommen rund 200.000
Blitzpartien dazu.
Inzwischen übernimmt Querflötist Wüllenweber auch in der Musikwelt den
Taktstock: Seine nach Beethoven benannte Software "Ludwig" arrangiert
Melodien und Texte. Wüllenweber glaubt, dass sein Programm "Leuten hilft,
die schnell ein handwerkliches musikalisches Problem lösen möchten:
Chorleitern oder der Kindergärtnerin, die nicht immer nur 'Backe, backe,
Kuchen' singen will und daher neue Kinderlieder mit 'Ludwig' erfindet". Zum
heutigen Jubiläum könnte sich Wüllenweber damit sicher problemlos eine "Ode
an die Schachfreude" komponieren.
19 May 2011
## AUTOREN
Hartmut Metz
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