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# taz.de -- Spitzelaffäre um Mark Kennedy: Grüne drohen mit Verfassungsklage
> In der Affäre um einen britischen verdeckten Ermittler drohen die Grünen
> mit einer Verfassungsklage. Sie wollen neue Regeln für ausländische
> Spitzel.
Bild: Der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele: Er möchte wissen, wi…
BERLIN taz |Die Affäre um den britischen verdeckten Ermittler Mark Kennedy
könnte ein Fall für das Bundesverfassungsgericht werden. "Die
Bundesregierung beantwortet Fragen nicht oder nicht vollständig. Wenn sich
das bei unserer nächsten Anfrage nicht ändert, werden wir Verfassungsklage
wegen der Einschränkung unseres parlamentarischen Informationsrechts
einreichen", sagte der Grünenpolitiker Hans-Christian Ströbele am
Donnerstag der taz.
Der Bundestagsabgeordnete möchte erfahren, wie groß die Anzahl
ausländischer verdeckter Ermittler ist, die in Deutschland im Einsatz waren
oder sind. "Die bloße Zahl dieser Ermittler kann doch kein Staatsgeheimnis
sein", sagte er der taz.
Hintergrund ist die parlamentarische Aufarbeitung des umstrittenen
Einsatzes eines verdeckten Ermittlers aus Großbritannien, der seit einigen
Monaten die Parlamentarier beschäftigt. Der britische Polizist Mark Kennedy
hatte über Jahre hinweg unter falschem Namen die europäische linke Szene
ausspioniert und war auch in Deutschland wiederholt aktiv gewesen. Unter
anderem soll er sich dabei an Straftaten beteiligt und sexuelle Beziehungen
zu Observierten unterhalten haben.
Oppositionspolitiker versuchen seither, Fakten zum grenzüberschreitenden
Austausch verdeckter Ermittler zwischen Deutschland und anderen
europäischen Staaten zu erhalten. Sie fürchten: Weil die gültige Rechtslage
ausländische verdeckte Ermittler gegenüber deutschen Ermittlern
besserstellt, könnte dies potenziell einen Anreiz für deutsche Behörden
bieten, verstärkt ausländische verdeckte Ermittler anzufordern und
einzusetzen.
Denn nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 2007 sind
ausländische verdeckte Ermittler in Deutschland wie V-Leute zu behandeln -
und nicht wie deutsche verdeckte Ermittler. Die Strafprozessordnung sieht
für den Einsatz verdeckter Ermittler, etwa bei der Strafverfolgung, einen
Richtervorbehalt vor, während der Einsatz von V-Leuten hier gesetzlich
völlig ungeregelt ist.
## Kuriose Rechtsprechung
Der Fall Mark Kennedy zeigt, wie kurios diese Rechtsprechung ist: Weil
Kennedy ein britischer und kein deutscher Polizist ist, soll er behandelt
werden wie ein Krimineller, der der Polizei gegen Geld Tipps gibt. Dabei
wurde Kennedy von deutschen Stellen immerhin gezielt angefordert und über
einen deutschen Verbindungsbeamten auch ansatzweise gesteuert.
Die Grünen fürchten nun, dass die Behandlung ausländischer verdeckter
Ermittler als bloße V-Leute dazu genutzt werden könnte, rechtsstaatliche
Regeln für verdeckte Ermittler zu unterlaufen. "Hier droht der EU ein
Verschiebebahnhof von grenzüberschreitend agierenden Spitzeln", sagte
Ströbele und fordert die Bundesregierung zu einer gesetzlichen Regelung
auf, nach der in- und ausländische verdeckter Ermittler gleichgestellt
werden. "Und das muss auch parlamentarisch kontrollierbar sein."
Die Bundesregierung sieht derweil keinen Regelungsbedarf. In einer noch
nicht veröffentlichten Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen, die der
taz vorliegt, entgegnet das Bundesinnenministerium (BMI), es habe "keine
Anhaltspunkte für ein gezieltes Unterlaufen der Regelungen für den Einsatz
deutscher verdeckter Ermittler". Den Umfang dieser Einsätze will die
Bundesregierung dennoch nicht offenlegen. So heißt es in der Antwort auch,
das BMI beabsichtige nicht, "zusätzliche Informationen von den Ländern
anzufordern".
Für die konkrete Verwendung verdeckter Ermittler aus dem Ausland sind
häufig die Länder zuständig. In dem Bereich, in dem Mark Kennedy eingesetzt
war, im Bereich der Gefahrenabwehr durch die Länder, droht tatsächlich
weniger Missbrauch, weil die Regeln für verdeckte Ermittler in diesem
Bereich kaum strenger sind als die Regeln für V-Leute.
Eines immerhin stellte das BMI auf taz-Anfrage nun aber klar: Der Einsatz
von Liebesbeziehungen beziehungsweise sexuellen Affären zur Ausforschung
bestimmter Szenen berührt den "Kernbereich privater Lebensgestaltung" und
sei daher durch interne Vorgaben des Bundeskriminalamts ausdrücklich
verboten. Dieses Verbot gelte im Bereich der Bundesbehörden sowohl für
verdeckte Ermittler als auch für V-Leute, sowohl bei der Strafverfolgung
als auch bei der Gefahrenabwehr.
8 Apr 2011
## AUTOREN
Martin Kaul
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
Verdeckte Ermittler
Kennedy
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