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# taz.de -- Krieg in Libyen: Bundesregierung plant Hilfseinsatz
> Deutsche Soldaten könnten bei einem humanitären Einsatz der UN in Libyen
> eingesetzt werden, heißt es aus der Bundesregierung. Die Türkei legt
> einen Friedensfahrplan vor.
Bild: Bei einem Luftangriff der Nato kamen am Donnerstag fünf Rebellen ums Leb…
BERLIN/TRIPOLIS dapd/dpa | Die Bundesregierung bereitet sich darauf vor,
einen humanitären Einsatz der Vereinten Nationen in Libyen auch mit
deutschen Soldaten zu unterstützen. Dabei kann sie mit breiter Zustimmung
rechnen: Sowohl Koalitionspolitiker als auch Vertreter der Opposition
signalisierten am Freitag ihre Bereitschaft, im Bundestag für das Vorhaben
der Regierung zu stimmen, die Bundeswehr als Hilfstruppe nach Libyen zu
schicken.
SPD und Grüne warfen der Bundesregierung jedoch eine schwankende Haltung in
Bezug auf einen Einsatz deutscher Soldaten in Libyen vor. Bei der
Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über die Flugverbotszone in Libyen hatte
sich Deutschland als einziges Nato-Land in dem Gremium enthalten, was zu
Kritik führte.
Der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Philipp
Mißfelder (CDU), sagte, er sehe Deutschland in einer moralischen
Verpflichtung. Sein FDP-Kollege Rainer Stinner sagte: "Wir sind offen für
die Beteiligung der Bundeswehr an der militärischen Absicherung eines
humanitären Einsatzes." Einem für diesen Fall notwendigen Mandat werde
seine Fraktion zustimmen. Durch einen humanitären Einsatz könne Deutschland
auch Zweifel an seiner Solidarität im Bündnis zerstreuen.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte, die Absage an militärisches
Engagement habe nicht nur vor den Landtagswahlen gegolten. "Wir sind
bereit, unsere Verantwortung bei der humanitären Bewältigung der Folgen des
Krieges wahrzunehmen", sagte er. Das hätten die europäischen Außenminister
schon im März vereinbart. "Die Bundeswehr wird aber nicht militärisch in
Libyen eingreifen", sagte Lindner.
## Grüne sehen Regierung auf Schlingerkurs
Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Frithjof
Schmidt, sagte: "Die Bundesregierung schaukelt von einer Position in die
andere." Erst schließe sie jedes militärische Engagement aus und ziehe
Schiffe aus dem Nato-Verband im Mittelmeer ab. "Nun legt sie eine scharfe
Wende hin und will sich anscheinend an einer europäischen Militärmission
beteiligen. Dieser Schlingerkurs zeigt einmal mehr, der Bundesregierung
fehlt auch in der Außenpolitik ein klarer Kurs."
Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer
Arnold, sagte, die Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung über eine
Flugverbotszone im UN-Sicherheitsrat sei nur vordergründig gewesen. "Die
Regierung hat sich international in eine Sackgasse manövriert", sagte er.
In der Sache äußerte Arnold jedoch Zustimmung. "Wenn es darum geht,
Evakuierungskapazitäten vorzuhalten oder Hilfsgütertransporte zu sichern,
ist das militärisch verantwortbar und ethisch richtig", sagte er. Die
Regierung müsse offen, ehrlich und transparent mit dem Bundestag umgehen.
Dann sei breite Zustimmung im Parlament zu einem Hilfseinsatz möglich.
## Türkei legt Friedensfahrplan vor
Die Türkei hat einen Friedensfahrplan für Libyen vorgeschlagen, der von den
Konfliktparteien begrüßt worden ist. Allerdings bestehen die Aufständischen
weiterhin darauf, dass Staatschef Muammar al-Gaddafi das Land verlässt. Der
Plan, den Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Donnerstagabend
vorstellte, sieht unter anderem eine Waffenruhe und einen Rückzug der
Gaddafi-Truppen aus den belagerten Städten im Westen des Landes vor.
Der Vorsitzende des libyschen Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, sagte
dem arabischen Nachrichtensender al-Dschasira in der Nacht, die
Aufständischen seien bereit, diesen Plan umzusetzen, falls Gaddafi und
seine Familie das Land verlassen sollten. Auch in Tripolis reagierte man
zunächst positiv auf den Vorschlag, der die humanitären Aspekte der
Libyen-Krise in den Vordergrund stellt.
Die Rebellen hatten die Türkei in den vergangenen Tagen stark kritisiert,
weil Erdogan wegen möglicher Terrorgefahr davor gewarnt hatte, moderne
Waffensysteme an sie zu liefern. Am Dienstag wiesen sie im Hafen von
Bengasi ein türkisches Schiff mit Hilfsgütern ab.
## Spannungen zwischen Rebellen und Nato
Zwischen den libyschen Rebellen und der Nato wachsen die Spannungen,
nachdem offenbar Kampfflugzeuge der Allianz versehentlich einen Konvoi der
Aufständischen angegriffen hatten. Es war bereits der zweite derartige
Vorfall innerhalb einer Woche. Unter den Bewohnern der Stadt Adschdabija
brach Panik aus, weil Gerüchte aufkamen, Truppen von Machthaber Muammar al
Gaddafi hätten den Angriff zu einem Vorstoß genutzt.
Bei dem vermutlich von der Nato ausgeführten Angriff in der Nähe der
umkämpften Stadt Brega wurden mindestens fünf Kämpfer der Aufständischen
getötet. Die Nato kündigte eine Untersuchung an. Die Wut unter den
Aufständischen wächst aber. "Wir wollen die Nato nicht mehr", rief einer
der Kämpfer, Basit bin Nasser. Ein anderer schrie: "Nieder mit der Nato."
Wie angespannt die Lage ist, zeigt sich darin, dass nach dem Bombardement
tausende Zivilisten und Kämpfer aus Adschdabija flohen, weil es hieß,
Gaddafis Truppen hätten das Chaos ausgenutzt.
Nach Einschätzung eines führenden US-Kommandeurs, General Carter Ham, ist
die militärische Lage so festgefahren, dass der Einsatz von Bodentruppen
möglicherweise unumgänglich sein könnte, um den Konflikt zu beenden. Für
die USA würde das bedeuten, dass sie nach Irak und Afghanistan in einem
weiteren muslimischen Land militärisch intervenieren würden. US-Präsident
Barack Obama hat den Einsatz von US-Soldaten in Libyen wiederholt
ausgeschlossen. Kleine Teams des US-Geheimdienstes CIA sollen aber im Land
sein.
## Kussa zu Lockerbie befragt
Der ehemalige libysche Außenminister Mussa Kussa ist von den schottischen
Strafverfolgungsbehörden zu den Hintergründen des Lockerbie-Attentats im
Jahr 1988 verhört worden. Das bestätigten die Behörden am Freitag. Die
schottischen Ermittler glauben, dass Mussa Kussa Informationen hat, die
mehr Licht in den noch immer nicht völlig geklärten Anschlag auf ein
US-Flugzeug mit 270 Toten bringen könnten. Über die Ergebnisse der
Befragung wurde zunächst nichts bekannt. Mussa Kussa sei nicht in Haft.
Mussa Kussa hatte sich in der vergangenen Woche nach London abgesetzt. Er
war einer der wesentlichen Figuren im Führungszirkel um Machthaber Muammar
al-Gaddafi und lange Zeit Geheimdienstchef.
8 Apr 2011
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