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# taz.de -- Turn-EM in Berlin: Geturnt - und gut geturnt
> Elisabeth Seitz holt Mehrkampfsilber. So einen Erfolg hat es zuletzt zu
> DDR-Zeiten für eine Deutsche gegeben. Es ist nicht die einzige
> Glanzleistung der Turnerriege.
Bild: Hui, da fliegt sie durch die Luft, die Bui! Die Deutsche am Stufenbarren.
BERLIN taz | Neuigkeiten über deutsche Turnerinnen betrafen in den
vergangenen Jahren zumeist verletzungsbedingte Ausfälle und hintere
Platzierungen. Bei der EM in Berlin drehte sich an diesem Wochenende zum
ersten Mal alles um Medaillen: Nachdem Elisabeth Seitz am Freitagabend
Vize-Europameisterin im Mehrkampf geworden war, gewann Oksana Chusovitina
am Wochenende am Sprung Silber und Kim Bui am Stufenbarren Bronze.
"Schade, dass es zu Ende ist", sagte Bundestrainerin Ulla Koch nach dieser
unerwartet großen Ausbeute. Am Sonntag kam noch eine Plakette dazu: Marcel
Nguyen gewann am Barren. Es war der erste Sieg eines deutschen Turners seit
56 Jahren an diesem Gerät. Die 17-jährige Elisabeth Seitz war am
Freitagabend "einfach überwältigt" von einem besonders ungewöhnlichen Tag.
Dabei hatte er nicht gut begonnen: Beim morgendlichen Training hatte sich
Seitz bei einem harmlosen Sturz vom Balken unglücklich mit einem Finger
abgestützt. Der ausgekugelte kleine Finger stand im rechten Winkel nach
oben ab. Sie habe "noch nie etwas so Ekeliges gesehen", berichtete Seitz
mit dem Abstand eines Tages und lachte darüber, als sei es ein jahrelang
zurückliegendes Missgeschick. Am Morgen war ihr Start zeitweise gefährdet.
"Sie hat gesagt: Ich will turnen, und sie hat geturnt und gut geturnt",
urteilte Trainerin Koch später.
Bevor sie turnte, war doch tatsächlich auch noch Bundeskanzlerin Angela
Merkel zum Fototermin in die Trainingshalle gekommen. Auch das war so eine
unerwartete Aufregung. Der Wettkampfverlauf gestaltete sich ähnlich
spannend wie der Mehrkampf der Männer am Nachmittag, den Philipp Boy erst
ganz am Schluss für sich entscheiden konnte.
Die haushohe Favoritin Alija Mustafina musste nach dem Sprung, ihrem ersten
Gerät, aufgeben. Sie erhielt für ihren Jurtschenko mit zweieinhalb
Drehungen die Tageshöchstnote, doch bei der Landung riss ihr das Kreuzband
des linken Knies. "Es tut mir wirklich sehr leid für sie", sagte Seitz, die
den Sprung der Russin, deren Turnen sie "bewundert", gesehen hatte.
Mustafinas Teamkollegin Ana Dementjewa gewann den Mehrkampf.
Seitz zeigte nicht nur ihre schwierige Barrenübung samt dem Def, einem
Giengersalto mit zusätzlicher Schraube, souverän, sondern hielt sich auch
auf dem Schwebebalken. Vor ihrem letzten Gerät wurde es noch mal besonders
aufregend. Wegen des Ausfalls von Mustafina war Verwirrung um die
Startreihenfolge entstanden, Seitz ging davon aus, als letzte Turnerin auf
die Bodenfläche zu gehen, und gestaltete das Einturnen entsprechend. Aber
dann musste die Deutsche den Regeln entsprechend doch als Erste turnen.
## "Jetzt zeig ich's denen erst recht"
Das Publikum pfiff ob der Entscheidung und machte Seitz dann umso mehr Mut.
"Ich dachte dann, jetzt zeig ich es denen erst recht", beschreibt sie ihre
Reaktion in diesem schwierigen Moment. Die, denen sie es gezeigt hat, den
Kampfrichterinnen, honorierten den nahezu makellosen Vortrag mit einer
hohen Note. Kurz darauf stand es fest: Die erste Mehrkampfmedaille des
deutschen Frauenturnens seit 1985 - damals hatte DDR-Turnerin Maxi Gnauck
Weltmeisterschaftssilber gewonnen - geht an Elisabeth Seitz.
Kurz darauf musste Seitz mit der Aufregung der DTB-Funktionäre und der
Presse umgehen. Bundestrainerin Koch war "sprachlos" und ehrlich
überrascht; sie lobt die Fortschritte, den Trainingsfleiß und die
Einstellung der Mannheimerin seit Jahren. Elisabeth Seitz ahnte langsam,
was da gelungen war. Sie habe ein kleines Ausrufezeichen setzen wollen,
"ich glaube, jetzt ist mir ein großes Ausrufezeichen gelungen".
Oksana Chusovitina erfüllte die in sie gesetzten Erwartungen am Sprung und
gewann Silber hinter der rumänischen Boden-Olympiasiegerin Sandra Izbasa.
Auch sie freute sich sichtlich, obschon sie bereits seit zwanzig Jahren
internationale Medaillen sammelt. "Ganz gut" sähe es aus mit der
Vorbereitung auf ihre sechsten Olympischen Spiele in London, kommentierte
sie knapp. Schließlich turnte sich die Stuttgarterin Kim Bui am Barren auf
den dritten Platz hinter Titelverteidigerin Beth Tweddle (Großbritannien)
und Tatjana Nabijewa (Russland).
Zum ersten Mal gelangen ihr alle Verbindungen bei den Schwüngen und Flügen
zwischen den Holmen, und nach ihrem Abgang, einem Tsukahara gehockt, stand
sie fest auf beiden Füßen. "Es freut mich total, dass ich es geschafft
habe", sagt eine lachende Kim Bui, "aber ich weiß auch, dass ich an den
anderen Geräten noch ranmuss."
Bui war angesichts des Trainingsrückstandes nach ihrem Kreuzbandriss im
vergangenen Februar nur am Barren gestartet. Bereits ihren Finaleinzug
hatte sie als einen "hundertprozentigen Erfolg" bewertet. Die im Herbst
anstehende Olympiaqualifikation ist durch die drei Medaillen nicht
einfacher geworden, aber ein Achtungserfolg ist den deutschen Turnerinnen
gelungen.
10 Apr 2011
## AUTOREN
Sandra Schmidt
## TAGS
Turnen
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