# taz.de -- Selbstversuch mit Burka: Bevor der letzte Schleier fällt | |
> In Frankreich ist das Tragen von Burka oder Niqab in der Öffentlichkeit | |
> nun verboten. Unsere Autorin hat sich deshalb ganz verhüllt auf die | |
> Straßen von Paris gewagt. | |
Bild: Ist in Frankreich nun verboten: Die Burka. | |
PARIS taz | "Die Menschen halten sich nur an die Gesetze, die sie für | |
gerecht erachten." Ich stehe an einer Ampel am Place du Châtelet, einem | |
zentralen Knotenpunkt in Paris. Ich nicke und sehe den älteren arabischen | |
Herren, der gerade Platon für mich zitiert hat, durch das Netz des Niqab | |
an. Seit heute Morgen trage ich den Gesichtsschleier. "Und dieses Gesetz | |
ist ungerecht. Machen Sie weiter so, wir stehen hinter Ihnen", fügt er | |
hinzu. | |
Das Gesetz, das er meint, verbietet seit Montag, in der Öffentlichkeit sein | |
Gesicht zu verhüllen, und verbannt somit die Burka und den Niqab von | |
Frankreichs Straßen. Bei Nichtbeachtung soll es bis zu 150 Euro Bußgeld und | |
einen Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis geben. Schon wurde die erste | |
Frau mit einem Gesichtsschleier von der Polizei festgehalten. Die | |
27-Jährige muss entweder das Bußgeld zahlen oder sich innerhalb eines | |
Monats für einen Kurs in Staatsbürgerkunde anmelden. | |
Schleier wie die Burka seien in Frankreich "nicht willkommen", hatte der | |
französische Staatschef Nicolas Sarkozy in der Vergangenheit mehrfach | |
betont. Denn die Burka mache die Frauen minderwertig und sei somit mit den | |
Werten der Republik nicht vereinbar. | |
"Ob ich angehalten oder gar festgenommen werde?", frage ich mich, als ich | |
verhüllt auf die Straße trete und Richtung Place de la République laufe. | |
Die Passanten, die mir entgegenkommen, senken verlegen den Blick, wenn sie | |
mich sehen. Doch auf der anderen Straßenseite dreht man sich nach mir um. | |
Wenige Minuten später sagt ein junger Franzose zu mir: "Es ist richtig, | |
dass Sie den Niqab tragen. Dieses Gesetz ist ein Skandal." | |
## "Das ist ja grässlich" | |
Ich beschließe, auf einer Terrasse einen Kaffee zu trinken. Der Kellner ist | |
sehr freundlich, spricht mich mit "Madame" an. Ich hebe die Tasse unter den | |
Schleier und nippe am Kaffee. Die meisten Passanten sehen zu mir herüber, | |
gehen aber wortlos weiter. Bis eine adrett gekleidete Frau mittleren Alters | |
sich zu mir wendet und im Vorbeigehen "Das ist ja grässlich" zischt. | |
Ich mache mich wieder auf den Weg und gelange über die Rue du Temple ins | |
Marais, ein Pariser Szeneviertel mit vielen Bars und Boutiquen. Nur die | |
Chinesen, die hier mit Accessoires handeln, zeigen offen ihre Verwunderung | |
über meine Erscheinung. Die Franzosen beobachten mich aus dem Augenwinkel. | |
Es scheint fast so, sie glaubten, ich würde ihre Blicke nicht bemerken, nur | |
weil sie mein Gesicht nicht sehen können. | |
Ich laufe weiter Richtung Zentrum und will die Rue Rivoli überqueren, um | |
auf den Vorplatz des Pariser Rathauses zu gelangen. Auf der anderen | |
Straßenseite steht ein Polizist. Wird er mich ansprechen? Mich verwarnen? | |
Die Ampel wird grün. Der Beamte läuft wortlos an mir vorbei. Keine | |
Zurechtweisung, kein Bußgeld. Ich bin verwundert. | |
Ich überquere den Vorplatz und laufe Richtung Notre Dame. Hier haben am | |
Montag Burkaträgerinnen gegen das neue Gesetz protestiert. Zwei von ihnen | |
wurden festgenommen. | |
## "Seien sie vorsichtig" | |
Der Grund dafür soll jedoch die unangemeldete Demo gewesen sein und nicht | |
der Schleier, den sie trugen. Drei Polizisten kreuzen meinen Weg. Sie | |
schenken mir keine Beachtung. Haben sie mich nicht gesehen? Mein | |
himmelblauer Schleier weht im Wind. Ich setzte mich kurz auf eine Bank, um | |
einen Schnürsenkel zu binden. Als ich aufsehe, erblicke ich einen Mann, der | |
mir zulächelt und seinen Daumen hochhält. Er ist Marokkaner und kommt | |
täglich her, um die Spatzen zu füttern. "Super, dass Sie das machen", sagt | |
er. Dann bittet er mich um ein gemeinsames Foto. Als wäre ich ein Star. | |
"Seien Sie vorsichtig" sagt er, als ich mich verabschiede. "Die verteilen | |
doch jetzt Strafzettel." | |
Ich schlage den Weg zur Metro ein. Am Gleis spricht ein Mann mich an und | |
fragt, ob ich nicht von der Polizei angehalten wurde. "Das ist ja komisch" | |
sagt er, als ich verneine. "Viel Glück noch." | |
Kurz vor meiner Haustür laufe ich an zwei Frauen vorbei, die vor einem Café | |
rauchen. "Das ist doch jetzt verboten", sagt die eine zur anderen so laut, | |
dass ich es deutlich hören kann. Sie scheint die Meinung Sarkozys zu | |
teilen, dass der Schleier nicht in die französische Kultur passt. "Diese | |
Regierung hat keine Kultur." Auch das hatte der Mann am Place du Châtelet | |
zu mir gesagt. | |
12 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Alexandra Friedmann | |
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