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# taz.de -- Gegen-Expertisen zur Bankenlobby: Greenpeace für Finanzmärkte
> Die Bankenlobby in Brüssel bekommt ein Gegengewicht. Dreißig NGOs und
> Gewerkschaften gründen die Initiative "Financewatch". Sie soll für
> alternative Expertisen sorgen.
Bild: Sven Giegold (rechts) im Gespräch mit dem Parlamentarier Jean-Paul Gauze…
BERLIN taz | Der erste Test könnten die Vorschläge zum Umgang mit
systemrelevanten Banken sein, die die EU-Kommission im Sommer vorlegen
wird: Wie immer werden Goldman Sachs, die Deutsche Bank und andere
Geldinstitute Druck machen und versuchen, einschneidende Veränderungen
ihrer Geschäftsmodelle zu verhindern.
Aber dieses Mal sollen sie mehr Gegenwind bekommen. Unter dem Namen
"Financewatch" gründet sich derzeit eine neue, große, unabhängige
Organisation, die mit alternativen Expertisen aufwarten und Verbrauchern,
Beschäftigten und Kleinanlegern Gehör bei den politischen Entscheidern in
Brüssel verschaffen will.
"Grundlegend für das Handeln von Financewatch ist die Überzeugung, dass die
Zivilgesellschaft die Finanzmärkte überwachen muss", sagt Thierry
Philipponnat, der das Projekt leitet. Der Franzose kennt beide Seiten: Er
beschäftigte sich bei diversen Großbanken und der Börsenplattform Euronext
Liffe mit Derivaten – den umstrittenen abgeleiteten Finanzprodukten –,
bevor er zu den NGOs wechselte. Zuletzt war er für Amnesty International
Frankreich tätig.
Ausgegangen war die Initiative für Financewatch von denen, die nun beraten
werden sollen: den Europaparlamentariern. Zuerst hatten es die Grünen satt,
dass sie von den in Brüssel stationierten Bankenvertretern einseitig mit
Forderungen, Gutachten und ausformulierten Richtlinienvorschlägen überrollt
wurden, während die internationale Gemeinschaft auf allen Ebenen über die
Regulierung der Branche diskutierte. "Uns fehlten Stimmen, wie wir sie mit
Greenpeace in der Umweltpolitik haben", sagt Sven Giegold.
## "Gefahr für die Demokratie"
Mitstreiter fanden sich schnell parteiübergreifend: 200
Europaparlamentarier und andere gewählte Volksvertreter unterschrieben
einen Hilferuf an NGOs, Gewerkschaften, Akademiker und Thinktanks. Darin
warnten sie vor einer "Gefahr für die Demokratie", wenn die "Fähigkeit der
politischen Verantwortlichen eingeschränkt wird, unabhängige Entscheidungen
zu treffen".
Tatsächlich ist das Ungleichgewicht in Brüssel und Straßburg besonders
groß. Rund 5.000 Interessenvertreter sind direkt beim Europäischen
Parlament akkreditiert, etwa 70 Prozent davon arbeiten für Unternehmen, 20
Prozent für Regionen und Städte und nur 10 Prozent für Gewerkschaften und
NGOs. Und anders als viele nationale Volksvertretungen hat das
Europaparlament keinen eigenen Wissenschaftlichen Dienst. Während sich etwa
Mitglieder des US-Kongresses von rund 4.000 staatlich finanzierten Experten
beraten lassen können, sind die Europa-Abgeordneten oft auf die Lobby
angewiesen.
## Offizielle Gründungsversammlung im Juni
Die offizielle Gründungsversammlung von Financewatch soll im Juni
stattfinden. Zu den rund 30 Gründungsmitgliedern gehören die Europäische
Verbraucherschutzorganisation BEUC, der Europäische Gewerkschaftsbund ETUC,
Oxfam und Transparency International. "Wir haben die Initiative gestartet,
aber die Umsetzung ist nicht unsere Sache", so Giegold. Zunächst zehn
Mitarbeiter sollen aus dem Brüsseler Büro heraus agieren.
Einen Teil der Finanzierung wird wohl die EU-Kommission übernehmen – auch
wenn das einigen liberalen Europaparlamentariern missfällt. "Es ist normal,
wenn die Kommission Interessenvertretungen unterstützt, die auf das
Gemeinwohl ausgerichtet sind", sagt Giegold. Während die Banken ihre
Lobbyarbeit aus den Gewinnen finanzieren könnten, die sie durch
erfolgreiche Einflussnahme machen, sei es schwer, Geld dafür aufzubringen,
dass der Gesellschaft Schäden nicht entstehen.
12 Apr 2011
## AUTOREN
Beate Willms
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