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# taz.de -- Japan ruft höchste Alarmstufe aus: Der lange Schatten von Tscherno…
> Japan ruft für Fukushima die höchste Alarmstufe aus. Umstritten bleibt
> das Ausmaß der Katastrophe. Die meiste Verseuchung ist wohl noch in den
> Atomruinen.
Bild: Der zerstörte Reaktorblock 3.
BERLIN taz | Die offiziellen Reaktionen der japanischen Behörden auf den
Atomunfall in Fukushima bewegten sich gestern zwischen Hü und Hott. "Die
Lage an den Reaktoren hat sich Schritt für Schritt stabilisiert", erklärte
Ministerpräsident Naoto Kan. Gleichzeitig wurde der Unfall von der
Atombehörde Nisa auf der Ines-Skala zur Einstufung von Atomunfällen auf die
höchstmögliche Stufe 7 angehoben, weil die Strahlung dies erfordere.
Diese Gesamtmenge von radioaktivem Jod und Cäsium setzte die Nisa auf
370.000 Terabecquerel (TBq) fest. Die japanische Atomsicherheitskommission
NSC dagegen erklärte auf derselben Pressekonferenz, man rechne mit 630.000
TBq.
Ines 7 war bislang für die Atomkatastrophe von Tschernobyl von 1986
reserviert. Und sofort wurden gestern auch diese Vergleiche gezogen. "Die
Menge freigesetzten radioaktiven Materials beträgt etwa 10 Prozent des
Tschernobyl-Unfalls", heißt es in der offiziellen Stellungnahme der Nisa.
Für die NSC sind es eher 20 Prozent. Junichi Matsumoto wiederum, Sprecher
der Betreiberfirma Tepco, erklärte, wenn weiter aus den Atomruinen
Strahlung austrete, könne "letztlich mehr Radioaktivität in die Umwelt
gelangen als in Tschernobyl". Sein Kollege Naoki Tsunoda relativierte, die
Wahrscheinlichkeit dafür sei jedoch "extrem gering".
Da sind unabhängige Strahlenkontrolleure ganz anderer Ansicht. Die
[1]["Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik"] (ZAMG) in Wien hat
schon vor etwa drei Wochen den Ausstoß von Radioaktivität aus Fukushima
deutlich höher angesetzt: Etwa 20 Prozent des Jods von Tschernobyl und 20
bis 60 Prozent des Cäsiums seien bei den Explosionen am Beginn des
Desasters in die Atmosphäre gelangt, schätzen sie.
Die Experten aus Österreich stützen ihre Aussagen auf eigene Daten: Sie
haben direkten Zugriff zum Messnetz der internationalen Behörde, die das
Abkommen über den Stopp von Atomtests (CTBTO) überwacht. Deren etwa 80
Messstellen sind über den ganzen Globus verstreut und auf genau einen
solchen Fall vorbereitet: nach Messung von Radioaktivität zurückzuschließen
auf eine Strahlenquelle irgendwo am anderen Ende der Welt.
## Werte von 30 Messtellen auf Nordhalbkugel bestätigt
Gerhard Wotawa von der ZAMG hat auch eine Erklärung für die niedrigeren
Werte der japanischen Behörden: "An den ersten Tagen, als große Mengen
Radioaktivität austraten, hat der Wind in Fukushima konstant nach Westen
auf den Pazifik geweht." In der Tat musste der US-Flugzeugträger "Ronald
Reagan" abdrehen, als er in die Strahlenwolke geriet.
Diese Belastung wurde von der CTBTO-Messanlage im kalifornischen Sacramento
registriert, von den Messungen der Nisa aber offenbar nicht vollständig
erfasst. "Alle unsere Messungen bestätigen die Aussage, dass die Belastung
deutlich höher war als 10 Prozent", sagt Wotawa. Inzwischen seien die Werte
bei allen etwa 30 Messstellen auf der nördlichen Halbkugel bestätigt
worden.
Grundsätzlich ist der Vergleich mit Tschernobyl problematisch. Denn dort
explodierte ein großer Reaktor bei vollem Betrieb und schleuderte das
radioaktive Material aus seinem Kern in die Atmosphäre. Angeheizt von
tagelang brennendem Grafit im Herzen des Reaktors stieg die radioaktive
Wolke auf und verteilte sich über Europa. In Fukushima dagegen sind die
Reaktorkerne zwar teilweise leckgeschlagen, und die abgebrannten
Brennelemente aus den Abklingbecken stießen zeitweilig offenbar hohe
Strahlendosen aus, aber nach Meinung von Experten befindet sich noch fast
das gesamte radioaktive Material in oder direkt an den Reaktoren. Die
Belastung der weiteren Umgebung ist deshalb bisher geringer als in der
Ukraine. Die Verseuchung direkt an den Reaktoren könnte aber deutlich
intensiver sein als in Tschernobyl.
12 Apr 2011
## LINKS
[1] http://www.zamg.ac.at/
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
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