# taz.de -- Atomkatastrophe in Japan: Anwohner fordern Entschädigung | |
> Vor dem Firmensitz des AKW-Betreibers Tepco in Tokio demonstrierten | |
> Anwohner aus Fukushima. Der vom Tsunami überflutete Flughafen Sendai ist | |
> teilweise wieder in Betrieb. | |
Bild: Masataka Shimizu, Präsident von Tepco, verspricht, den Anwohnern bald En… | |
TOKIO dapd | Zornige Anwohner des japanischen Katastrophenkraftwerks | |
Fukushima haben am Firmensitz der Betreibergesellschaft Tepco in Tokio | |
protestiert und rasche Entschädigungen für ihre Evakuierung verlangt. Rund | |
20 Kleinunternehmer forderten am Mittwoch nachdringlich einen Ausgleich für | |
ihren Verdienstausfall. | |
Tepco-Präsident Masataka Shimizu versprach, mehr für die Evakuierten zu | |
tun, die seit dem Reaktorunglück nicht mehr in ihre Häuser und an ihre | |
Arbeitsplätze zurück konnten, und baldmöglichst Bargeld zu zahlen. | |
Vor Journalisten sprach Shimizu zudem von Fortschritten dabei, die | |
Reaktoren in Fukushima-Daiichi zu stabilisieren. Erst am Dienstag hatte | |
Japan das Unglück dort in der höchsten Gefahrenstufe 7 und damit so | |
schwerwiegend wie den Super-GAU in Tschernobyl vor 25 Jahren eingeordnet. | |
Es war eine Folge des Erdbebens der Stärke 9,0 und des folgenden Tsunamis | |
am 11. März, der weite Teile Nordostjapans verwüstete. | |
Der damals überflutete Flughafen in Sendai wurde nun teilweise wieder in | |
Betrieb genommen. Vorerst ist nur ein Terminal geöffnet, und es werden nur | |
einige wenige Flüge tagsüber abgefertigt, doch die wiederaufgenommene | |
Flugverbindung dürfte die Katastrophenhilfe für die umliegenden Gemeinden | |
erleichtern. | |
## Shiitake-Pilze belastet | |
In den Trümmern suchten Soldaten noch immer nach Leichen. Rund 15.000 | |
Menschen werden noch vermisst, die Zahl der Todesopfer wird wohl über | |
25.000 liegen. Wasser und Boden, Fische und Gemüse sind seit dem Atomunfall | |
radioaktiv belastet; Erzeugnisse aus 16 Orten um das AKW dürfen nicht mehr | |
auf den Markt. Aufgrund hoher Strahlenwerte setzten die Behörden auch | |
Freiland-Shiitake-Pilze auf die Liste. | |
In der EU gelten seit Mittwoch verschärfte Grenzwerte für Lebensmittel aus | |
Japan. Einfuhren müssen stichprobenartig untersucht werden und zuvor die | |
Kontrollen der japanischen Behörden bestanden haben. Der Umfang der | |
Lebensmittelimporte aus Japan ist allerdings gering. | |
Neben japanischen Bauern und Fischern ist auch die Industrie betroffen, | |
weil viele Werke beschädigt sind. Wegen Lieferengpässen bei Bauteilen | |
stellt der weltgrößte Automobilhersteller Toyota zwischen dem 21. April und | |
dem 2. Mai die Produktion in Europa für acht Tage ein. Betroffen sind fünf | |
Werke in Großbritannien, Frankreich, der Türkei und Polen. Ähnliche | |
Produktionsstopps hatte der Konzern bereits für seine Fabriken in | |
Nordamerika angekündigt. | |
## Wirtschaftsprognose herabgestuft | |
Nach der japanischen Notenbank stufte auch die Regierung in Tokio erstmals | |
seit sechs Monaten ihre Wirtschaftsprognose herab. Wegen des Rückgangs bei | |
Produktion und Konsum seit den Naturkatastrophen zeige die drittgrößte | |
Volkswirtschaft der Welt "Schwäche", hieß es. Der monatliche | |
Wirtschaftsbericht vom April lässt erstmals die Folgen des Erdbebens | |
einfließen. Der März-Bericht erschien zwar nach der Katastrophe, die | |
Regierung hatte damals aber nach eigenen Angaben die Folgen noch nicht | |
abschätzen können. | |
Das Finanzministerium arbeitet an einem Nachtragshaushalt zur Finanzierung | |
des Wiederaufbaus. Das Volumen könnte Berichten zufolge über fünf Billionen | |
Yen (über 40 Milliarden Euro) liegen. | |
13 Apr 2011 | |
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