# taz.de -- Kommentar zur Präimplantationsdiagnostik: Bioethische Zäsur | |
> Sollte es zur Zulassung der PID kommen, wäre dies eine bioethische Zäsur. | |
> Bisher unterlagen künstlich gezeugte Embryonen in Deutschland einem | |
> besonderen Schutz. | |
Die Bundestagsdebatten über bioethische Fragestellungen lassen sich zu | |
Recht als Sternstunden des Parlaments bezeichnen. Der Grund ist banal: Wie | |
auch am Donnerstag bei der Debatte über die [1][Präimplantationsdiagnostik] | |
(PID) wird dann zumeist der Fraktionszwang vorübergehend aufgehoben. Die | |
gewählten Volksvertreter, die von der Verfassung her ja eigentlich nur | |
ihrem eigenen Gewissen verantwortlich sind, dürfen ohne Druck ihrer | |
Fraktionsführung frei reden und entscheiden. | |
Sogar Bündnisse in Form von gemeinsamen fraktionsübergreifenden | |
Gesetzentwürfen sind da plötzlich erlaubt. Bei anderen Themen, für die der | |
Fraktionszwang gilt - selbst wenn sie weitaus weniger wichtig sind -, | |
könnte dieses Verhalten ganz schnell das Ende der politischen Karriere | |
eines Abgeordneten bedeuten. Bei der Bundestagsdebatte über die PID drängte | |
sich wieder einmal die Frage auf: Warum nur wird eine Gewissensentscheidung | |
nicht viel öfter erlaubt? Der Gesellschaft würde das jedenfalls guttun. | |
Nicht banal ist hingegen die Frage, die im Bundestag jetzt zur Entscheidung | |
ansteht: Soll die PID in Zukunft gesetzlich erlaubt sein und, wenn ja, in | |
welcher Form? Soll es eine Einschränkung nur bei lebensbedrohlichen | |
Erbkrankheiten geben, oder soll die Embryonenselektion zum Beispiel wie in | |
Großbritannien auch bei Erbkrankheiten zulässig sein, die erst im | |
fortgeschrittenen Alter und dann auch nur vielleicht auftreten? | |
Sollte es zu einer gesetzlichen Zulassung der PID kommen, würde dies eine | |
bioethische Zäsur für Deutschland bedeuten. Denn bisher galt im Deutschen | |
Bundestag: Auch künstlich gezeugte Embryonen in der Petrischale unterliegen | |
einem besonderen Schutz, sie dürfen nicht vernichtet werden. Das war der | |
Grundgedanke, auf dem das Embryonenschutzgesetz aus dem Jahr 1991 aufbaute. | |
Auch das Stammzellengesetz von 2002 sowie dessen Novellierung sechs Jahre | |
später verbot ohne Ausnahme die Vernichtung von Reagenzglasembryonen. | |
Sollte die PID erlaubt werden, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, | |
bis auch diese Regelungen fallen. | |
Denn mit welchem Argument soll man einem Wissenschaftler noch verbieten | |
können, aus aussortierten Embryonen Stammzellen für die Forschung zu | |
gewinnen? Die Embryonen landen doch eh im Mülleimer, dann können sie doch | |
wenigstens noch für einen guten Zweck genutzt werden. So oder so ähnlich | |
wird dann die Antwort sein. | |
14 Apr 2011 | |
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## AUTOREN | |
Wolfgang Löhr | |
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Gentest | |
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