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# taz.de -- Kommentar Nato zu Libyen: Die ratlose Nato
> Auf der Berliner Außenministertagung der NATO zeigte sich, daß die
> Uneinigkeit seit Beginn des Luftkrieges gegen Gaddafis Truppen immer
> größer geworden ist.
Dieser Einsatz ist der Lackmustest für die NATO und wird über ihre Zukunft
entscheiden. Sein Scheitern könnte das Ende der Militärallianz bedeuten.
So und ähnlich heißt es seit bald zehn Jahren in Medienkommentaren und
sicherheitspolitischen Analysen über den Einsatz der NATO-geführten
ISAF-Truppe in Afghanistan. Doch seit Mitte März die drei führenden
NATO-Staaten Frankreich, Großbritannien und USA im UNO-Sicherheitsrat die
Resolution für eine militärische Intervention in Libyen durchsetzten,
verstärkt sich der Eindruck, der Libyenkonflikt könnte tatsächlich zum
Lackmustest für die Allianz werden.
Zumindest sind die internen Differenzen und Spannungen größer als als bei
allen relevanten sicherheitspolitischen Entscheidungen und militärischen
Maßnahmen der NATO in den letzten 32 Jahren - angefangen vom atomaren
"Nachrüstungs"-Beschluß 1979 und dem nachfolgenden, mit Moskau
ausgehandeltenVerzicht auf alle Kurz-und Mittelstreckenraketen in Europa
bis hin zu den diversen Kriegseinsätzen in Ex-Jugoslawien in den 90 Jahren
sowie in Afghanistan.
Schon die Durchsetzung der UNO-Resolution erfolgte gegen erhebliche
Bedenken anderer NATO-Mitglieder - keineswegs nur Deutschlands und der
Türkei. Auf der Berliner Außenministertagung der NATO zeigte sich, daß die
Uneinigkeit seit Beginn des Luftkrieges gegen Gaddafis Truppen und
Waffensysteme vor genau vier Wochen immer größer geworden ist. Sollen die
Luftangriffe massiv verstärkt werden und die Rebellen bewaffnet werden? Ist
der Abtritt von Gaddafi und seinen Söhnen Vorbedigung für das Ende der
Luftangriffe, für einen Waffenstillstand oder für Verhandlungen über eine
in Berlin von vielen beschworene "politische Lösung"? Sollen humanitäre
Versorgungslieferungen nach Misurata und in andere Städte militärisch
durchgesetzt werden? Und wären dafür Bodentruppen unverzichtbar? In keiner
dieser Fragen gibt es einen Konsens unter den 28 NATO-Mitgliedern.
Der einzige konkrete Beschluß des zweitägigen Außenministertreffens: Mitte
nächster Woche sollen sich in Brüssel die NATO und die EU - deren
Mitglieder zu drei Viertel identisch sind - zu weiteren Libyenberatungen
zusammentreffen. Eindrücklicher lassen sich Rat-und Hilflosigkeit kaum
demonstrieren.
Der Libyen-Konflikt läßt sich "militärisch nicht lösen". Diese Einsicht
haben BundesaußenministerWesterwelle, Generalsekretär Rassmusen und andere
Teilnehmern der Berliner Konferenz zumindest rhetorisch formuliert. Die
NATO wird aus ihrem Dilemma nur herausfinden, wenn dieser Einsicht jetzt
sehr schnell Taten folgen. Konkret: bedingungslose Einstellung der
Luftangriffe, die Aufforderung an beide Konfliktparteien zu einem
sofortigen Waffenstillstand sowie die Aushandlung von Garantien für die
Durchführung humanitärer Hilfsaktionen als erstem vertrauensbildenden
Schritt hin zu Verhandlungen über eine politische Lösung. Das
Internationale Komitte vom Roten Kreuz und der libysche Rote Halbmond
demonstrieren in Misurata seit einigen Tagen erfolgreich, dass dieser erste
Schritt möglich ist.
Beim zweiten Thema der Berliner NATO-tagung, der gemeinsam mit Rußlands
Außenminister Sergey Lavrov beratenen "Raketenabwehr" wurde zum
wiederholten Male die Sackgasse deutlich, in welche die NATO sich vor 20
Jahren begeben hat. Damals verwarfen ihre führenden Mitglieder USA,
Großbritannien, Deutschland und Frankreich die Option auf gleichberechtigte
Beziehungen mit Rußland in einem gemeinsamen Haus Europa mit dem
institutionellen Rahmen der OSZE. Stattdessen betrieb die NATO ihre
Ost-Erweiterung bis an die Grenzen Rußlands und billigte Moskau lediglich
die Rolle eines Juniorpartners mit minderen Rechten zu.
Diese historische Fehlentscheidung der NATO-Staaten führte zu einem
Grundmißtrauen in Moskau, das seitdem alle Diskussionen über konkrete
bilaterale Fragen beeinträchtigt. Und mit ihrem Beharren darauf, daß es für
die von Brüssel als "gemeinsam" apostrophierte Raketenabwehr doch keine
gemeinsame Befehlsstruktur geben soll, obwohl sie angeblich einzig gegen
Bedrohungen durch äußere Gegner wie Iran gerichtet sein soll, nährt die
NATO dieses Mißtrauen erneut. Und stärkt damit überdies die Hardliner in
Moskau.
15 Apr 2011
## AUTOREN
Andreas Zumach
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