Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Revolution in Ägypten: Deutscher Geschäftsmann angeklagt
> Die ägyptische Staatanwaltschaft wirft der Firma Utsch Verwicklung in
> eine Bestechungsaffäre vor. Utsch hatte einen Auftrag für Autokennzeichen
> erhalten.
Bild: Soll vorsätzlich öffentliche Gelder veruntreut haben: Ahmad Nazif, ehem…
KAIRO taz | Die ägyptische Revolution fordert nun ihr erstes deutsches
Opfer, den Vorstandsvorsitzenden der Siegener Firma Utsch, die in einem
unlauteren Geschäft Autonummernschilder an Ägypten verkauft haben soll.
Laut einer auf der Facebook-Seite der ägyptischen Staatsanwaltschaft
veröffentlichten Mitteilung werden Ahmad Nazif, ein ehemaliger
Premierminister, und die zwei der letzten Minister unter Hosni Mubarak für
Inneres, Habib Adli, und Finanzen, Yousef Boutros Ghali, vor Gericht
gestellt.
Ihnen wirft die Staatsanwaltschaft vor, vorsätzlich öffentliche Gelder
veruntreut haben. Dabei geht es um einen Auftrag zur Herstellung neuer
Autonummernschilder für ganz Ägypten, der laut Staatsanwaltschaft zu einem
"überhöhten Preis" ohne jegliche Ausschreibung vergeben worden sei.
Besonders interessant ist allerdings die vierte von der Staatsanwaltschaft
in Kairo implizierte Person: der Vorstandsvorsitzende der deutschen Firma
Utsch, Helmut Jungbluth. Die Siegener Firma soll die Schilder im Wert von
176 Millionen ägyptischen Pfund geliefert haben, zum damaligen Kurs
umgerechnet 25 Millionen Euro.
Das soll, laut Staatsanwaltschaft, fast der doppelte Preis des Markwertes
gewesen sein. Wie das Geschäft genau eingefädelt wurde, ist nun ein Teil
einer Untersuchung. Es habe keinerlei Ausschreibeverfahren gegeben und der
Auftrag sei direkt an die Firma Utsch vergeben worden, heißt es bei dem
ägyptischen Ankläger.
## Geschäftsführer Jungbluth: "Preis war marktgerecht"
In einer ersten Stellungnahme erklärt Jungbluth gegenüber der taz, dass die
Vergabe des Auftrages nach ägyptischem Recht erfolgt sei. "Der Preis war
marktgerecht. Wir haben keinen Repräsentanten in Ägypten, eine Klage gegen
Utsch ist uns nicht bekannt", schreibt er in einer kurzen Emailantwort.
"Wir vermuten im Hintergrund einen lokalen Kennzeichen-Hersteller, der
politisch motiviert ist", heißt es dort weiter.
Gemeint ist damit wahrscheinlich, die ägyptische Firma Nahas Al-Masriya in
Alexandria, die früher die ägyptischen Nummernschilder produziert hatte.
Ihr Auftrag sei ohne Angabe von Gründen gekündigt worden, wie ein
Mitarbeiter der Firma am Telefon mitteilt, der anonym bleiben möchte.
Von der Vergabe an die deutsche Firma habe man später aus der Zeitung
erfahren. Die staatliche Firma hätte die Nummernschilder zu einem
wesentlich billigeren Preis mit ägyptischen Arbeitskräften produzieren
können, aber der damalige Finanzminister Yousef Boutros Ghali, der Sohn des
ehemaligen UN-Generalsekretär Boutros Ghali, habe sich geweigert den
Auftrag an die ägyptische Firma zu vergeben, heißt es in der Montagsausgabe
der ägyptischen Tageszeitung Al-Akhbar.
Laut der Webseite des deutschen Unternehmens Utsch wurden mit der im Juni
2008 von der ägyptischen Regierung in Auftrag gegebenen Produktion neun
Millionen Schilder in das Land am Nil geliefert. "Wir sind stolz auf das
Vertrauen, das die ägyptische Regierung bei diesem komplexen Auftrag in uns
setzt", wurde Helmut Jungbluth nach der Vergabe des bis dahin größten
Auftrags der Firmengeschichte dort zitiert. "Ein Auftrag dieser Dimension
bedeutet für uns in erster Linie eine große Anerkennung unserer Leistung
als Unternehmen", erklärte er damals weiter. Durch den Auftrag sollen nach
Firmeninformationen 20 Folgeaufträge in Siegen vereinbart worden sein.
Einen Monat nach der Unterzeichnung des ägyptischen Auftrages kam die Firma
Utsch auch mit dem Irak ins Geschäft. Dorthin wurden für 8,5 Millionen Euro
Autonummernschilder "made in Germany" geliefert. Über die genauen Umstände
dieses Geschäftes ist bisher nichts bekannt.
## Geschäftsbeziehungen in den Irak
Auf der Webseite der Firma heißt es dazu, dass "die Beratungen und
Verhandlungen mit den zuständigen Regierungsstellen unter schwierigsten
Bedingungen bereits seit Ende des Irak-Krieges im Jahre 2003" begonnen
hätten. Die Hartnäckigkeit habe sich ausgezahlt. Wie Jungbluth berichtet,
habe Utsch bereits seit den 70er Jahren Geschäftsbeziehungen in den Irak
unterhalten, doch dieses ist der erste Auftrag nach Ende des Irak-Kriegs
gewesen.
Das Handelsvolumen zwischen Deutschland und Ägypten betrug im Jahr 2009
insgesamt 3,5 Mrd. Euro. Deutschland ist mit einem Anteil von 8 Prozent
nach den USA und der VR China das drittwichtigste Lieferland Ägyptens. Mit
der Aufarbeitung der Korruption unter der dreijahrzehnte andauernden
Mubarak-Herrschaft dürften in den nächsten Monaten neben dem
Schilderherrsteller Utsch auch andere deutsche Unternehmen in die
Schusslinie der ägyptischen Ermittler geraten.
18 Apr 2011
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
## ARTIKEL ZUM THEMA
Politische Lage in Ägypten: Gewählt wird später
Der ägyptische Militärrat will die Wahlen um 2 Monate verschieben,
Demonstranten fordern seinen Rücktritt. Drei Ex-Spitzenpolitiker wurden
wegen des Deals mit einer deutschen Firma verurteilt.
Ägypten nach der Revolution: Kein ruhiger Geburtstag für Mubarak
Anhänger und Gegner des ehemaligen Präsidenten bewerfen sich in Kairo mit
Steinen. Der ehemalige Innenminister Habib al-Adly wurde zu zwölf Jahren
Haft verurteilt.
Nach der Revolution in Ägypten: Mubarak verantwortlich für 846 Tote
Ergebnis einer Richterkommission: Ex-Staatschef Mubarak ist
mitverantwortlich für den Tod von 846 Menschen während der
Revolutionsunruhen.
Kommentar Ermittlungen gegen Mubarak: Der Druck der Straße bleibt notwendig
Es reicht nicht, ein paar Köpfe auszutauschen – das alte System Mubaraks
ist noch da. Die Demonstranten müssen und können den Militärrat weiter
unter Druck setzen.
Ermittlungen gegen Ägyptens Ex-Präsident: Mubarak verhaftet
Nach der Verhaftung des Expräsidenten hoffen die ägyptischen Revolutionäre
auf Gerechtigkeit. Auch Mubaraks Söhne sitzen in Untersuchungshaft.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.