# taz.de -- Aufstand in Syrien: Der Tahrir-Platz in Homs | |
> Die Regierung hob das Notstandsgesetz auf – eine zentrale Forderung der | |
> Demonstranten. Das heißt nicht, dass das Regime nun weniger hart vorgeht. | |
Bild: Der Uhrenplatz in Homs heißt jetzt nach dem Vorbild in Kairo Tahrir-Plat… | |
DAMASKUS taz | Am Dienstagmorgen haben die syrischen Sicherheitsdienste | |
Härte in einem bislang unbekannten Ausmass gezeigt. Laut | |
Facebook-Aktivistenseiten wurden in der Nacht zu Dienstag und am | |
Dienstagmorgen über 30 Menschen von Sicherheitskräften erschossen und über | |
90 verletzt. | |
Zehntausende Demonstrierende hatten sich seit Sonntagnacht auf dem | |
zentralen Uhrenplatz in der Stadt Homs zu einem friedlichen Sit-In | |
versammelt und angekündigt, den in Tahrir-Platz umbenannten Ort so lange | |
besetzt zu halten, bis das Regime Reformen durchsetzt und das | |
Notstandsgesetz aufhebt. Am Dienstag nachmittag kam das Regime dieser | |
Forderung nach. | |
Die Notstandsgesetze hatten es den Sicherheitskräften unter anderem | |
erlaubt, Menschen ohne Angabe von Gründen festzunehmen. Damit kam die | |
Regierung einer Kernforderung der Oppositionsbewegung nach. Diese | |
Entscheidung bedeutet allerdings nicht, dass das Assad-Regime nun weniger | |
hart gegen Protestierende vorgehen wird. Auch das Gegenteil kann der Fall | |
sein. Nach Aufhebung der Gesetze und der Durchführung von Reformen werde es | |
keine Entschuldigung mehr für die Organisation von Demonstrationen geben, | |
hatte Assad bereits am Sonntag erklärt: "Danach werden wir keinerlei Ansatz | |
für Sabotage dulden." | |
Laut der Facebook-Seite "[1][Syrian News Network]" sollen bis zu 15.000 | |
Protestierende in Homs, die auch auch aus den umliegenden Regionen | |
angereist waren, zuächst "Tod ist besser als Erniedrigung" gerufen haben, | |
später auch die neue panarabische Freiheitparole "Die Menschen wollen den | |
Sturz des Regimes". Letzteres ist in Syrien neu. | |
Um ein Eindringen von zivilen Sicherheitskräften und der als äusserst butal | |
bekannten alawitischen Shabiha-Miliz auf den Platz zu verhindern, bauten | |
die Demonstranten Checkpoints auf und nahmen Ausweiskontrollen vor. Den | |
Protesten schlossen sich auch Geistliche an, die sich trotz der Warnungen | |
der am Montag abend massiv angerückten Sicherheitskräfte nicht beirren | |
liessen. Später wurden die Demonstranten aufgefordert, das Sit-In umgehend | |
zu beenden, da ansonsten Maher al-Assad, der jüngere Bruder von Präsidenten | |
Bashar al-Assad und Führer der Präsidialgarde, die Räumung des Platzes | |
übernehmen werde. Die Protestierenden weigerten sich, es kam zu | |
Gewehrsalven in die Menge. | |
## Demonstrationen in zahlreichen Städten | |
Schon am Sonntag und am Montag starben mehrere Menschen an | |
Schussverletzungen. Auch aus der Küstenstadt Latakia, in der es in den | |
vergangenen Tagen wieder zu Toten und Verletzten kam und weiteren Städten | |
des Landes wurden Demonstrationen gemeldet. Nach dem Mittagsgebet in Homs | |
versammelten sich trotz grosser Sicherheitsvorkehrungen erneut Tausende auf | |
dem Freiheitsplatz. | |
Vor der Aufhebung des Notstandsgesetzes hatte das syrische Innenministerium | |
am Dienstag auf das Versammlungsverbot hingewiesen und die Bürger | |
aufgefodert, allen "Demonstrationen, Sit-Ins und Aufmärschen, unter welchem | |
Motto auch immer" fernzubleiben, da die geltenden Gesetze nun "angewendet | |
werden, um die Sicherheit der Bürger und die Stabilität des Landes zu | |
garantieren". | |
Weiter wurde angekündigt, gegen die "bewaffnete Revolte" hart | |
durchzugreifen. Die Ereignisse in Banias und Homs hätten gezeigt, dass | |
"bewaffnete Salafistengruppen" offen zu einem "Aufstand" aufgerufen hätten. | |
Diese "terroristischen Aktivitäten",denen Polizisten und Zivilisten zum | |
Opfer fielen, würden nicht toleriert , hiess es in einem von der | |
staatlichen syrischen Nachrichtenagentur SANA veröffentlichten Schreiben. | |
Bereits am Montag hatte SANA gemeldet, dass an der irakischen Grenze Waffen | |
in einem Kühllastwagen gefunden worden seien. Maschinen- und | |
Präzisionsgewehre, Nachtsichtgeräte und Panzerfaustabschussvorrichtungen | |
sowie Muniton sollten, ebenso wie Waffen aus konfiszierten Funden an andern | |
Grenzen, an die "Terroristen" gehen. Syrien hatte einen sunnitischen | |
libanesischen Parlamentsabgeordneten in der vergangenen Woche beschuldigt, | |
die Aufstände mit Geld- und Waffenlieferungen zu unterstützen. | |
Parallel zu den vom Regime verbreiteten Verschwörungstehorien kamen jüngst | |
Meldungen von Wikileaks über die Rolle der USA. Die Washington Post hatte | |
mit Bezug auf Wikileaks gemeldet, dass die USA unter George W. Bush | |
syrische Oppositionsgruppen heimlich finanziell unterstützt haben sollen. | |
Auch der seit April 2009 aus London sendende Satelliten-TV-Kanal Barada | |
soll im Vorfeld der Unruhen aufgebaut worden sein,um über eventuelle | |
Proteste berichten zu können. Der Sender soll laut Washington Post eng mit | |
der syrischen, in London basierten Exilorganisation "Bewegung für | |
Gerechtigkeit und Entwicklung" verknüpft sein, die seit 2006 angeblich bis | |
zu sechs Millionen US-Dollar erhalten haben soll. | |
19 Apr 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.facebook.com/pages/Syria-News-Network-News-by-People-on-Ground/2… | |
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