# taz.de -- Rückkehr aus dem eritreischen Folterknast: Die zweite Flucht nach … | |
> Zwei eritreische Deserteure bitten 2008 in der BRD um Asyl. Sie werden | |
> abgeschoben, landen in den Foltergefängnissen des etrieschen Militärs. | |
> Jetzt sind sie zurück. | |
Bild: Sehnsuchtsort: der Eiserne Steg ist einer der Lieblingsplätze von Muluge… | |
FRANKFURT/MAIN taz | Mitunter passieren Dinge, von denen niemand glaubt, | |
dass sie möglich sind. Odysseus' Rückkehr aus der Verbannung nach Ithaka | |
etwa. Auch die Geschichte des 29 Jahre alten Yonas Haile Mehari und des | |
sechs Jahre jüngeren Petros Aforki Mulugeta ist so eine Odyssee mit | |
glücklichem Ausgang, an den niemand glauben mochte. | |
Mulugeta und Mehari sind junge Männer aus Eritrea. 2007 desertieren die | |
beiden aus der eritreischen Armee und flüchten in den Sudan. Von dort | |
gelangen sie mit Hilfe eines Schleppers und falscher Pässe, in denen | |
richtige Visa sind, nach Deutschland und beantragen Asyl. | |
Aber sie stranden im so genannten Flughafenverfahren und dürfen den | |
Frankfurter Flughafen nicht verlassen. In einem Eilverfahren, das ohne | |
Gerichtsverhandlung möglich ist, lehnt ein Richter ihren Asylantrag ab. Die | |
Pässe seien echt, aber die Visa falsch. Die beiden Männer seien Lügner. | |
Zwei Abschiebeversuchen können sie sich widersetzen. Beim dritten im Mai | |
2008 kennen die deutschen Behörden keine Gnade mehr. An Händen und Füßen | |
gefesselt werden sie ausgeflogen. | |
In Eritrea herrscht das Militär. Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, freie | |
Wahlen, Demokratie gibt es nicht. Auslandsreisen sind so gut wie unmöglich. | |
Auch das Auswärtige Amt sieht die Situation in Eritrea kritisch und warnt | |
vor Reisen ins Land. | |
Das eritreische Militär hat alle Bereiche der Gesellschaft im Griff. Jeder | |
Mann, jede Frau muss zum Militär, der Wehrdienst ist für Männer bis zum 54. | |
und für Frauen bis zum 47. Lebensjahr zwingend. "Du wirst zum Sklaven der | |
Regierung", sagt Mulugeta. Und Mehari: "Die Militärzeit hat nur einen | |
Anfang, aber kein Ende. Einmal beim Militär, immer beim Militär." Er war | |
sechs Jahre Wachsoldat und wurde gezwungen, die, die er bewachte, zu | |
malträtieren. Weil er sich weigerte, kam er selbst in Gefängnis. Kaum raus, | |
floh er. | |
Viele Soldaten und Soldatinnen werden in zivilen Einrichtungen eingesetzt. | |
Flüchten sie von dort, gelten sie ebenfalls als Deserteure. Ein große Zahl | |
junger Eriträer versucht, das Land illegal zu verlassen und nach Europa zu | |
gelangen. Manche fahren übers Mittelmeer. Wenn sie Lampedusa erreichen, | |
ohne zu ertrinken, stranden sie dort. | |
Werden Deserteure in Eritrea gefasst, drohen ihnen – wie | |
Menschenrechtsgruppen und das UN-Flüchtlingshochkommissariat bestätigen – | |
harte Strafen, Folter inbegriffen. Auch Mulugeta und Mehari werden nach | |
ihrer Abschiebung nach Eritrea in Gefängnisse in der heißen Tiefebene | |
mitten im Land gesteckt. | |
Für Mehari wählte das eritreische Militär ein Gefängnis, das „Under“ he… | |
Ein dunkles etwa hundert Quadratmeter großes Verlies, in dem schon 400 | |
Menschen vor sich hinvegetierten. Mulugeta wiederum steckte das Militär in | |
einen Zink-Container, der „Singo“ heißt und sich in der brütenden Sonne | |
extrem aufheizt. Dass es „Singo“ und „Under“ gibt, bestätigen | |
Menschenrechtsgruppen. | |
Als körperliche Wracks wurden die beiden ein paar Monate später in | |
oberirdische Gefängnisse verlegt. Dass die Rechtsanwältin, die sie in | |
Frankfurt im Flughafenverfahren vertreten hat, das Verfahren | |
weiterbetrieben hat und erreichte, dass ihr Asylantrag in Abwesenheit und | |
ohne ihre Kenntnis dennoch bewilligt wird, nützt ihnen nicht viel. | |
Mitte des Jahres 2009 werden Mulugeta und Mehari in Militärkrankenhäuser | |
verlegt. Warum? Sie wissen es nicht. „Vielleicht dachten sie, wir seien | |
fertig.“ Wie sie von dort wieder fliehen konnten, es erneut bis nach | |
Frankfurt schafften, wie sie in der Stadt nun versuchen, heimisch zu | |
werden, und zu Blutsbrüdern wurden – das steht in der Ganzen Geschichte der | |
sonntaz, die am Ostersamstag erscheint. | |
23 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Waltraud Schwab | |
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