# taz.de -- Streit in der Berliner SPD: Thilo Sarrazin ein bisschen ausgeschlos… | |
> Der ehemalige Finanzsenator soll künftig nicht mehr auf | |
> Parteiveranstaltungen eingeladen werden. Das will der Landesvorstand. | |
> Doch der Unmut in der Partei bleibt | |
Bild: Künftig soll Thilo draußen bleiben, wenn sich Berlins SPD trifft | |
Keine Einladungen mehr zu Parteiveranstaltungen der SPD an Thilo Sarrazin | |
und einen Dialog mit der Basis - das sind die Ergebnisse einer | |
Sondersitzung des SPD-Landesvorstandes am Dienstagabend. Einziges Thema: | |
der Umgang mit dem ehemaligen Finanzsenator. | |
Seitdem ein Parteiausschlussverfahren gegen Sarrazin in der vergangenen | |
Woche überraschend beendet wurde, indem die Antragsteller ihre Anträge | |
zurückzogen, herrscht in der SPD Empörung. Das Verfahren war in die Wege | |
geleitet worden, nachdem Sarrazin im vergangenen Jahr in seinem Buch | |
äußerst umstrittene Thesen zum Thema Integration veröffentlicht hatte. | |
Vier Gruppierungen innerhalb der SPD hatten den Parteiausschluss beantragt. | |
Doch bei der Sitzung der Schiedskommission am Donnerstag schlossen beide | |
Seiten einen Vergleich: Sarrazin stimmte einer Erklärung zu, in der er | |
unter anderem angibt, seine Äußerungen nicht rassisch gemeint zu haben. | |
Daraufhin zogen die Antragsteller ihre Begehren zurück. | |
"Die große Mehrheit war weder mit dem Rückzug der Anträge noch mit der | |
Entscheidung in der Sache einverstanden", sagt Jan Stöß, Kreisvorsitzender | |
in Friedrichshain-Kreuzberg, über das Meinungsbild auf der Sitzung am | |
Dienstag. Für die Sarrazin-Gegner gibt es zumindest ein Zugeständnis: Er | |
soll nicht mehr zu SPD-Veranstaltungen eingeladen werden - laut Stöß auch | |
über die Abgeordnetenhauswahl im September hinaus. "Für mich gilt das ab | |
sofort und für immer", sagt er. Ein formeller Beschluss ist es allerdings | |
nicht: Die Vereinbarung beruht auf Freiwilligkeit. | |
Der Austrittswelle, die kurz nach Bekanntwerden der Entscheidung begann, | |
will die Partei Gespräche entgegensetzen. In Dialogforen sollen | |
Diskussionsmöglichkeiten geschaffen werden, erzählen Sitzungsteilnehmer. | |
Vertreter aus den Kreisverbänden berichten von zahlreichen | |
Austrittsankündigungen per E-Mail. Mit den Austrittswilligen sollen nun, so | |
wird es von der Sitzung berichtet, Gespräche gesucht werden. | |
Robert Drewnicki von Sarrazins Heimatverband Charlottenburg-Wilmersdorf | |
verteidigt das Vorgehen der SPD: "Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass | |
Thilo Sarrazin in der Erklärung an zwei, drei Stellen tatsächlich etwas | |
zurücknimmt", sagt er. Drewnickis Kreisverband hatte einen der Anträge auf | |
einen Ausschluss Sarrazins eingereicht und entsprechend am Donnerstag | |
zurückgezogen. Die Erklärung gehe weiter als alles, was er in der | |
Vergangenheit an Einsicht gezeigt habe, so Drewnicki. Darüber hinaus habe | |
die Kommission in der Verhandlung den Eindruck erweckt, dass ein Freispruch | |
für Sarrazin bevorstehe, lasse man es auf einen Schiedsspruch ankommen. Und | |
das wäre ihm schlimmer erschienen als der geschlossene Vergleich. | |
Zu den Forderungen nach einem freiwilligen Austritt sagt Drewnicki: "Ich | |
glaube, dass Thilo Sarrazin nach über 30 Jahren in der SPD Wert darauf | |
legt, in der Partei zu bleiben." Er selbst und andere hätten ihm direkt | |
nach Erscheinen seines Buchs den Austritt nahe gelegt - erfolglos. | |
In Teilen der SPD wird bereits über die Wahrscheinlichkeit eines | |
neuerliches Ausschlussverfahren diskutiert. "Es wird sich in den nächsten | |
Tagen zeigen, ob einzelne Gremien sagen, das reicht uns noch nicht, und | |
einen neuen Ausschlussantrag stellen", sagt Ülker Radziwill, Vorsitzende | |
der AG Migration. | |
"Bei dem ersten Verfahren hat die Kommission gesagt, Sarrazin hat keinen | |
Freifahrtschein", sagt der integrationspolitische Sprecher Raed Saleh. | |
Trotzdem rät er von einem neuerlichen Antrag ab: Noch mehr Aufmerksamkeit | |
habe Sarrazin nicht verdient. | |
27 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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