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# taz.de -- CCC-Vorschlag zum Urheberrecht: Eine Mark für Kreative
> Mit einem eigenen Konzept steigt der Chaos Computer Club in die Debatte
> ums Urheberrecht ein. Es soll den Kreativen zu einer gerechten Bezahlung
> verhelfen.
Bild: Der Tanz ums Urheberrecht geht weiter.
Die Situation ist verfahren, konstatiert Frank Rieger, Sprecher des Chaos
Computer Clubs (CCC): Auf der einen Seite versuchen Rechteverwerter wie die
Musikindustrie mit immer neuen Gesetzen ihre Umsätze zu schützen, auf der
anderen Seite sehen sich die Nutzer kaum bereit in das existierende System
Geld einzuzahlen.
"Zwischen den Fronten zerrieben werden dabei die Kreativen, die Autoren und
Musiker, bei denen immer weniger Geld ankommt und die einerseits zunehmend
weniger Lust haben, das Spiel der Verwerter mitzuspielen und sich in einem
Kampf gegen ihre Hörer und Leser instrumentalisieren zu lassen",
[1][//frank.geekheim.de/?p:schreibt Rieger].
Statt die Situation nur zu beklagen, hat der CCC nun den Entwurf eines
neuen Urheberrecht-Systems vorgelegt: die "Kulturwertmark". Das Konzept ist
eine Variante der
[2][//www.taz.de/1/netz/netzoekonomie/artikel/1/musikindustrie-gegen-kultur
flatrate/“:Kulturflatrate]. Jeder Internetnutzer oder jeder Bürger eines
Landes bezahlt monatlich einen Geldbetrag ein. Das gesammelte Geld wird
anschließend an die Kulturschaffenden ausgezahlt. Würde man jeden der 25
Millionen Internetanschlüsse mit fünf Euro pro Monat zur Kasse bitten,
kämen 1,5 Milliarden Euro zusammen, die verteilt werden könnten, rechnen
die Hacker vor.
Das Problem: welcher Künstler bekommt davon wieviel ab? Diskutiert wurde
ein gewaltiges Meldesystem, das online genau verzeichnet, welcher Nutzer
wann einen Song abspielt. Die Tantiemen könnten so automatisch ausgerechnet
werden, die Charts würden das Einkommen bestimmen.
## Alternative zur GEMA
Um eine allmächtige Datensammelzentrale zu vermeiden, setzt der CCC mit
seinem Konzept auf eine Alternative, das an den Freiwillig-Bezahldienst
Flattr erinnert. Jeder Teilnehmer bekommt eine bestimmte Summe in einer
virtuellen Währung ausbezahlt, die er an seine Lieblings-Künstler auszahlen
kann. Die wiederum können die "Kulturwertmark" – so der vorläufig gewählte
Name – in Euro eintauschen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.
"Es geht nicht darum, den Britney Spears dieser Welt ihre zukünftigen
Millionengagen zu sichern. Es geht um den Erhalt einer breiten, bunten,
schöpferischen Kulturlandschaft mit möglichst großer Vielfalt", schreiben
[3][//ccc.de/de/updates/2011/kulturwertmark“:die Hacker] in ihrem Konzept.
"Mit der Kulturwertmark wird gleichzeitig die gerechte Entlohnung von
Kreativen gesichert, die sinnlose Verfolgung des privaten,
nicht-kommerziellen Filesharing beendet und eine deutliche Vergrößerung der
digitalen Allmende erreicht", ergänzt CCC-Sprecher Frank Rieger.
Vollbringen soll dieses Kunststück eine Stiftung mit einem demokratisch
legitimierten "Exekutivgremium", das von Künstlern und Einzahlern gewählt
wird. Die Hacker, die sonst jeden Zentralismus ablehnen, stellen sich eine
Art Verwertungsgesellschaft vor, die an Stelle der GEMA – die von den
Hackern als "verharztes Konzept" bezeichnet wird - neue Verteilschlüssel
bestimmt.
Das gewählte Gremium hat noch eine weitere Entscheidung zu treffen. Wer
Kulturwertmark spendet, hat zwar kein unmittelbares Recht auf eine
Gegenleistung vom Künstler. Wenn aber genug Geld zusammenkommt, muss der
Künstler sein Werk der Allgemeinheit übereignen. Fortan könnte jeder
Internetnutzer das Werk kostenlos genießen. Doch wo diese Freikaufgrenze
verlaufen soll, müsste die Verwertungsgesellschaft entscheiden.
## Britney Spears zur Teilnahme bewegen
Dass der CCC-Vorschlag Realität werden könnte ist kaum zu erwarten – zu
groß sind die Widerstände, die einem zentralen staatlich organisierten
Kultursystem mit Sozialisierungszwang entgegenstünden. Hinzu kommt, dass
die Vorstellungen der deutschen Hacker wohl kaum einem Staat wie den USA zu
vermitteln wären.
Zwar versuchen die Hacker der Industrie das Angebot damit zu versüßen, dass
der Staat eine gewaltige Anschubfinanzierung leisten soll, deren Zinsen
alleine ausreichen würden, den gesamten Verwaltungsapparat zu bezahlen.
Doch mit der Verpflichtung zur Freigabe ihrer Songs wird Deutschland weder
Britney Spears noch Udo Jürgens zur Teilnahme bewegen können.
Das Modell hat ein weiteres Problem: Ob die Nutzer mit ihrer bewussten
Entscheidung ihre virtuelle Währung an Künstler zu verteilen ein wirklich
gerechteres System schaffen werden, ist keineswegs sicher. So erhält
CCC-Urgestein Tim Pritlove mit seinen Podcasts mittlerweile fast
[4][//tim.geekheim.de/2011/04/14/ein-jahr-flattr/“:2000 Euro pro Monat] von
Flattr – das sind zirka zwei Prozent des gesamten ausgeschütteten Betrags
der Bezahlplattform.
Viele andere Empfänger gehen jedoch leer aus. Sollte sich ein ähnlicher
Trend bei der "Kulturwertmark" einstellen, hätte Deutschland einige neue
Gutverdiener. Ob die breite Masse der Kreativen von ihrer Arbeit leben
könnte, bliebe aber offen.
29 Apr 2011
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## AUTOREN
Torsten Kleinz
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