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# taz.de -- Engpass bei Master-Studiengängen: Kultusminister stellen sich blind
> Ein interner Bericht ignoriert den Mangel an Masterstudienplätzen. Doch
> gleichzeitig räumen die Kultusminister steigende Zahlen von Interessenten
> ein.
Bild: Nicht jeder wird zum Masterstudium zugelassen: Hörsaal der Humboldt Univ…
BERLIN taz | Etwas zu gutgläubig sei sie gewesen, meint Mira Joch im
Nachhinein. Die 23-jährige BWL-Studentin hatte vor einem Jahr ihren
Bachelor an der Uni Köln gemacht. Sie gehörte zum ersten Jahrgang von
Studienanfängern, die sich ausschließlich für Bachelorstudiengänge
einschreiben konnte. "Unser Jahrgang ist voll reingefallen."
Mit einer Endnote von 2,2 glaubte Joch nun problemlos den Master
draufsatteln zu können. "Während des Studiums wurde uns vermittelt,
einziges Zugangskriterium sei ein Notendurchschnitt von 2,7."
Es zeigte sich jedoch, dass 1.700 Studierende den Schnitt erfüllten - und
die Uni mit diesem Ansturm auf ihre rund 200 BWL-Masterplätze nicht
gerechnet hatte. Mira Joch war raus.
An einer anderen Uni hatte sie sich nicht beworben. "Ich würde jedem
Studierenden raten: Wenn ihr einen Masterstudienplatz wollt, bewerbt euch
an 20 Unis gleichzeitig."
Sollten die jetzigen Bachelorstudierenden dem Rat folgen, droht an vielen
großstädtischen Hochschulen im Masterbereich ein ähnlich intransparentes
Gerangel wie bei den Studienanfängern.
Denn alle Hochschulen haben in den letzten Jahren die Magister und Diplome
ausrangiert und die zweistufige Studienstruktur eingeführt. Jedes Jahr gibt
es mehr Bachelorabsolventen, die um Masterstudienplätze konkurrieren. Der
Master könnte zum Nadelöhr werden.
## Bericht behauptet, es gebe keine Knappheit
Klarheit soll diese Woche eine Konferenz von Bildungsministerin Annette
Schavan (CDU) schaffen, auf welcher ein Bericht der Kultusminister zu
Masterstudienplätzen vorgestellt wird. Die Ergebnisse dürften Absolventen
erstaunen.
In dem unveröffentlichten Bericht, der der taz vorliegt, heißt es: "Die
Behauptung, dass es Engpässe im Masterstudienbereich gebe [entbehrt] jeder
empirischen Grundlage."
Im Wintersemester 2010/2011 als Mira Joch die Uni verlassen musste, waren
nach den Recherchen der Kultusminister drei Viertel aller 4.713 gezählten
Masterstudienplätze frei zugänglich. "Und damit ist davon auszugehen, dass
hier keine Knappheit des Angebots herrscht", folgern sie im Bericht.
Zudem habe man festgestellt, dass der Andrang geringer war als erwartet -
über 6.000 Studienplätze und damit 20 Prozent wurden nicht besetzt.
##
Ob das auch künftig gilt, wagen die Ministerialbeamten nicht vorauszusagen.
Sie räumen ein, dass die Zahl der Master-Interessenten in den kommenden
Jahren deutlich steigen wird. Ob die Zahl der Plätze ausreicht, wollen die
Kultusminister aber nicht wissen.
"Solche sehr aufwändigen und weitere Bürokratie verursachenden Abfragen […]
sind derzeit nicht geplant", heißt es im Bericht. Schließlich habe der
Bachelor für die Mehrzahl der Studierenden ohnehin der Regelabschluss zu
sein.
Die Vorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag, Ulla Burchardt (SPD),
ist empört. "Das ist eine Verweigerung von Wissen und eine potenzielle
Vergeudung von Geld und der Lebenszeit junger Menschen."
Der Bericht stütze eher die Befürchtung, dass man auf eine echte Knappheit
an Masterstudienplätzen zusteuere, als dass diese Befürchtung widerlegt
werde. "Eine solide Wissensbasis über bundesweit vorhandene und künftig
erforderliche Bachelor- und Masterstudiengänge ist überfällig. Das klappt
ja auch bei Kindergartenplätzen."
## "Es herrscht völlige Intransparenz"
Die Kultusminister verweisen zwar darauf, dass Master-Interessenten den Ort
wechseln können. Bei ihrer Zählung haben sie jedoch großzügig darüber
hinweggesehen, dass neben Zulassungsbeschränkungen - gemeinhin der Numerus
Clausus - auch Zugangsbeschränkungen existieren. Studierendenvertreterin
Moska Timar vom bundesweiten Zusammenschluss von Studentinnenschaften (fzs)
beklagt hier Wildwuchs. "Es herrscht völlige Intransparenz, weil jede
Hochschule andere Hürden aufbaut."
In Köln müssen Bewerber für den Master of Business Administration etwa eine
Mindestzahl von Leistungspunkten in drei Fächern nachweisen und einen
Qualifizierungstest für 97 Euro absolvieren. Andere Unis setzen auf
Motivationsschreiben oder die Abiturnote.
"Dieser Dschungel muss gelichtet werden", sagt SPD-Hochschulexpertin
Burchardt. "Hilfreich wäre ein bundeseinheitliches Zulassungsgesetz und
Zugangssystem."
1 May 2011
## AUTOREN
Anna Lehmann
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