# taz.de -- Nach dem Tod Osama bin Ladens: Pakistan in der Kritik | |
> Wussten Pakistans Regierung und Militär, wo sich bin Laden jahrelang | |
> versteckt hielt? Präsident Zardari bestreitet das vehement. Derweil | |
> schließen die USA ihre Botschaft in dem Land. | |
Bild: "Bin Laden verfolgt Pakistan auch noch nach seinem Tod" – Schlagzeilen … | |
ISLAMABAD/WASHINGTON afp/dapd/dpa | Nach der Tötung von El-Kaida-Chef Osama | |
bin Laden in Pakistan haben die USA ihre Botschaft und drei Konsulate in | |
dem Land geschlossen. Die Botschaft in der Hauptstadt Islamabad sowie die | |
Konsulate in Peshawar, Lahore und Karachi seien bis auf weiteres für den | |
generellen Geschäftsbetrieb geschlossen worden, blieben aber für "andere | |
Angelegenheiten" und für US-Bürger betreffende Notfälle geöffnet, teilte | |
die US-Botschaft mit. | |
Nach der Tötung bin Ladens durch eine US-Spezialeinheit waren Befürchtungen | |
von Vergeltungsmaßnahmen aufgekommen. Das US-Außenministerium gab nach dem | |
Tod des Terroristenführers eine weltweite Reisewarnung an alle US-Bürger | |
aus, da es zu antiamerikanischer Gewalt kommen könnte. Die Warnung soll | |
zunächst bis zum 1. August gelten. | |
Die größte Talibangruppe in Pakistan hatte erklärt, bin Ladens Tod rächen | |
und "die Regierungen der USA und Pakistans und ihre Sicherheitskräfte" | |
angreifen zu wollen. Pakistan verstärkte bereits die | |
Sicherheitsvorkehrungen in großen Städten, bei diplomatischen Einrichtungen | |
und am Ort der Tötung bin Ladens in Abbottabad. In der | |
südwestpakistanischen Stadt Quetta nahe der Grenze zu Afghanistan gingen am | |
Montag hunderte Menschen auf die Straße, um die USA zu verurteilen, eine | |
US-Flagge zu verbrennen und den El-Kaida-Chef zu würdigen. | |
## Pakistans Präsident: Militär wusste von nichts | |
Der pakistanische Präsident Asif Ali Zardari bestreitet, dass die | |
Sicherheitskräfte im Land bin Laden Unterschlupf gewährt haben. Der | |
Umstand, dass bin Laden jahrelang in einem Haus in Abbottabad nahe einer | |
Militärakademie gelebt hatte, hatte erneut die Frage aufgeworfen, ob den | |
pakistanischen Streitkräften nicht doch seine Anwesenheit im Land bekannt | |
gewesen war. | |
In einem Beitrag für die Tageszeitung Washington Post schrieb Zardari am | |
Montag, dass eine "solch unbegründete Spekulation spannende | |
Botschaftsdepeschen zu erstellen hilft, aber nicht die Tatsachen | |
wiedergibt". Es war Pakistans erste offizielle Stellungnahme zu den | |
Mutmaßungen. | |
Auch wenn der US-Einsatz gegen den al-Qaida-Chef "keine gemeinsame Aktion" | |
gewesen sei, habe ein Jahrzehnt Zusammenarbeit zwischen Pakistan und den | |
USA "zu der Ausschaltung von Osama bin Ladens als dauerhafte Bedrohung für | |
die zivilisierte Welt geführt", so Zardari weiter. Unter der Überschrift | |
"Pakistan hat seinen Teil getan" fügte er hinzu, Pakistan sei zufrieden, | |
dass die Identifizierung eines al-Qaida-Kuriers durch pakistanische Dienste | |
letztlich zu bin Laden geführt habe. | |
## Washington misstraut Pakistan | |
Doch in Washington herrschte offenbar Misstrauen gegenüber Pakistan. Die | |
USA hatten die pakistanische Regierung erst dann über die Kommandoaktion in | |
der Stadt Abbottabad informiert, als die Hubschrauber mit den | |
US-Elitesoldaten den Luftraum des Landes wieder verlassen hatten. Dabei | |
habe Washington ein Feuergefecht mit dem pakistanischen Militär in Kauf | |
genommen, sagte der Anti-Terror-Berater von US-Präsident Barack Obama, John | |
Brennan, am Montag. | |
In den USA wird stark vermutet, dass eine Deckung des meistgesuchten | |
Terroristen der Welt zumindest durch örtliche Behörden stattgefunden habe. | |
Es sei "unvorstellbar", dass sich bin Laden ohne Hilfe längere Zeit in | |
Pakistan habe verstecken können, so Brennan. Die USA wollten untersuchen, | |
ob bin Laden über "irgendeine Form eines Unterstützungssystems in Pakistan" | |
verfügt habe. | |
Pakistans Botschafter in den USA, Husain Haqqani, sicherte eine | |
"vollständige Untersuchung" zu der Frage zu, warum dem Geheimdienst der | |
Aufenthalt von bin Laden in seinem Land entgangen sei. "Offensichtlich | |
hatte bin Laden ein Unterstützungssystem", sagte er im Sender CNN. "Die | |
Frage ist, war es Unterstützung innerhalb der Regierung und dem Staat | |
Pakistan oder innerhalb der pakistanischen Gesellschaft." | |
## Cameron: Kein schnellerer Abzug | |
Die Tötung von Osama bin Laden wird nach Einschätzung des britischen | |
Premierministers David Cameron nicht zu einem schnelleren Abzug der | |
ausländischen Truppen aus Afghanistan führen. Cameron sagte am Dienstag dem | |
Radiosender BBC, bin Ladens Tod sei "eindeutig eine hilfreiche | |
Entwicklung", werde aber nicht notwendigerweise die Zeitpläne verändern. | |
Die Alliierten sollten die Entwicklung nutzen, um Taliban-Kämpfer davon zu | |
überzeugen, der Gewalt abzuschwören und einen Dialog zu beginnen, sagte | |
Cameron weiter. Die NATO und die USA wollen ihren Kampfeinsatz in | |
Afghanistan bis Ende 2014 beenden. Die Vereinigten Staaten wollen einige | |
ihrer fast 100.000 Soldaten in Afghanistan ab Juli abziehen. | |
Unions-Außenexperte Philipp Mißfelder rechnet mit einer Verschärfung der | |
Sicherheitslage für die deutschen Soldaten in Afghanistan. "Wir dürfen | |
nicht davon ausgehen, dass die Tötung Osama bin Ladens zu einer | |
Demoralisierung unserer Gegner in Afghanistan führt", sagte Mißfelder | |
"Spiegel Online". Vielmehr werde es für viele Extremisten ein Ansporn für | |
weitere Gewalttaten sein, sowohl für die Taliban als auch für | |
Al-Kaida-Terroristen, befürchtet der CDU-Politiker. | |
Mißfelder kritisierte scharf die Rolle Pakistans im Anti-Terror-Kampf. Bin | |
Laden habe sich jahrelang in Pakistan aufgehalten, "und zwar nicht in | |
irgendeiner Höhle im Grenzgebiet, sondern mitten auf pakistanischem | |
Staatsgebiet. Dass davon in offiziellen Kreisen niemand gewusst haben will, | |
ist schwer vorstellbar", sagte der CDU-Politiker. Er fügte hinzu: "Es sieht | |
so aus, als treibe Pakistan ein doppeltes Spiel. Das ist inakzeptabel. Das | |
Verhältnis zu Pakistan wird jedenfalls nicht einfacher." | |
## UN-Sicherheitsrat begrüßt Tod bin Ladens | |
Die US-Regierung schloss nicht aus, Fotos des getöteten al-Qaida-Chefs zu | |
veröffentlichen. Die Vereinigten Staaten würden alles tun, um Zweifel am | |
Tod des Drahtziehers der Anschläge vom 11. September 2001 auszuräumen, | |
sagte Brennan. Die Veröffentlichung von Fotos werde geprüft. Mehrere | |
US-Abgeordnete hatten zuvor die Befürchtung geäußert, dass es Versuche | |
geben werde, den Tod von bin Laden zu leugnen, wenn die USA nicht | |
ausreichende Beweise vorlegten. Seine Leiche wurde nach US-Angaben im Meer | |
bestattet. | |
Der UN-Sicherheitsrat würdigte den Tod des al-Qaida-Chefs unterdessen als | |
"entscheidenden Entwicklung" im Kampf gegen den Terrorismus. In einer am | |
Montag in New York verabschiedeten Erklärung des UN-Gremiums wurde der Tod | |
bin Ladens ausdrücklich "begrüßt". Der Sicherheitsrat forderte alle Staaten | |
zu einer verstärkten Kooperation auf, um "Täter, Organisatoren und | |
Unterstützer von Terroranschlägen" zu fassen. | |
Zustimmung kam auch vom irakischen Präsident Dschalal Talabani. "Die Welt | |
ist das größte Symbol des Bösen losgeworden, einen Mann, der den Hass gegen | |
die Mitmenschen verkörpert hat", schrieb er in einem Brief an US-Präsident | |
Barack Obama. Die chinesische Regierung wertete die Tötung Bin Ladens als | |
"positive Entwicklung" im Kampf gegen den weltweiten Terrorismus. Die | |
Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Jiang Yu, sprach am Dienstag | |
von einem "Meilenstein". | |
China hat zudem Pakistan gegen Vorwürfe verteidigt, nicht entschlossen | |
genug gegen radikale Islamisten vorzugehen. "Pakistan steht beim | |
internationalen Kampf gegen den Terrorismus an vorderster Front", sagte | |
eine Sprecherin des Außenministeriums am Dienstag in Peking. Pakistan habe | |
im diesem Kampf wichtige Beiträge geliefert. China werde Pakistan weiter | |
dabei unterstützen, seine eigene Anti-Terror-Strategie zu entwickeln und | |
umzusetzen. | |
## Grüner Politiker Koenigs kritisiert Tötung bin Ladens | |
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Tom Koenigs hat angesichts der Tötung von | |
al-Qaida-Chef Osama bin Laden völkerrechtliche Bedenken geäußert. Zwar | |
teile er die Erleichterung vieler, "dass so ein gefährlicher Mann | |
ausgeschaltet wird", sagte der Vorsitzende des Bundestags-Ausschusses für | |
Menschenrechte und humanitäre Hilfe am Dienstag im Sender Radio Eins vom | |
rbb. | |
Gleichzeitig äußerte Koenigs aber völkerrechtliche Bedenken. "Ein Akt der | |
Gerechtigkeit war das zweifellos weniger als ein Akt des Krieges", sagte | |
er. In diesem Rahmen müsse man das auch völkerrechtlich beurteilen. "Diese | |
gezielten Tötungen hinterlassen immer ein Gefühl des Unbehagens, weil sie | |
eben auf völkerrechtlich dünnem Boden sind." | |
Man könne bei bin Laden sicher keine Unschuldsvermutung aufrecht erhalten, | |
denn es gebe wenige Menschen, die den USA und ihren Verbündeten so | |
eindeutig den Krieg erklärt hätten, sagte Koenigs, der als | |
UN-Sondergesandter für Afghanistan tätig war. "Trotzdem wäre es natürlich | |
für die Gerechtigkeit besser, wenn ihm ein Verfahren wie den Nazis in | |
Nürnberg oder Eichmann in Jerusalem gemacht worden wäre." | |
Nach Ansicht von Berlins Innensenator Ehrhart Körting wäre Bin Laden | |
eigentlich ein Fall für den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag | |
gewesen. Der SPD-Politiker sagte am Dienstag, man empfinde sicherlich | |
Genugtuung, wenn ein Mensch, der Massenmord zu verantworten habe, in | |
irgendeiner Form zur Rechenschaft gezogen werde. "Mir als Jurist wäre es | |
lieber gewesen, wenn er vor dem internationalen Strafgerichtshof zur | |
Verantwortung gezogen worden wäre." | |
3 May 2011 | |
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Pakistan | |
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