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# taz.de -- Anschläge im Irak: Der Schatten der al-Qaida bombt weiter
> Ihre Hoch-Zeit hat die irakische al-Qaida hinter sich. Nun hat sie Rache
> für den Tod Osama bin Ladens geschworen. Und verübt in regelmäßigen
> Abständen Anschläge.
Bild: Tote, Autowracks, zerstörte Gebäude: Bombenanschlag in Bagdad am 4. Mai…
BAGDAD taz | Mittwochvormittag im Irak. In Kerbala fordern zwei Anschläge
drei Tote, in Kirkuk werden drei Verkehrspolizisten verletzt, als unter
ihrem Wagen ein Sprengsatz explodiert, in Bagdad erschießen Unbekannte
einen Polizisten und einen Ministerialbeamten, Militante greifen eine
amerikanische Basis und ein Polizeihauptquartier, in dem auch US-Soldaten
stationiert sind, mit Mörsergranaten an. Am Abend zuvor kommen in einem
schiitischen Quartier in Bagdad neun Personen ums Leben, als vor dem
Teehaus, in dem sie sich das Halbfinale der Champions League zwischen dem
FC Barcelona und Real Madrid anschauten, eine Autobombe explodiert.
Die irakische al-Qaida hat Rache für den Tod von Osama bin Laden
geschworen. Dass die Anschläge eine direkte Reaktion auf den Verlust des
Terrorpaten sind, ist fraglich. Die Orte und die Zahl der Opfer sind
verschieden, aber im Irak vergeht kaum ein Tag, ohne dass es
Bombenanschläge und politisch motivierte Morde gibt. Auch am Donnerstag
sind bei einem Selbstmordanschlag auf ein irakisches Polizeirevier in
Hillah, südlich von Bagdad, mindestens 13 menschen getötet worden. Erneut
bekannte sich niemand zu der Tat.
Die Sicherheitskräfte befürchten eine Zunahme der Gewalt. Zellen von
al-Qaida könnten Selbstmordanschläge und andere Verbrechen verüben, sagte
der Generalmajor Kassem Atta, Sprecher des Operationsstabs in Bagdad. In
der gesamten Hauptstadt wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft, noch
mehr Polizisten und Soldaten patrouillieren in den Straßen.
Politiker aller Fraktionen haben über ihre ethnischen und konfessionellen
Gräben hinweg die Nachricht vom Tod bin Ladens begrüßt. Staatspräsident
Dschalal Talabani, ein Kurde, gratulierte seinem amerikanischen
Amtskollegen Barack Obama und erklärte, dass die Welt damit das größte
Symbol des Bösen und des Hasses auf die Menschheit losgeworden sei.
Zugleich bekräftigte Talabani, dass die Iraker ein Verbündeter im Kampf
gegen den Terror seien. Der schiitische Abgeordnete Aziz Egali sprach von
einem glücklichen Tag für den Irak. Mit dem Tod von bin Laden ende ein
dunkles Kapitel, sagte Parlamentspräsident Osama Nujeifi, ein Sunnit. Er
hoffe, dass dies der Anfang vom Ende jeglicher Form des Extremismus sei und
der Konfessionalismus überwunden werde.
## Spiegelbild Syrien
Die Genugtuung der Iraker ist verständlich. In keinem Land der Welt hat der
Terrorismus in den letzten Jahren so viele Todesopfer gefordert wie
zwischen Euphrat und Tigris. Im Irak zeigt sich freilich auch, wie
schwierig der Weg zum definitiven Sieg über die Extremisten ist. Mit Sorge
blicken zurzeit viele auf Syrien und Jemen, aber auch nach Bahrain. Denn in
allen drei Ländern wird das Bestreben der vornehmlich jungen Bürger von dem
konfessionellen Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten überschattet, der
im Irak der al-Qaida erst zum Aufstieg verhalf. Syrien ist dabei ein
Spiegelbild des Irak mit umgekehrten Vorzeichen.
Dort herrscht die Minderheit der Alawiten, die wiederum eine Minderheit
innerhalb der Schiiten bilden, über eine sunnitische Mehrheit; im Irak war
es das sunnitische Saddam-Regime, das die Schiiten unterdrückte. Und wie im
Irak leben in Syrien viele Kurden sowie Christen und andere Minderheiten.
Viele Iraker wollen den Sturz des Assad-Regimes in Syrien. Zugleich
befürchten sie aber, dass dieser zu einem erneuten Aufflammen des Konflikts
zwischen Schiiten und Sunniten im eigenen Land führen und dass ein
Regimewechsel der al-Qaida neuen Atem verschaffen könnte.
Die Demonstranten in Syrien beschwören derzeit die nationale Einheit und
wollen die konfessionelle Spaltung überwinden. Aber im Irak weiß man nur zu
gut, wie wenig solche Beteuerungen wert sein können. Auch sie hatten die
Brüderlichkeit beschworen, als die perfide Saat des irakischen
Al-Qaida-Chefs, Abu Mussab al-Sarkawi, längst aufgegangen war.
In einem Kommuniqué, das später den Amerikanern in die Hände fiel, hatte
der aus Jordanien stammende Terrorist den Plan zu einem Bürgerkrieg
ausgearbeitet. Mit Anschlägen auf Schiiten wollte er den Zusammenbruch des
Staats herbeiführen, um dann auf dessen Trümmern einen islamischen Staat zu
errichten. Der Plan war innerhalb der Al-Qaida-Führung umstritten. Das
sinnlose Morden von schiitischen Zivilisten schade dem Ansehen von
al-Qaida, kritisierte Aiman Sawahiri, der Stellvertreter von bin Laden.
Es war freilich nur eine taktische Stellungnahme, denn es änderte nichts an
der Dämonisierung der Schiiten als Ungläubige noch an dem Ziel, einen
sunnitischen Gottesstaat zu errichten. Als Sarkawi im Juni 2006 bei einem
Luftangriff der Amerikaner nördlich von Bagdad getötet wurde, war der
Bürgerkrieg bereits voll im Gang. In Teilen des Landes und der Hauptstadt
hatte er die mittelalterliche Version eines islamischen Staats
verwirklicht, in dem es weder Schulen noch Strom geben darf. Nach Sarkawis
Tod sanktionierte bin Laden den Mord an jedem, der die Amerikaner
unterstützte, ob Sunniten, Schiiten oder Kurden.
## Gewaltniveau konstant
Den Niedergang der irakischen al-Qaida läutete die Abkehr der Sunniten vom
Terrorismus und ihr Bündnis mit den Amerikanern ein, was schließlich auch
ihre schiitischen Gegenspieler zur Niederlegung der Waffen nötigte. Von
Ende 2006 bis Anfang 2009 nahm die Gewalt drastisch ab. Obwohl die
staatlichen Strukturen inzwischen gewachsen sind und die Sicherheitskräfte
Dutzende von Al-Qaida-Führern festgenommen haben, ist das Gewaltniveau seit
zwei Jahren mehr oder weniger konstant. Verglichen mit früher ist die
irakische al-Qaida heute nur noch ein Schatten ihrer selbst. Aber es
gelingt ihr weiterhin, in regelmäßigen Abständen Bombenanschläge zu
verüben, die jeweils Dutzende von Toten fordern. Nicht alle Gewalt geht auf
das Konto von al-Qaida. Gezielte Mordanschläge auf Beamte, die sich zurzeit
häufen, werden Abrechnungen im Stil der Mafia zwischen den Parteien
zugerechnet.
Die Terroristen seien jedoch nicht mehr in der Lage, die staatlichen
Fundamente zu erschüttern, sagte der schiitische Abgeordnete Abbas Bayati
im Gespräch. So sehen es auch die Amerikaner, die nicht müde werden, die
irakischen Sicherheitskräfte zu loben. Diese sind bei der Aufklärung und
auch logistisch auf die Amerikaner angewiesen. Dass die Probleme bis zum
Abzug der letzten US-Truppen Ende dieses Jahres gelöst werden könnten, wird
sehr skeptisch beurteilt. Die größte Herausforderung sei trotz aller
Fortschritte nach wie vor die Sicherheit, sagte Bayati, der dem
parlamentarischen Sicherheitsausschuss angehört.
## Unter Einmischung der Nachbarländer gelitten
Wie viele Iraker blickt er dabei auch auf die Entwicklungen in den
Nachbarländern. "Wir mischen uns nicht in die Angelegenheiten der
Nachbarländer ein", sagte Bayati. "Wir haben selbst unter der Einmischung
unserer Nachbarländer gelitten. Statt anderen Sorge zu bereiten, wollen wir
ein Faktor der Stabilität in der Region sein." Andere Politiker werden
deutlicher. "Wenn sich der konfessionelle Konflikt in den Nachbarländern
verschärft, bleiben auch wir nicht verschont, sagte Kabinettsmitglied
Mohammed Allawi.
Dieser Konflikt wird derzeit vor allem in Bahrain geschürt, wo das
sunnitische Herrscherhaus mit Unterstützung von Saudi-Arabien erbarmungslos
gegen die Schiiten vorgeht, die für Bürgerrechte und Demokratie auf die
Straße gegangen sind. Die Solidaritätsbekundungen von schiitischen
Politikern haben viele Sunniten im Irak verärgert und ihren Argwohn gegen
die heute Mächtigen bestärkt, die für sie häufig nicht mehr als der lange
Arm des Iran sind. Anders als während der Hoch-Zeit der al-Qaida sind die
Sunniten heute in der Regierung vertreten. Sunniten leiden unter der Gewalt
mindestens so wie die Schiiten. Viele Iraker sind jedoch pessimistisch. Die
Beben in der Regionen verstärken das konstante Gefühl der Unsicherheit nur
noch. Daran ändert auch der Tod von bin Laden nichts.
5 May 2011
## AUTOREN
Inga Rogg
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