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# taz.de -- 2. Tag Kriegsverbrecherprozess Stuttgart: Karlsruhe soll entscheiden
> Die Anwälte der FDLR-Milizenführer sagen, Deutschlands
> Völkerstrafgesetzbuch sei verfassungswidrig. Sie beantragten die
> Aussetzung des Verfahrens.
Bild: In Luvungi haben FDLR-Milizen über 200 Frauen vergewaltigt.
STUTTGART taz | Im Stuttgarter Kriegsverbrecherprozess will die
Verteidigung jetzt das Verfahren von höchster Stelle kippen lassen.
Angeklagt sind die beiden Führer [1][der im Kongo kämpfenden ruandischen
Miliz FDLR] (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas). Die Anwälte des
FDLR-Präsidenten Ignace Murwanashyaka kündigten am Montag ein
Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht an, um zu klären,
ob das Völkerstrafgesetzbuch, auf dessen Grundlage dieser Prozess geführt
wird, überhaupt verfassungsgemäß ist.
In der Zwischenzeit solle das Verfahren in Stuttgart ausgesetzt und die
Angeklagten aus der Untersuchungshaft entlassen werden.
Das deutsche Völkerstrafgesetzbuch aus dem Jahr 2002, das die
Strafverfolgung von Kriegsverbrechen weltweit durch die deutsche Justiz
regelt, übernimmt das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs
(IstGH) in Den Haag in deutsches Recht und kommt jetzt im Prozess gegen die
FDLR-Milizenführer [2][zum ersten Mal zur Anwendung].
Die Anwälte von Murwanashyaka behaupten, dieses Gesetz verstoße gegen das
im Grundgesetz festgelegte Verbot der Strafbegründung durch
Gewohnheitsrecht und nehme "Bezug auf nicht oder nicht vollständig
kodifiziertes Völkergewohnheitsrecht". So sei in verschiedenen Paragraphen
nicht ausgeführt, was genau mit "völkerrechtswidrig" oder "humanitäres
Völkerrecht" gemeint sei.
## Anklage zieht Antiterrorparagraph hinzu
Die Bundesanwaltschaft nimmt in ihrer Anklage gegen Murwanashyaka und
seinen Stellvertreter Straton Musoni mehrfach Bezug auf Verbrechen gegen
"nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen" gemäß dem
Völkerstrafgesetzbuch. Weiter sind beide FDLR-Führer unter Paragraph 129a
des Strafgesetzbuches der Rädelsführerschaft beziehungsweise Mitgliedschaft
in einer "ausländischen terroristischen Vereinigung" angeklagt.
Die Hinzuziehung dieses Antiterrorparagraphen mit den damit einhergehenden
eventuellen Beschränkungen der Rechte der Verteidigung war bereits am
Eröffnungstag des Prozesses am 4. Mai von der Verteidigung kritisiert
worden.
Um der Bundesanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem neuen Antrag
zu geben, vertagte Richter Hettich das Verfahren auf den kommenden
Mittwoch. Dass er dem Antrag der Verteidigung stattgibt, gilt als
unwahrscheinlich, denn dafür müsste er selbst förmlich die Unvereinbarkeit
des Völkerstrafgesetzbuches mit dem Grundgesetz feststellen und dann
Karlsruhe zur Klärung anrufen.
Bisher hat Richter Hettich alle Anträge der Verteidigung abgelehnt, zuletzt
am Montag morgen zur Veränderung der Sitzordnung im Gerichtssaal und zur
Genehmigung für Ignace Murwahashyaka, einen Laptop in den Gerichtssaal
mitnehmen zu dürfen.
## Streit über die Ermittlungen vor Ort
Ein Grundsatzstreit schwelt derweil zwischen Anklage und Verteidigung über
die Qualität der in Ruanda und Kongo durchgeführten Ermittlungen. Die
Verteidigung behauptet, die Ermittler hätten bei ihren in Ruanda
durchgeführten Zeugenbefragungen Dolmetscher hinzugezogen, die ihnen von
der ruandischen Regierung gestellt worden seien, und damit seien die
übersetzten Aussagen grundsätzlich in Zweifel zu ziehen.
Zur Begründung ihres Vorwurfs stützen sich die Anwälte ausgerechnet auf
Generalbundesanwältin Monika Harms, die bei einem Vortrag gesagt haben
soll, dass Ruandas Regierung auf die Auswahl der Dolmetscher Einfluss
genommen habe. Am ersten Prozesstag hieß es, dies habe Harms in München
gesagt; am zweiten Prozesstag war es plötzlich Düsseldorf.
Die Bundesanwaltschaft dementiert sowohl die Äußerung ihrer Chefin als auch
den Vorwurf, Ruandas Regierung habe die Dolmetscherauswahl beeinflusst.
Dies sei "gänzlich aus der Luft gegriffen" und solche Vorwürfe "haben ihren
Grund ausschließlich in den ideologischen Vorstellungen der FDLR",
erwiderte Oberstaatsanwalt Ritscher.
Aufschluss über die Qualität der Ermittlungen könnte die Befragung der
ermittelnden Beamten liefern, die eigentlich laut Terminplan am Montag
hätte beginnen sollen, aber durch den Verfassungantrag der Verteidigung
jetzt verhindert worden ist.
Pikantes Detail: Sollte die Verteidigung mit ihrem Antrag auf
Verfassungswidrigkeit des Völkerstrafgesetzbuches wider Erwarten
durchkommen, hätte der IStGH in Den Haag freie Hand, das Verfahren gegen
Murwanashyaka und Musoni an sich zu ziehen, weil dann klar wäre, dass die
deutsche Justiz dazu nicht in der Lage ist. Aus diesem Grund sitzt ja
bereits der dritte europäische FDLR-Führer, [3][der in Frankreich
verhaftete Exekutivsekretär Callixte Mbarushimana], in Den Haag in Haft und
wartet auf seinen Prozess.
9 May 2011
## LINKS
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## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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