# taz.de -- Kommentar Schröders Familienpolitik: Staatlich verordnete Kinderlo… | |
> Kristina Schröder will "ungewollt kinderlosen Paaren" helfen. Doch wer | |
> nicht der Norm "heterosexuelle Zweierbeziehung" entspricht, bleibt außen | |
> vor. | |
Bild: Kristina Schröder vor Bildern von Paaren. Schröder will "ungewollt Kind… | |
Großspurig hat Kristina Schröder in der Süddeutschen Zeitung angekündigt, | |
etwas für "ungewollt kinderlose Paare" tun zu wollen. Die Adoption will | |
Schröder jetzt für Frauen auch über 40 öffnen, die künstliche Befruchtung | |
soll so wie vor der Gesundheitsreform viermal, und das vollständig, von den | |
gesetzlichen Kassen bezahlt werden. | |
Das ist kaum mehr als billiger Populismus. Ein Fortschritt ist | |
allerhöchstens die Einsicht, dass Menschen in unserer Gesellschaft älter | |
werden und Mutterschaft auch mit über 40 möglich sein soll. | |
Eine künstliche Befruchtung kostet pro Behandlungszyklus zwischen 3.000 und | |
5.000 Euro. So edel das Anliegen ist, den "ungewollt Kinderlosen" Kinder zu | |
schenken: Nicht nur angesichts einer Baby-Take-Home-Rate von etwas weniger | |
als 30 Prozent kann man sich fragen, ob die knappen Mittel hier sinnvoll | |
eingesetzt sind. Ist es realistisch, dass Schröders Vorschlag von den | |
Krankenkassen geschluckt wird? Tut Schröder Frauen mit ihrer Politik | |
wirklich einen Gefallen? Und gibt es nicht drängendere familienpolitische | |
Korrekturen, die angegangen werden sollten? | |
Eine künstliche Befruchtung ist sehr belastend, denn es müssen viele | |
Hormone verabreicht werden. Je älter die Frau ist, desto geringer ist die | |
Chance, dass ein Kind entsteht. Seit dem Inkrafttreten der | |
Gesundheitsreform am 1.1.2004 besteht nicht nur eine Altersbeschränkung, | |
sondern es muss auch draufgezahlt werden. Vorher zahlte die Kasse viermal, | |
voll - heute sind es noch drei Behandlungen, und diese nur zur Hälfte. | |
## Kristina Schröder und die Gesundheitsreform | |
Das will Familienministerin Schröder nun rückgängig machen, obwohl auch | |
ihre Partei damals die Gesundheitsreform mittrug. Ob sie den eh mit | |
Finanzierungsproblemen kämpfenden Kassen mehr Geld aus den Taschen leiern | |
kann, ist ungewiss. Schon heute müssen allein die gesetzlichen Kassen für | |
künstliche Befruchtungen rund 80 Millionen Euro ausgeben, wird die | |
Änderung, so wie von Schröder angekündigt, zurückgenommen, müssten die | |
Kassen 120 Millionen mehr aufbringen. | |
Anstatt solcher wolkiger Ankündigungen, die am Ende eh nicht umgesetzt | |
werden, sollte Schröder ihr Amt ernstnehmen und an einer wirklichen Reform | |
von Frauen- und Familienpolitik arbeiten. Not tut eine Reform, die nicht | |
nur das heterosexuelle Zweierpaar in den Blick nimmt. Homosexuelle Paare | |
und alleinstehende Frauen bleiben bei Schröders Vorschlägen weiterhin außen | |
vor. Ungefähr die Hälfte der lesbischen Frauen mit Kinderwunsch nutzt | |
Samenbanken aus dem In- und Ausland, die andere macht's irgendwie mit einem | |
Mann, oft einem schwulen Freund, der ebenfalls einen Kinderwunsch hegt. | |
## Lesben und Schwule: ungewollt kinderlos | |
Lesben und Schwule sind ungewollt kinderlos, von Staats wegen. Weder bei | |
der künstlichen Befruchtung noch bei der Adoption denkt Kristina Schröder, | |
die sich doch so gern als Freundin der Schwulen und Lesben inszeniert, die | |
Homopolitik mit. | |
Was die Adoption gegen die von Schröder ausgemachte "ungewollte | |
Kinderlosigkeit" bringen soll, bleibt im Dunkeln. Es ist kein Geheimnis, | |
dass es mehr potenzielle Eltern als auf sie wartende Adoptivkinder gibt. | |
Schröder hat wohl nach ein paar Bürgerbriefen einfach mal etwas zur | |
Adoption rausgehauen, ohne über die Fakten nachzudenken. | |
Ein echtes Adoptionsrecht für Homosexuelle gibt es in Deutschland nicht. Es | |
ist höchste Zeit, sie an der Reproduktions- und Erziehungsarbeit zu | |
beteiligen. Schröder behauptet, das aktuelle Familienrecht sei | |
"anachronistisch". Doch Vorschläge, dies zu überwinden, sucht man bei ihrer | |
konzeptlosen Ankündigungs-Politik vergebens. | |
10 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Julia Seeliger | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Künstliche Befruchtung und Adoptionsrecht: Schröder macht auf ungewollt kinde… | |
Familienministerin Schröder hat einen Zusammenhang zwischen der | |
Finanzierung künstlicher Befruchtung und der Geburtenrate ausgemacht. Auch | |
das Adoptionsrecht will sie reformieren. | |
Entscheidung am Europäischen Gerichtshof: Gleiche Rente für Homopaare | |
Der Europäische Gerichtshof beendet die Diskriminierung von Lebenspartnern | |
bei der Zusatzversorgung. Die Homopartnerschaft sei mit Hetero-Ehen | |
gleichsetzbar. | |
Väter und Kindererziehung: Lass Papa das mal machen! | |
Väter sind für die Entwicklung ihres Kindes genau so wichtig wie die | |
Mütter. Ziehen sie sich aus ihrer Verantwortung zurück, schaden sie ihrem | |
Kind. | |
Familienministerin Schröder ist Mutter: Es ist ein Mädchen | |
Es ging schneller als gedacht: Einige Tage vor dem errechneten | |
Geburtstermin kam Lotte Marie Schröder zu Welt. Sie ist das erste Kind der | |
Familienministerin. | |
Unionspolitiker fordern Sozialabgabe: Wer keine Kinder hat, soll blechen | |
Junge Unionspolitiker wollen Kinderlose mit einer Sonderabgabe bestrafen. | |
Das geht sogar der Familienministerin zu weit – Kristina Schröder will | |
lieber Anreize statt Abschreckung. |