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# taz.de -- Väter und Kindererziehung: Lass Papa das mal machen!
> Väter sind für die Entwicklung ihres Kindes genau so wichtig wie die
> Mütter. Ziehen sie sich aus ihrer Verantwortung zurück, schaden sie ihrem
> Kind.
Bild: Wie wichtig ist der Vater?
BERLIN taz | Die Väter von Strauchratten-Babys würden heute ohne Probleme
als Vorbild für den viel zitierten "partnerschaftlichen, neuen Vater"
taugen. Anders als bei 90 Prozent aller Säugetierarten kümmert sich der
Degu-Vater nämlich rührend um seinen Nachwuchs. Er wärmt die Neugeborenen,
betreibt Körperpflege, kuschelt, schmust und spielt ausgiebig mit seinen
Jungen. Er beteiligt sich so an Aufzucht und Pflege, bis die Kleinen
erwachsen sind und eigene Wege gehen.
Historische und anthropologische Studien zeigen, dass der Menschenvater
dagegen sehr flexibel ist, was die Kinderaufzucht anbelangt. Es gibt
matriarchalische Volksstämme, bei denen Männer in Sachen Kindererziehung
kein Wort mitreden dürfen.
Dagegen weiß man etwa aus den antiken Gesellschaften, dass der Vater als
Ernährer, Beschützer und Lehrer ein hohes Ansehen genoss und sich auch
dementsprechend verhalten hat.
Die aktuelle Väterforschung zeigt nun, dass sich väterliches Engagement
positiv auf die Seele der Kinder auswirkt. "Väter und Mütter sind in
gleichem Umfang für das Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit eines
Kindes wichtig", meint Wassilios Fthenakis, der lange Jahre am Münchner
Staatsinstitut für Frühpädagogik forschte.
## Wenn der Vater fehlt
Aus Humanstudien der letzten zehn Jahre weiß man etwa, dass Kinder, die
ohne fürsorgliche Väter aufwachsen, erhebliche Nachteile haben: Schlechte
Schulnoten, kriminelle Handlungen, psychische Erkrankungen sowie impulsives
und aggressives Verhalten kommen bei ihnen häufiger vor. So erkranken
Kinder, deren Vater an einer postpartalen Depression leidet, dreimal
häufiger am Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom als Kinder von psychisch gesunden
Vätern. Suchtprobleme und Teenagerschwangerschaften gibt es häufiger bei
Kindern von Alleinerziehenden.
Zahlen aus US-Gefängnissen belegen, dass 60 Prozent der Vergewaltiger, 70
Prozent der Langzeithäftlinge und 72 Prozent der jugendlichen Mörder ohne
Vater aufgewachsen sind. "Diese Straftäter haben in ihrer Kindheit keine
Möglichkeit gehabt, die Grammatik der Gefühle, Bindungen, Liebe zu
entwickeln und sind daher als Erwachsene emotional sprachlos", so Katharina
Braun, Neurobiologin an der Universität Magdeburg.
Zu diesen empirischen Fakten kommen nun tierexperimentelle Studien, die
erstmals den Einfluss fehlender Väter auf das Gehirn des Nachwuchses
offenlegen. Die Wissenschaftlerin Braun hat dazu Degu-Väter einen Tag nach
der Geburt von ihren Jungen getrennt. Sie beobachtete diese Kinder in
Jugend- und Erwachsenenalter und verglich sie mit Nagern, die normal
aufwuchsen. Das Ergebnis: In einer Gehirnregion namens orbitofrontaler
Kortex fanden sich bei den vaterlosen Tieren weniger Synapsen. "Dies lässt
vermuten, dass Lern- und Gedächtnisprozesse gestört sind", so Braun.
Auch in einem anderen Bereich, dem somatosensorischen Kortex, gab es
weniger Erregungsleitungen. Diese Region ist für das Tast- und
Schmerzempfinden zuständig und vermutlich deshalb verkümmert, weil die
väterliche Nestwärme und vor allem der Körperkontakt fehlte. Auch in der
Amygdala, zuständig für die Bewertung von gefährlichen Situationen, und im
Stress-System hat die Neurobiologin bei vaterlosen Tieren deutliche
Veränderungen nachgewiesen. Die Tiere waren in Verhaltensexperimenten auch
wesentlich impulsiver als ihre Altersgenossen.
"Die väterliche Fürsorge hat offenbar einen bisher nicht bekannten, großen
Einfluss auf die Entwicklung von Gehirn und Verhalten der Jungen",
resümiert die Magdeburger Neurobiologin. 100-prozentig übertragbar auf den
Menschen sind diese Versuche natürlich nicht. Aber: "Die Nervenzellen
funktionieren bei Mensch und Nagetier auf dieselbe Weise, und die
untersuchten Gehirnregionen haben bei Mensch und Degu dieselben Funktionen
für das Verhalten", erklärt die Braun. Demnach ließen sich durchaus solche
Rückschlüsse ziehen.
Betrachtet man Menschenkinder, gibt es noch mehr Einbußen, die diese im
Falle einer Trennung der Eltern hinnehmen müssen. Bei ihnen fällt ja nicht
nur die körperliche Wärme und das Spielen mit dem Vater weg. Auch die
finanzielle Situation verschlechtert sich meist in den
Mutter-Kind-Familien, die Erziehung wird einseitiger und eine wesentliche
soziale Stütze fehlt von nun an. Angesichts der hohen Scheidungsraten in
westlichen Gesellschaften stellt sich darum die Frage: was tun?
## Bezugspersonen sind wichtig
Fthenakis sieht vor allem einen guten Kontakt zum getrennt lebenden Vater
als wichtig an. "Das kommt nicht nur der Vater-Kind-Beziehung zugute,
sondern auch der Mutter-Kind-Beziehung." Timothy Biblarz, Soziologe am
kalifornischen USC College of Letters, meint auch: "Zwei Eltern sind in der
Regel besser als ein Elternteil. Aber eine wirklich gute Mutter ist besser
als zwei schlechte Eltern." Psychologen weisen zudem darauf hin, dass
andere Bezugspersonen - ein Opa, Onkel oder Lehrer - durchaus eine
väterliche Rolle übernehmen könnten, wenn diese Beziehungen stabil sind.
Zudem ist ein anwesender Vater immer noch nicht automatisch ein "guter"
Vater. Zahlreiche negative Belege gibt es, wie gewaltsame oder
vernachlässigende Väter der seelischen und körperlichen Entwicklung ihrer
Kinder zusetzen, und zwar mehr, als wenn sie einfach nicht da sind. Fakt
ist allerdings, dass Männer durchaus eine Veranlagung haben, Kinder
kindgerecht aufzuziehen.
So belegte Anne Storey, Psychologin an der kanadischen Memorial University,
in einer Studie im Jahre 2000, dass werdende Väter einen Hormoncocktail
ähnlich dem der Schwangeren produzieren. Mehr Prolaktin und Östrogen und
weniger Cortisol und Testosteron macht sie zu feinfühligen und
fürsorglichen Zeitgenossen. Auch nach der Geburt bleibt dieses
Hormongemisch bestehen - vor allem wenn die Väter es durch liebevolles
Verhalten weiter stimulieren.
Heute weiß man, dass Väter auf sehr unterschiedliche Weise ihre Kinder
prägen. Einerseits spielen sie mehr und wilder mit dem Nachwuchs als
Mütter. Sie verwenden auch komplexere Satzkonstruktionen, was die
Sprachentwicklung der Kinder fördert.
Zudem sind Kinder von guten Vätern selbständiger. "Väterliche Einflüsse
sehen wir vor allem beim schulischen Erfolg der Kinder, bei etwaigen
Verhaltensauffälligkeiten im Erwachsenenalter und beim Selbstwertgefühl",
so der Pädagoge Wassilios Fthenakis.
Laut Umfragen wollen sich Väter hierzulande gerne mehr als die bislang zwei
Stunden werktags an der Kindererziehung beteiligen. Die damit gewonnene
Erfahrung würde den Männern auch helfen, die Väterrolle weiter aufzufächern
- nicht nur Brotverdiener und Spielkamerad zu sein, sondern beispielsweise
auch Tröster, Erzieher und Pfleger. Die Struktur der Arbeitswelt lässt
diesen Wunsch jedoch in weite Ferne rücken.
27 May 2011
## AUTOREN
Kathrin Burger
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