# taz.de -- Künstliche Befruchtung und Adoptionsrecht: Schröder macht auf ung… | |
> Familienministerin Schröder hat einen Zusammenhang zwischen der | |
> Finanzierung künstlicher Befruchtung und der Geburtenrate ausgemacht. | |
> Auch das Adoptionsrecht will sie reformieren. | |
Bild: Wünscht sich mehr Kinder: Kristina Schröder. | |
BERLIN dpa/taz | Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) will | |
ungewollt kinderlose Paare besser unterstützen. Schröder sagte der | |
Süddeutschen Zeitung, die finanziellen Hilfen bei der künstlichen | |
Befruchtung sollten wieder aufgestockt werden. Zudem sollen die Regeln für | |
Adoptionen reformiert werden. | |
In erster Linie wollte Schröder "eine Diskussion anstoßen", sagte ihr | |
Ministerium auf Nachfrage. Zu der Frage, ob bei ihrer Reform auch | |
Homosexuelle berücksichtigt werden sollen, äußerte sich das Ministerium | |
nicht und verwies auf ein Informationsblatt. Das Referat Regenbogenfamilien | |
des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) teilte als Reaktion auf den Bericht | |
in der Süddeutschen mit, man begrüße es sehr, "dass Frau | |
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder kinderlose Paare besser | |
unterstützen" wolle. | |
Hierbei sollten aber auch Schwule und Lesben berücksichtigt werden, denn: | |
es stehe seit der Veröffentlichung der Ergebnisse der | |
[1][Regenbogenfamilien-Studie] (Kurzzusammenfassung) des | |
Bundesjustizministeriums im Jahr 2009 "außer Frage", dass Kinder sich bei | |
lesbischen Müttern und schwulen Vätern "ebenso gut entwickeln wie Kinder, | |
die in klassischen Familienformen aufwachsen", so der LSVD weiter. Die | |
Regenbogenfamilien-Studie zeige auch, dass jedes zweite Kind, das bei | |
lesbischen Müttern oder schwulen Vätern aufwächst, mit Unterstützung eines | |
Samenspenders oder einer Samenbank – in Eingetragenen Lebenspartnerschaften | |
– geboren worden sei. Jedes dritte dieser Paare wünsche sich weitere | |
Kinder. | |
Insofern begrüßte der LSVD auch Schröders Anliegen, die finanziellen Hilfen | |
bei der künstlichen Befruchtung wieder aufzustocken, wies aber gleichzeitig | |
auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hin, das festgestellt | |
hatte, dass eine diskriminierende Behandlung von Eingetragenen | |
Lebenspartnerschaften, die sich in einer vergleichbaren Situation wie | |
Eheleute befinden, klar gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. | |
## LSVD: Schwule und Lesben berücksichtigen | |
Der LSVD forderte deswegen Schröder auf, bei den geplanten Unterstützungen | |
für ungewollt kinderlose Paare "Lebenspartnerinnen und Lebenspartner | |
gleichberechtigt zu berücksichtigen". Ronny Pohle, Bundesgeschäftsführer | |
der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) ist da pessimistisch. "Ein | |
schwieriges Thema in der Union", sagte Pohle der taz. | |
Das Ministerium selbst beantwortete die Anfrage nach einem Adoptionsrecht | |
für Homosexuelle mit Verweis auf Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen | |
Konvention über die Adoption von Kindern aus dem Jahre 1967 – gegen diese | |
Konvention würde ein mögliches Adoptionsrecht verstoßen. | |
## Volker Beck: "Regierung soll neues Abkommen einbringen" | |
Die Nennung des Abkommens aus dem Jahre 1967 verwundert, da es auf | |
europäischer Ebene inzwischen ein neues Adoptionsabkommen gibt, das vom | |
Deutschen Bundestag allerdings noch nicht ratifiziert wurde. Viele andere | |
europäische Länder haben ein echtes Adoptionsrecht auch für Homosexuelle, | |
zum Beispiel: Spanien, Großbritannien, die Niederlande, Belgien, Dänemark, | |
Norwegen und Andorra. Und auch Schweden, das die Konvention aus 1967 | |
bereits 2002 aufgekündigt hat. | |
Volker Beck, erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen und | |
langjähriger Homo-Aktivist, ist verärgert, dass vom Familienministerium die | |
Konvention aus dem Jahr 1967 genannt wird. "Die Bundesregierung kann sich | |
nicht hinter europäischen Regelungen verstecken", so Beck gegenüber der | |
taz. Die Bundesregierung könne jederzeit das Adoptionsrecht ändern und | |
sollte dies auch, denn die Benachteiligung von Regenbogenfamilien und ihren | |
Kindern sei verfassungswidrig und müsse "aufhören". Zudem sollte die | |
Bundesregierung die Ratifizierung des neuen europäischen Adoptionsabkommens | |
in den Bundestag einbringen. | |
## "Glasklarer Zusammenhang zwischen Politik und Geburten" | |
Die Situation bei der künstlichen Befruchtung für Heterosexuelle hat sich | |
in den letzten Jahren verschlechtert. Bis 2004 wurden bis zu vier | |
Befruchtungsversuche voll finanziert, heute sind es noch drei, allerdings | |
nur zur Hälfte. Schröder sagte der Süddeutschen Zeitung, Statistiken | |
zeigten, dass sich durch die damalige Entscheidung die Zahl der Versuche | |
halbiert habe und deswegen auch weniger Kinder geboren würden. | |
"Hier gibt es einen glasklaren Zusammenhang zwischen staatlicher Politik | |
und der Anzahl der Geburten. Deshalb müssen wir was tun." Die | |
Nicht-Finanzierung für Lesben begründet das Ministerium lediglich mit | |
Verweis auf eine Richtlinie der Bundesärtzekammer und verweist gleichzeitig | |
darauf, dass es "fraglich" sei, "ob ein behandelnder Arzt an dieses Verbot | |
gebunden ist". | |
Daneben möchte die Ministerin weitere Regeln für Adoptionen reformieren. | |
Die derzeitige Altersgrenze von 40 Jahren bei Frauen soll angehoben werden. | |
Die Auflage, dass ein Elternteil dem Kind die ungeteilte Zeit zuwenden, | |
also seine Arbeit ganz aufgeben muss, soll abgeschafft werden. Beide | |
Forderungen seien zwar nur Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der | |
Landesjugendämter, aber sie wirkten wie klare Grenzen, sagte Schröder. | |
"Aber diese Regeln sind anachronistisch – da hat man nicht Schritt gehalten | |
mit den Entwicklungen der letzten Jahre." | |
Möglichkeiten, die Gesetze an die Realität anzupassen, hätte das | |
Ministerium schon bald. Am 6. Juni debattiert der Rechtsausschuss des | |
Bundestags zum Thema Adoption. "Das Interesse ist groß," sagte ein Referent | |
der Grünen-Bundestagsfraktion. Der Sportausschuss musste deswegen, so der | |
Grünen-Referent, dem Rechtsausschuss die eigentlich ihm zuwiesenen | |
Räumlichkeiten überlassen. | |
9 May 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.bmj.de/DE/Buerger/gesellschaft/Lebenspartnerschaft/erbschaftsste… | |
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