# taz.de -- Folgen der Volkszählung: Viele Verlierer | |
> Nach der Bevölkerungsinventur drohen Stadtstaaten und Kommunen | |
> Einnahmeverluste in Millionenhöhe - weil Karteileichen nicht mehr zählen. | |
Bild: Den Markt kriegen sie noch voll in Bremen, zumindest am Nationalfeiertag … | |
HAMBURG taz | Wie viele sind wir? "Das wichtigste Ergebnis wird die | |
Ermittlung der aktuellen Einwohnerzahl in der Bundesrepublik, aber auch den | |
Ländern, Städten und Gemeinden sein", kündigt der Vorstand des für Hamburg | |
und Schleswig-Holstein zuständigen Statistikamtes, Helmut Eppmann an. Der | |
Statistik-Chef erinnert daran, dass nach der Volkszählung 1987 die | |
Einwohnerzahl der damaligen Bundesrepublik schon einmal nach unten | |
korrigiert werden musste. | |
Das dürfte sich wiederholen: Die Statistiker gehen - auch aufgrund der | |
Mikrozensus-Ergebnisse von 2001 - davon aus, dass in Deutschland 1,3 | |
Millionen Menschen weniger leben, als angenommen - 80,5 statt 81,8 | |
Millionen. Der Hauptgrund sind Karteileichen, die sich an ihrem alten | |
Wohnort nicht abgemeldet haben und nun doppelt gezählt werden. | |
Die erwartete Korrektur nach unten wird Folgen haben: Die amtliche | |
Einwohnerzahl, die nun per Zensus ermittelt wird, hat Einfluss auf den | |
kommunalen Finanzausgleich und den der Länder und auf alle auf die | |
Einwohnerzahl bezogenen Bundeszuschüsse - ein Resultat, das sich in Euro | |
und Cent ausdrückt. | |
Wo mehr Einwohner leben als angenommen, gibt es mehr Geld, wo es weniger | |
Menschen gibt, wird gekürzt - und das dürfte die Mehrheit der Länder und | |
Kommunen sein. | |
So fürchtet etwa Hannover, dessen amtliche Einwohnerzahl derzeit bei | |
522.734 liegt, durch die Bevölkerungsinventur Einwohner zu verlieren. Wenn | |
die Landeshauptstadt künftig nicht mehr als Halbmillionen-Metropole | |
durchgehe, müsse sie "Einnahmeverluste von mehreren Millionen Euro" | |
hinnehmen, sagt Stadtkämmerer Marc Hansmann. | |
Auch Schleswig-Holstein ist zensusgebeutelt. Bereits nach der bislang | |
letzten Volkszählung 1987 wurde auch hier die Einwohnerzahl um 58.000 nach | |
unten korrigiert. Die Folge: Das Bundesland verlor in den Jahren 1987 und | |
1988 Zahlungen von insgesamt 159 Millionen Mark. | |
Während Niedersachsen im selben Zeitraum nur 16 Millionen Mark einbüßte, | |
konnten sich Hamburg und Bremen über Mehreinnahmen von 97 beziehungsweise | |
34 Millionen Mark freuen. Doch diesmal dürften auch sie bluten: Die | |
Vorabtests der Statistiker zeigten eine Karteileichen-Quote zwischen fünf | |
und sechs Prozent für Hamburg - mehr als doppelt so viel wie im | |
bundesweiten Durchschnitt. | |
In dieselbe Richtung gehen die Prognosen für Bremen: Dessen derzeit | |
amtliche Einwohnerzahl dürfte um rund 13.000 Einwohner überzeichnet sein, | |
sagt der Leiter des Statistischen Landesamts Jürgen Wayand. Der notorisch | |
klamme Bremer Haushalt könnte deshalb nach dem Zensus noch tiefer in die | |
roten Zahlen rutschen, die Bremer müssten dann mit weiteren Sparmaßnahmen | |
rechnen. | |
13 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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