# taz.de -- SPD-Politiker Andy Grote zu den Esso-Häusern: "Verdrängt wird nie… | |
> An den Esso-Häusern am Spielbudenplatz scheiden sich die Geister. Ein | |
> Gespräch mit Andy Grote über Sozialwohnungen, Glaskästen und den Wandel | |
> auf dem Kiez. | |
Bild: Vorne oll, hinten hoch hinauf und toll: Blick auf die Esso-Häuser und Te… | |
taz: Herr Grote, Abriss- und Neubau haben Gentrifizierung befördert. Und | |
jetzt glauben Sie, im Fall der Esso-Häuser mit der gleichen Strategie alles | |
richtig zu machen? | |
Andy Grote: Bei fast keinem anderen Bauvorhaben haben wir die Situation, | |
dass wir mit dem Investor eine Vereinbarung treffen mit der alle jetzigen | |
Bewohner günstige Ersatzwohnungen in der Nähe und alle ein Rückkehrrecht in | |
die neuen preisgünstigeren Sozialwohnungen bekommen. Das ist ja gerade eine | |
Reaktion und eine neue Strategie der Politik im Umgang mit den | |
Entwicklungen auf St. Pauli. | |
Sie wollen also den Neubau. | |
Die Wohnungen sind in einem schlechten Zustand. Und für 100 neue | |
Sozialwohnungen nehme ich auch freifinanzierte Wohnungen in Kauf. | |
Aber viele hängen doch am Gebäudeensemble mit der Kiez-Tankstelle. | |
Das kann ich verstehen, weil das Neubauvorhaben eine große Veränderung für | |
den Stadtteil mit sich bringt. Vieles hat sich bereits nachteilig | |
verändert, und das wird sehr skeptisch gesehen. Man kann aber einen | |
60er-Jahre-Bau, an dem jahrelang nichts gemacht wurde, auch nicht so stehen | |
lassen, das führt zum Verfall. Eigentlich handelt es sich bei den | |
Esso-Häusern um eine ahistorische und für St. Pauli untypische Bebauung. | |
Und wie soll sich St. Pauli Ihrer Meinung nach entwickeln? Zu einem zweiten | |
Las Vegas? | |
Nein, es kommt drauf an, was da entsteht und wie man es steuert. Über den | |
Bebauungsplan haben wir ja Einflussmöglichkeiten. Aber St. Pauli ist immer | |
der klassische Vergnügungsstadtteil gewesen mit seiner Mischung aus | |
Wohnungen und Gewerbe, Entertainment, Rotlicht und Kultur. Und das spiegelt | |
sich an diesem Grundstück. Dabei müssen Akzente für Nutzungen gesetzt | |
werden, um Negativentwicklungen wie Kioske, Sex-Shops, Billigtrinkhallen, | |
Ketten und Discounter zu verhindern. Und die jetzigen Nutzer sollen | |
bleiben. Das Hundertmark, das Herz von St. Pauli und natürlich das Molotow | |
- der kulturell wertvollste Nutzer für den Stadtteil. | |
Aber auch die Betreiber des Molotows sind gegen den Abriss. | |
Die Nutzer des Gebäudes würden es lieber so lassen, wie es ist. Aber wenn | |
das Gebäude so nicht mehr zu erhalten ist, dann gibt es natürlich auch das | |
Interesse, an dem Standort bleiben zu können. | |
Soll da der nächste Glasbau hochgezogen werden? | |
Ich will auch keine gesichtslose Investoren-Allerweltsarchitektur. Ich | |
glaube, wir müssen die Bebauung individuell auf St. Pauli zuschneiden. Es | |
soll zum Ort mit all seinen Brüchen passen. | |
Die öffentliche Bindung läuft nur für begrenzte Zeit und gleichzeitig wird | |
der Immobilienwert gesteigert. | |
Auf St. Pauli steigert sich der Wert der Grundstücke sowieso laufend. Im | |
Moment alleine aufgrund der Lage. 15 Jahre sind auf jeden Fall eine | |
stabilere Absicherung, als das, was ich da jetzt auf dem Gelände habe. | |
Sie wollen da aber auch mehr Wohnungen für Besserverdienende schaffen. Das | |
heißt Gentrifizierung. | |
Ich würde auf zusätzliche frei finanzierte Wohnungen dort auch gerne | |
verzichten. Aber verdrängt wird niemand, es kämen nur neue Bewohner dazu. | |
Wir müssen das an der Stelle vielleicht in Kauf nehmen. Es kann auch ein | |
Beitrag zur sozialen Mischung sein, dann wäre es aber besser, dieser Anteil | |
würde durch eine Genossenschaft realisiert. | |
Warum nicht nur Sozialwohnungen? | |
In der Stadtentwicklungspolitik und in der Wohnungspolitik kann ich meine | |
Wünsche und Ziele nicht 100-prozentig durchsetzen. Es ist nicht so, dass | |
die Politik entscheiden kann, dass ab heute zwei Jahre lang nur noch | |
Sozialwohnungen gebaut werden. Die Stadt baut die Wohnungen ja nicht, und | |
es sind meistens auch keine städtischen Grundstücke. | |
Aber dann bleibt Ihre wohnungsbaupolitische Perspektive an die | |
Verwertungslogik geknüpft. | |
Im Gegenteil, wir versuchen einen Neuanfang in der Wohnungspolitik, aber | |
den können wir nicht ohne die privaten Wohnungsunternehmen machen. Auf | |
privaten Grundstücken ist der Einfluss nun mal begrenzt. Wir können aber | |
dafür sorgen, dass wieder Wohnungen gebaut werden - auch viele preiswerte. | |
22 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
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Hamburg | |
St. Pauli | |
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