# taz.de -- Berliner Linkspartei-Chef über Israel-Kritik: "Die Grenze übersch… | |
> Klaus Lederer, Linkspartei-Chef in Berlin, kritisiert antiisraelische | |
> Neigungen in seiner Partei. Und er warnt davor wie die Union gleich von | |
> Antisemitismus zu sprechen. | |
Bild: "Es ist bei manchen in der Linken eine Obsession, Menschenrechtsverletzun… | |
taz: Herr Lederer, ist die Linkspartei unaufhaltsam auf dem Weg, eine | |
antisemitische Partei zu werden, wie es die Autoren Samuel Salzborn und | |
Sebastian Voigt in einem Thesenpapier behaupten? | |
Klaus Lederer: Das ist Quatsch. Antisemitismus ist ein Problem der gesamten | |
Gesellschaft - kein besonderes der Linken. | |
Die Union hält diese Thesen für so bedeutend, dass sie sogar im Bundestag | |
darüber debattiert hat. | |
Das soll die Partei Die Linke als Ganzes treffen. Ich halte nichts davon, | |
Antisemitismus für Parteienstreit zu instrumentalisieren. Es bringt auch | |
nichts, wie es die Union tut, das Verhältnis zu Israel und Antisemitismus | |
in einen Topf zu werfen. Und ich denke, viele Mitglieder jüdischer | |
Gemeinden in Deutschland wissen, auf wen sie sich verlassen können, wenn es | |
darum geht, Nazis oder Geschichtsrelativismus entgegenzutreten - auf uns. | |
Also hat die Linkspartei gar kein Problem mit Antisemitismus? | |
Doch, wir sind ja Teil dieser Gesellschaft. Wo etwa Boykottaufrufe gegen | |
israelische Waren erhoben werden, ist die Gefahr groß, antisemitische | |
Muster zu bedienen. | |
In Bremen will sich die Linkspartei nicht von einer Aktion distanzieren, | |
die zum Boykott israelischer Waren aufruft. Sie unterstützt diese Aktion | |
nicht, hält sie aber für ein legitimes Mittel. Berührt das Antisemitismus, | |
weil es die Assoziation "Kauft nicht bei Juden" aufruft? | |
Die Bremer Genossen haben zumindest sehr viel Mühe, zu erklären, warum | |
dieser Boykottaufruf nicht antisemitisch sei und wo die Grenze genau | |
verläuft. Damit sitzt man in der Falle. Die ganze Debatte ist zu stark von | |
Projektionen geprägt und zu wenig von der Kenntnis des Konflikts selbst. Es | |
ist bei manchen in der Linken eine Obsession, Menschenrechtsverletzungen in | |
Israel zu kritisieren, und anderswo nicht. Die Hamas wird da schnell | |
vergessen. | |
Bei der Linksparteipolitikerin Christine Buchholz, die zu der | |
trotzkistischen Gruppe Marx 21 gehört, klingt die Kritik an der Hamas ganz | |
sanft, an Israel immer hart. Ist das nur einseitig und überzogen, - oder | |
bedient dies antisemitische Klischees? | |
Man muss mit dem Begriff Antisemitismus vorsichtig sein, oft geht er an der | |
Sache vorbei. Lieber mehr Zwischentöne als Schwarz-Weiß. Aber wenn | |
Bundestagsabgeordnete einen Schal tragen, der den Nahen Osten ohne Israel | |
zeigt... | |
...wie die Linke Inge Höger... | |
.. oder kritiklos Organisationen wie die Hamas loben, dann muss die Partei | |
Die Linke klar sagen: Das geht nicht, hier ist die Grenze überschritten. | |
Also: Wir müssen diese Debatte wirklich führen - aber wer einfach nur | |
"Antisemitismus" brüllt, verhindert genau diese Diskussion. | |
Die Union und FDP fordern, das die Linkspartei ihr Verhältnis zu Israel | |
klären muss. Muss sie? | |
Durch Auschwitz wurde Israel zur Notwendigkeit. Ohne die Shoa zu bedenken, | |
kann keine emanzipatorische Position zum Nahostkonflikt bestehen. Schon die | |
Behauptung, man dürfe Israel nicht kritisieren, ist schlicht dummes Zeug | |
und Ressentiment. Ich wünschte mir, dass dies die Haltung der ganzen Partei | |
wäre. Eine besinnungslose Identifikation mit israelischer | |
Regierungspolitik, wie sie die Union einfordert, ist aber genauso | |
kurzsichtig wie die blinde Identifikation mit den Akteuren auf | |
palästinensischer Seite. Darum kann es nicht gehen. | |
26 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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