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# taz.de -- Bisher zehn Tote durch Ehec: Bauern beklagen Riesenschäden
> Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner hält an ihrer Warnung vor dem
> Verzehr von Rohkost fest, und die Ärzte weisen Panikmache-Vorwürfe
> zurück. Die Zahl der Toten ist derweil auf zehn gestiegen.
Bild: Werden tonnenweise auf den Müll gekippt: deutsche Gurken.
BERLIN dpa/rtr | Der gefährliche Darmkeim Ehec breitet sich in Europa aus.
120 aus Spanien kommende und möglicherweise verseuchte Biogurken wurden in
Tschechien aus den Regalen der Lebensmittelläden genommen. Nach Angaben der
tschechischen Landwirtschafts- und Lebensmittelaufsicht gingen Gurken aus
derselben Lieferung der spanischen Betriebe, die über deutsche Großhändler
bezogen wurde, auch nach Österreich, Ungarn und Luxemburg.
Österreich startete eine Rückrufaktion für die Gurken aus Spanien. Der
Rückruf betreffe neben einer geringen Anzahl an Gurken auch Tomaten und
Auberginen des spanischen Erzeugers Frunet, teilte die Österreichische
Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit mit. Da nicht
ausgeschlossen werden könne, dass das Gemüse zum Teil bereits verkauft
worden sei, rate man Verbrauchern, es bei Verdacht wegzuwerfen. Hinweise
auf Erkrankungen gab es in den betroffenen Ländern nicht.
In Schweden waren in den vergangenen zwei Wochen mehr als ein Dutzend
Menschen nach einer Infektion mit dem Ehec-Erreger ins Krankenhaus
eingeliefert worden. Sie alle waren zuvor in Deutschland. Auch in Dänemark
wurde an acht Menschen eine Infektion diagnostiziert, die mit dem
Ehec-Ausbruch zusammenhängen könnte.
## Aigner hält an Warnung fest
Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) hält wegen der
anhaltenden Erkrankungswelle durch den Darmkeim Ehec an der Warnung vor dem
Verzehr für rohe Gurken, Blattsalate und ungekochte Tomaten fest. Aigner
sagte Bild am Sonntag: "Solange es den Experten in Deutschland und Spanien
nicht gelungen ist, die Quelle des Erregers zweifelsfrei zu benennen, haben
die allgemeinen Warnhinweise für Gemüse weiterhin Bestand."
Der Höhepunkt der Ehec-Welle ist offenbar noch nicht erreicht. Die Zahl der
Krankheits- und Verdachtsfälle steigt. Wo die Ursache liegt, ist weiter
unklar. Bis zum Samstag sind dem gefährlichen Darmkeim zehn Menschen zum
Opfer gefallen. Mehr als die Hälfte der Bundesbürger verzichtet als
Konsequenz auf viele Gemüsesorten. Betroffene Bauern beklagen
Riesenschäden. Deutsche Erzeugerverbände meldeten unterdessen nach
Labortests ihre Ware "Ehec-frei". Der Hannoveraner Nierenarzt Jan Kielstein
weist die Vorwürfe der Landwirte, die Warnung vor dem Ehec-Erreger sei
übertrieben, zurück.
## Alle Tote stammen aus Norddeutschland
Deutschlandweit wurden mittlerweile mehr als 1000 bestätigte und
Ehec-Verdachtsfälle registriert. Normalerweise gibt es im ganzen Jahr etwa
900 gemeldete Infektionen mit den Bakterien. Von den zehn Toten waren neun
Opfer Frauen. Bislang stammen alle Todesopfer aus Norddeutschland.
Bundesweit schweben mehrere Menschen in Lebensgefahr.
Allein in Niedersachsen wurden bis Samstag 141 bestätigte Erkrankungen, 48
Ehec-Verdachtsfälle und 42 HUS-Fälle registriert. HUS steht für
hämolytisch-urämisches Syndrom. "Wir müssen davon ausgehen, dass die Zahl
der Schwererkrankten noch weiter steigt", sagte der Sprecher des
Sozialministeriums. Wegen Überlastungen verlegen Hamburger Kliniken
Erkrankte derzeit nach Niedersachsen. In Hamburg liegt die Zahl bei etwa
400 Patienten.
## Mediziner nutzen neue Therapie
Mediziner setzen gegen HUS inzwischen auf eine neue Behandlung. So bekommen
in der Hamburger Uniklinik Eppendorf (UKE) sechs Ehec-Infizierte mit
Komplikationen den Antikörper Eculizumab, wie UKE-Professor Rolf Stahl am
Samstag berichtete. Ärzte und Wissenschaftler aus Heidelberg, Montreal und
Paris stellten im Fachblatt New England Journal of Medicine die
erfolgreiche Behandlung von drei Kleinkindern mit diesem Antikörper vor.
Die Kinder waren im vergangenen Jahr nach Ehec-Infektionen an HUS erkrankt.
Angesichts wachsender Skepsis der Verbraucher durch die EHEC-Krise gehen
die deutschen Obst- und Gemüseproduzenten in die Offensive. Große Erzeuger
haben Stichproben ihrer Produkte testen lassen und meldeten nach
entsprechenden Laborbefunden ihr Obst und Gemüse als "Ehec-frei".
Deutschlands Bauern klagen indes über starke Absatzeinbrüche. Der Vizechef
des schleswig-holsteinischen Bauernverbands, Hans-Peter Witt, sieht
"irrsinnige Schäden". Salat sei praktisch nicht zu verkaufen, sogar bei
Erdbeeren sei der Verkauf mancherorts um 50 Prozent zurückgegangen. Dies
sei für viele Bauern existenzgefährdend.
## Nierenarzt: "Warnung keine Panikmache"
Der Hannoveraner Nierenarzt Jan Kielstein empfindet die Warnungen vor den
Ehec-Bakterien nicht als überzogen. Kritik von Landwirten an der
Informationspraxis von Behörden und Medizinern könne er nicht teilen, sagte
der Nierenspezialist von der Medizinischen Hochschule Hannover. "Es sind
natürlich alle sehr verunsichert, wie mit einer solchen Situation umzugehen
ist." Nach der Schweinegrippezeit bestehe heute der Hang zu eher
vorsichtigen Warnungen, da die Bevölkerung die Ausbreitung damals als nicht
so dramatisch wahrgenommen habe. "Daraus aber eine große Zurückhaltung zu
entwickeln, was Warnungen angeht, wäre sicherlich falsch."
Kielstein: "Ich finde es ist keine Panikmache. In dieser Zeit sind die
Menschen nur wenig empfänglich für Zwischentöne. Auch die Medien wollen
viele feine Nuancen nicht hören." Es sei aber sowohl angebracht vor dem
Verzehr von Rohkost zu warnen und die Bevölkerung aufzuklären. "Ich
wünschte mir jedoch lieber eine Kampagne gegen "Killer-Zigaretten" als
gegen "Killer-Keime"", schränkte er ein. Zudem müsse auch betont werden,
dass sich die meisten Menschen in Deutschland nicht mit Ehec infizieren
werden.
Für die gegenwärtige rasante Ausbreitung der blutigen Durchfallerkrankung
ist nach Ansicht des Experten eine Mutation im Erbgut des Bakteriums
verantwortlich. "Wir haben hier eine Art Neumutation", betonte Kielstein.
Es sei zwar nicht nachgewiesen, dass die seltene Variante die Ursache ist,
"aber immer wenn sich im Bakterium etwas messbar ändert, dann ist bis zum
Beweis des Gegenteils zu vermuten, dass dies eine Rolle spielt." Durch
Mutationen im Erbgut kann sich die Lebensdauer von Bakterien erhöhen.
29 May 2011
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