# taz.de -- Taz-Serie: Neues Soziales Bauen (Teil 5): Genosse Bauherr | |
> In der Pappelallee 44 entstehen 33 Wohnungen. Finanziert werden sie durch | |
> ihre künftigen Bewohner - als Entscheidung gegen Eigentum. | |
Bild: Entwurfszeichnung für das Genossenschaftshaus an der Pappelallee | |
Wenn Jochen Siemer über die Genossenschaft Innerstädtisch Wohnen e. G. | |
spricht, fragt er nach den Alternativen: "Warum muss es immer Eigentum | |
sein?" Im Oktober nächsten Jahres beziehen die Mitglieder ihre Wohnungen im | |
[1][Genossenschaftshaus in der Pappelallee 44] in Prenzlauer Berg. | |
Anders als die Mitglieder von Genossenschaften wie der Berolina oder der | |
Bremer Höhe sind Siemer und seine Mitstreiter sogenannte Baugenossen. Ihr | |
Modell hat den Zweck, ein einziges Haus zu errichten - das, in dem sie | |
wohnen werden. Entsprechend teuer freilich ist der Eintritt, mit dem der | |
Bau des Hauses finanziert wird: "Wir zahlen pro Quadratmeter 650 Euro", | |
rechnet Siemer vor. Dazu komme später das Nutzungsentgelt von elf Euro pro | |
Quadratmeter warm. Billig sei das nicht, räumt Siemer ein und spricht von | |
einem "Mittelschichtsprojekt". Auf lange Zeit aber werde es sich rechnen. | |
"Wenn die Baukredite in 20 Jahren abbezahlt sind, sinkt das Nutzungsentgelt | |
auf drei Euro pro Quadratmeter." Sollte er mit seiner Lebensgefährtin und | |
den beiden Kindern vorher ausziehen, bekommt Siemer die Einlage zurück. | |
Gegründet wurde die Genossenschaft von Irene Mohr, einer Architektin, die | |
sich auf neue Formen des Bauens spezialisiert hat. Mit dem Neubauprojekt | |
Leuchtturm hat sie an der Pappelallee 43 bereits 2009 ein | |
Genossenschaftshaus gebaut. Eigentümer des Grundstücks ist die Stiftung | |
Trias, die es in Erbpacht an die Genossenschaft vergibt. So soll verhindert | |
werden, dass die Bewohner ihre Wohnungen in Eigentum umwandeln können. Als | |
Mohr von einem Makler hörte, dass das Nachbargrundstück noch zu haben ist, | |
trieb sie die Bildung einer zweiten Genossenschaft voran. "Mit unseren 33 | |
Wohnungen sind wir fast dreimal so groß wie der Leuchtturm", sagt Siemer. | |
Das Modell zwischen einer planungsintensiven Baugruppe und der Architektur | |
von der Stange, die Investoren liefern, habe Potenzial. | |
Ganz ohne Gruppendynamik kommen aber auch die Baugenossen nicht aus, | |
besonders bei der Verteilung der Flächen. Wer in die Genossenschaft | |
eintritt, hat zunächst nur das Recht auf eine Wohnung, nicht aber auf eine | |
bestimmte. Wie die Wohnungen dann verteilt werden, muss ausgehandelt | |
werden. Nicht einfach, zumal jede Wohnung das gleiche Nutzungsentgelt | |
kostet. | |
Im April war Baubeginn, nun komme auf die Genossen eine neue Etappe zu, | |
sagt Siemer. "Nach der Gründung der Genossenschaft war die Stimmung heiter, | |
nun kommen die ersten Probleme." Was, wenn das Gerüst teurer wird als | |
geplant? Wo kann man sparen? "Nun sind wir Bauherren", sagt er und klingt, | |
als stehe der größte Stress erst noch bevor. | |
31 May 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.coplaner.de/planmarie/Pappelallee44/ | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
## TAGS | |
Berlin-Kreuzberg | |
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