Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- 114. Ärztetag in Kiel: Berufsverbot bei Hilfe zur Selbsttötung
> Die Bundesärztekammer will in Zukunft mit scharfen Sanktionen gegen Ärzte
> vorgehen, die Patienten beim Suizid helfen. Kritiker halten den Beschluss
> der Kammer für verfassungswidrig.
Bild: Der Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages, Jör…
BERLIN taz | Ärzte, die todkranken Patienten bei der Selbsttötung leisten,
müssen in Zukunft mit scharfen Sanktionen rechnen. Dies hat die
Bundesärztekammer auf ihrem 114. Ärztetag in Kiel beschlossen. Das Verbot
war unter den Ärztevertretern sehr umstritten.
Nach einer heftigen Debatte stimmten jedoch 166 Delegierte für den
Vorstandsantrag, 56 waren dagegen und sieben enthielten sich ihrer Stimme.
Eine Neuformulierung des Paragrafen 16 der Muster-Berufsordnung (MBO) soll
die Grauzone auflösen.
Ärzte aber, die todkranken Patienten bei der Selbsttötung Hilfe leisten,
zum Beispiel eine tödliche Substanz zu Verfügung stellen, sollen demnach
ihre Zulassung verlieren können. Damit diese Regelung gültig wird, muss sie
noch in die einzelnen Ärzteberufsordnungen der Bundesländer aufgenommen
werden.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach begrüßte den Beschluss: "Wenn Ärzte
an Sterbehilfe beteiligt sind, dann verlieren sie das Vertrauen bei der
Bevölkerung", sagte Lauterbach. Er gab jedoch zu bedenken, dass die
Vertreter beim Ärztetag nicht alle Ärzte repräsentierten. "Je progressiver
ein Arzt, desto unwahrscheinlicher, dass man ihn beim Ärztetag findet",
sagte Lauterbach.
Der Präsident der Gesellschaft für Palliativmedizin, Friedemann Nauck,
forderte auf dem Ärztetag die Stärkung von Symptomkontrolle und
Schmerzlinderung. Er zeigte sich zuversichtlich, dass weniger Patienten
nach Hilfe zur Selbsttörung fragen, wenn Ärzte mit Patienten offen über
Ängste sprechen.
"Es wird genau das Gegenteil passieren", glaubt hingegen Uwe Christian
Arnold. Der Urologe, der mehrere Jahre lang zweiter Vorsitzender von
Dignitate war, der deutschen Sektion der Sterbehilfeorganisation
"Dignitas", leistete selbst Sterbehilfe und muss sich dafür vor Gericht
verantworten.
"Der Arzt wird nicht mehr mit den todkranken Patienten über das Sterben
reden, weil er dann Sanktionen befürchtet", sagte Arnold. Und die Patienten
würden sich den Ärzten nicht mehr anvertrauen und vermehrt in die Schweiz
gehen, um zu sterben. Arnold hält den Beschluss für verfassungswidrig.
Auch die Humanistische Union (HU) kritisierte die Neufassung und kündigte
eine verfassungsrechtliche Prüfung an. Der Beschluss missachte den Willen
der Sterbenden, sagte die HU-Vorsitzende Rosemarie Will. "Wer in
ausweglosen Situationen als Arzt den Beistand verweigert, verweigert
notwendige professionelle Hilfe."
2 Jun 2011
## AUTOREN
Martin Rank
Martin Rank
## TAGS
Berufsverbot
## ARTIKEL ZUM THEMA
Radikalenerlass in Niedersachsen: „Einige sind innerlich zerbrochen“
Die niedersächsische Landesregierung arbeitet jetzt das Schicksal der Opfer
von Berufsverboten auf. Für den Lehrer Rolf Günther ein wichtiger Schritt,
der befriedet.
Euthanasie in den Niederlanden: Ein Ort zum Sterben
Eine "Lebensende-Klinik" will Patienten mit "aussichtslosem und untragbarem
Leiden" auf deren Wunsch im eigenen Heim töten. Es wird mit 1.000 Anfragen
jährlich gerechnet.
Mediziner über die Pflicht zur Sterbehilfe: "Ärzte sind nicht Gott"
Wenn ein unheilbar kranker Patient sterben will und dabei Hilfe braucht,
darf sein Arzt ihn nicht im Stich lassen. Das fordert der Mediziner Gerald
Wolf.
Ärzte als Sterbehelfer: "Wir dürfen nicht in den Tod behandeln"
Kranke dürfen sich selbst töten, haben aber keinen Anspruch auf die
Dienstleistung eines Arztes: Das meint der Medizinrechtler und Journalist
Oliver Tolmein.
Thema Sterbehilfe auf dem Ärztetag: Kein Tod auf Rezept
Die Ärztekammer will Medizinern künftig die Hilfe beim Suizid von Patienten
verbieten. Die Berufsordnung soll verändert werden. Bei Verstößen drohen
hohe Geldbußen.
Debatte Sterbehilfe: Der Tod kommt billiger
Als oberstes Gebot am Lebensende gilt der Patientenwille. Doch wie frei ist
der, wenn Leistungen für Todkranke verweigert werden? Wer am Leben bleiben
will, erfährt Entsolidarisierung.
Grundsätze der Bundesärztekammer: Sterbehilfe nicht mehr per se unethisch
Die Bundesärztekammer liberalisiert ihre Grundsätze zur Sterbebegleitung.
Die ärztliche Beihilfe zum Suizid wird nicht mehr grundsätzlich verurteilt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.