# taz.de -- Mediziner über die Pflicht zur Sterbehilfe: "Ärzte sind nicht Got… | |
> Wenn ein unheilbar kranker Patient sterben will und dabei Hilfe braucht, | |
> darf sein Arzt ihn nicht im Stich lassen. Das fordert der Mediziner | |
> Gerald Wolf. | |
Bild: Gibt es ein Recht auf den Tod? | |
taz: Herr Wolf, die Aufgabe von Ärzten ist, Menschen zu heilen. Warum | |
sollten sie sich an der Tötung von Kranken beteiligen? | |
Gerald Wolf: Es geht hier nicht um Tötung, sondern um Beihilfe zur | |
Selbsttötung. Das ist ein Riesenunterschied. | |
Ja, aber am Ende ist der Patient tot - dank ärztlicher Beihilfe. | |
Ärzte sind nicht Gott. Der Heilung von Menschen, die unbestritten das | |
oberste Gebot für ärztliches Handeln ist, sind Grenzen gesetzt. Grenzen, | |
die in der Natur der Erkrankung liegen und dem derzeitigen | |
Entwicklungsstand geschuldet sind. Wenn ein Arzt erkennt, dass ein Patient | |
unheilbar krank ist, eine palliativmedizinische Behandlung ablehnt und nach | |
offenkundig reiflicher Überlegung den Wunsch äußert, dieses Leben nicht | |
mehr fortsetzen zu wollen, dann darf dieser Arzt seinen Patienten nicht im | |
Stich lassen. | |
Sondern muss ihm den Wunsch erfüllen? | |
Es kann in dieser Frage keinen Zwang oder gar Automatismus geben. Aber ein | |
Arzt, der seinen Patienten gut kennt, der weiß, dass der Patient seinen | |
Sterbewunsch frei verantwortlich, klar und nachhaltig geäußert hat, ihn | |
sich aber unmöglich selbst erfüllen kann: Dieser Arzt muss zumindest | |
abwägen dürfen, ob er ärztliche Beihilfe für geboten hält. | |
Warum? | |
Ansonsten, das zeigt die Praxis, gehen diese Patienten mitunter Wege, die | |
Grausamkeit gegen sich selbst bedeuten mögen. In ihrer Verzweiflung setzen | |
sie etwa Angehörige unter Druck und bringen sie so in einen fürchterlichen | |
moralischen Konflikt. Oder sie versuchen, sich selbst zu töten und | |
schrecken selbst vor dem Messer nicht zurück. Wenn dies dann misslingt, | |
bedeutet das für ihr Weiterleben zusätzliche Qualen. Deswegen sage ich: Das | |
Recht des Patienten, vor der Zeit auszusteigen, ist ein wichtiges | |
Rechtsgut, das nicht ignoriert werden kann. | |
Die Bundesärztekammer will Ärzten diese Beihilfe aber verbieten, weil der | |
Tod nun mal keine ärztliche Leistung sei. Irrt sie? | |
Es wird damit der Versuch unternommen, das Gewissen von Ärzten zu | |
normieren. Jeder, der sich erlaubt, in einer so bedeutsamen Frage | |
vorschnell ein Urteil zu fällen, sollte bedenken, dass er in ein paar | |
Jahrzehnten genau in der gleichen Situation sein könnte - in seinem | |
Sterbewunsch von ärztlicher Beihilfe abhängig zu sein, damit aber allein | |
gelassen zu werden. | |
Indem Sie den ärztlich assistierten Suizid für akzeptbabel erklären, nehmen | |
Sie Druck aus der Debatte, die palliativmedizinische Versorgung zu | |
verbessern: Schnelles Sterben kommt billiger. | |
Ich sehe eine andere, größere Gefahr: Wird ein striktes berufsrechtliches | |
Verbot aussprechen, Geldbußen und Approbationsentzug inklusive, dann | |
befördern wir den unwürdigen Selbsttötungstourismus in Richtung Schweiz | |
oder Niederlande. Wir liefern die Sterbewilligen damit Organisationen aus, | |
die an der Tötung auf Wunsch auch noch verdienen. | |
1 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |