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# taz.de -- Hamburger Kliniken droht Notstand: "Schönes Plasma"
> Um einen vom HUS-Syndrom betroffenen Patienten zu therapieren, werden 100
> Plasma-SpenderInnen gebraucht. In Hamburg melden sich nach einem Aufruf
> hunderte Freiwillige.
Bild: Öffentlichkeitswirksam und mit gutem Beispiel: Bürgermeister Olaf Schol…
HAMBURG taz | Mitten in der Innenstadt, zwischen Modeläden und Straßencafés
auf der Spitalerstraße, wartet eine unscheinbare Glastür mit der Nummer
acht auf die Lebensretter von Hamburg. Hier geht es zum Blutspendedienst,
Geschäftsstelle City. Im Wartezimmer sind die Stühle besetzt, und die roten
Klemmbretter mit den Anmeldebögen wandern von Hand zu Hand. Zwei Schwestern
sitzen bereit, um jede Spenderin und jeden Spender in einem Gespräch auf
gesundheitliche Kriterien zu prüfen.
"Normalerweise ist es hier nicht so voll", meint Jan Schliephacke, 31, der
gerade seine Diplomarbeit schreibt. Aber jetzt, nachdem in Hamburger
Krankenhäusern insgesamt 668 Ehec-Infizierte Patienten und Patientinnen
liegen, 124 das gefährliche hämolytisch-urämische Syndrom aufweisen und 3
Patienten verstorben sind, droht den Kliniken das Blutplasma auszugehen.
Nach einem Aufruf der Krankenhäuser und des Hamburger Bürgermeisters Olaf
Scholz melden sich täglich bis zu 160 Spender in der Geschäftsstelle, in
ganz Hamburg sind es pro Tag durchschnittlich 700 Blutspender.
Er ziehe es vor, zu stehen, denn nach der Blutabnahme erwarte ihn
schließlich noch eine Stunde Liegezeit, sagt Jan Schliephacke. Im
Abfragebogen auf seinem Klemmbrett hat er angegeben, ob er in den letzten
Wochen Fieber hatte, Antibiotika genommen hat oder ein Tattoo hat stechen
lassen. Nur wenn die Kreuze an der richtigen Stelle sind, darf er spenden.
## Schonende Methode
Dann darf auch Schliephacke zum Tresen auf der anderen Seite des
Wartezimmers gehen. Hinter dem Tresen kontrolliert eine Schwester erst
seinen Fragebogen, dann pikst sie in seinen Finger, um den Eisenwert zu
prüfen, und misst den Puls. Er ist Dauerspender, seit seiner Jugendzeit bei
der Freiwilligen Feuerwehr. In Hamburg hat er sich entschlossen, auch
Plasmaspenden zu machen. Dabei wird nur ein Teil des Blutes, das
Blutplasma, abgenommen, die roten Blutkörperchen fließen zurück.
Diese Methode ist schonender für den Körper, deshalb darf öfter gespendet
werden. Die letzten Wochen hatte er aber kaum Zeit und ließ die Termine
"etwas schleifen". Als er von dem Aufruf der Uniklinik Hamburg-Eppendorf
(UKE) hörte, "da dachte ich, jetzt musst du auch mal wieder".
Die Nachfrage beim Blutspendedienst Hamburg schnellte auf das Zehnfache in
die Höhe, sagte der Ärztliche Leiter Lutz Schmidt. Normalerweise gingen bei
ihnen 60 Blutplasmen pro Tag weg, derzeit seien es 600 bis 800. "Jeder
Patient braucht 12 bis 15 Plasmen." Durchschnittlich 100 SpenderInnen
werden sogar gebraucht, um einen der besonders schwer betroffenen
HUS-Patienten zu versorgen.
Eine knappe halbe Stunde später liegt Schliephacke auf einer Liege, die an
einen Zahnarztstuhl erinnert, in seinem linken Unterarm steckt eine Kanüle.
Der Apparat, in den das Blut fließt, trennt Plasma und rote Blutkörperchen.
Das Plasma wird in einem Beutel gesammelt, und das Restblut wandert in
einen Extrabehälter der Zentrifuge, damit es in Abständen zurückgepumpt
werden kann. Das fühle sich kalt an, meint Schliephacke. "Sie haben aber
ein schönes Plasma", sagt eine der Schwestern, als sie vorbeikommt, um
seine Werte zu kontrollieren. Dabei schaut sie auf die hell gelbliche
Substanz, die dickflüssig im Beutel schwimmt.
## Mehr NeuspenderInnen
"Die Resonanz nach dem Aufruf ist sehr hoch", sagt auch Leonor Nicolás, 59,
die als Ärztin beim Blutspendedienst arbeitet. Vor allem die Zunahme der
NeuspenderInnen freue sie. "Ich bin gerührt, ohne Blutspender könnten viele
Infizierte gar nicht behandelt werden", lobt sie das Engagement. Jens
Hiller, stellvertretender Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin am
UKE, ist überrascht, wie geduldig die Menschen auf die Abnahme ihrer Spende
warten. Teilweise hätten die Leute über eine Stunde warten müssen, weil der
Andrang so groß war. Obwohl er sich über die Bereitschaft freue, merkt er
aber an: "Es ist auch schade, dass erst ein Unglück passieren muss, damit
für viele ein Anlass zur Spende besteht."
Nach einer knappen Stunde ist Schliephacke mit der Entnahme fertig. Zurück
im Wartezimmer, kann er etwas trinken und eine Kleinigkeit, Joghurt oder
Kekse, essen, damit der Kreislauf stabil bleibt. Seine Spende geht aber
nicht direkt zu den Patienten. Für Plasma ist zunächst eine Quarantänezeit
von vier Monaten vorgesehen, um sicherzugehen, dass keine Viren unentdeckt
bleiben.
Die sammeln sich vornehmlich im Plasma an und deshalb wird dies erst
freigegeben, wenn die Spender erneut kommt und die Tests auf HIV und
Hepatitis immer noch negativ sind. "Es ist aber wichtig, dass jetzt
gespendet wird, damit wir die Versorgung auch in Zukunft sicherstellen
können, wenn die jetzigen Vorräte aufgebraucht sind", sagt Hiller. "Und wir
wissen ja noch nicht, wie sich die Ehec-Situation entwickelt."
Für Jan Schliephacke ist das Spenden ganz selbstverständlich. Über die
Aufwandsentschädigung, die je nach Blutgruppe zwischen 15 und 25 Euro
beträgt, freut er sich, beim DRK spendet er aber auch kostenlos, denn:
"Blut kann nur von Menschen gespendet werden, niemand kann es produzieren."
5 Jun 2011
## AUTOREN
Viviane Petrescu
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