# taz.de -- Haltbarkeit von Blutkonserven: Eiweißschwamm für Zerfallsstoffe | |
> Das Protein Haptoglobin verlängert die Nutzungsdauer von Blutkonserven. | |
> Nach der Transfusion schützt es Gefäßwände und Nieren. Für die Forschung | |
> ist es eher unattraktiv. | |
Bild: Da frisches Blut nicht stets bereit gehalten werden kann, wird es bis zu … | |
Seit über einem Jahrhundert bietet sich bei hohen Blutverlusten infolge | |
einer Operation oder eines Unfall die Bluttransfusion als lebensrettende | |
Methode der Wahl. Schon seit Jahrzehnten ist aber auch bekannt, dass diese | |
Maßnahme – bei sehr hohen Blutverlusten – manchmal zum Tode des Patienten | |
führt, zum Beispiel durch Nierenversagen. | |
Seit etwa fünf Jahren wissen Ärzte es genau: Ebenso wie die Möglichkeit von | |
Organschädigungen überhaupt, steigt dieses Risiko mit dem Alter der | |
verwendeten Blutkonserven. Da frisches Blut nicht stets bereit gehalten | |
werden kann, wird es bis zu 42 Tage lang gelagert. | |
In diesem Monat publizierte ein transatlantisches Wissenschaftlerteam unter | |
der Leitung von Dominik Schaer, Professor an der Klinik für innere Medizin | |
des Universitätsspitals Zürich, und Paul Buehler von der US-Food and Drug | |
Administration (FDA) in Bethesda, USA, in der Aprilausgabe der | |
US-Zeitschrift Journal of Clinical Investigation eine gemeinsame Studie, | |
welche Licht auf die Ursachen für dieses medizinische Dilemma wirft. | |
Gleichzeitig benennen sie eine rettende Substanz, das körpereigene | |
Bluteiweiß Haptoglobin. Das Protein hat sich während unserer Evolution als | |
Schutzstoff gegen Krankheiten wie Malaria herausgebildet, bei denen | |
toxische Zerfallsprodukte des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin entstehen. | |
## Immunologischer Stress | |
Länger lagernde Blutkonserven enthalten viel mehr ältere, zerbrechliche | |
rote Blutkörperchen. Nach dem Eintritt in den fremden Organismus des | |
Spendenempfängers werden sie durch den physikalischen und immunologischen | |
Stress dort leicht beschädigt und setzen das schädliche Hämoglobin frei. | |
Die Milz und die Leber vertilgen im Alltag eines Menschen alle alten | |
Blutkörperchen mit ihren Fresszellen. Nun aber sind sie überfordert. Das | |
Hämoglobin gelangt in Gefäßwände und in die Nieren und beginnt sie zu | |
zerstören. Bei seinen Transfusionsversuchen mit älterem Blut bei | |
Meerschweinchen, beobachtete das Forscherteam genau diese Komplikationen. | |
Sie blieben aber aus, sobald man den Tieren gleichzeitig aus Blutplasma | |
gewonnenes, gereinigtes Haptoglobin verabreichte. „Es bindet im | |
Blutkreislauf das Hämoglobin wie ein Schwamm, und das entstandene Molekül | |
ist zu groß, um in die Nieren zu gelangen. Es wird schließlich wieder zur | |
Leber geleitet und dort später unschädlich gemacht“, erklärt Dominik | |
Schaer. | |
## Für die gewinnorientierte Industrie „weniger interessant“ | |
Der Wissenschaftler ist optimistisch: „Wir haben eine Möglichkeit gefunden, | |
die nicht nur für die Notfallmedizin, sondern auch in Zeiten von | |
Blutkonservenmangel von immenser Bedeutung sein könnte.“ Aber er findet | |
auch einen Wermutstropfen: Haptoglobin sei nämlich ein „Uraltprotein“ für | |
die Forschung. | |
„Es wurde schon in den 1970er Jahren intensiv beforscht“, berichtet Schaer: | |
„Aber erst vor wenigen Jahren haben wir dank eines experimentellen Zufalls | |
seine große Schutzwirkung beobachtet. Die Kehrseite: Für solch alte | |
Wirkstoffe kann kein Patentschutz geltend gemacht werden. Dadurch ist die | |
rasche Entwicklung eines Therapeutikums für die gewinnorientierte Industrie | |
unter Umständen weniger interessant.“ | |
19 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Barbara Kerneck | |
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