# taz.de -- Unruhe in Burundi: Ein Land im Rückwärtsgang | |
> Offiziell ist Burundi ein "Post-Konflikt-Staat", in dem die | |
> jahrzehntelangen Kriege überwunden sind. Doch es sind neue Rebellen | |
> aktiv, die Armut nimmt zu. | |
Bild: Da sah alles noch friedlich aus: Wahl im Sommer 2010. | |
BUJUMBURA taz | Die Straße windet sich steil nach Bugarama hoch, an der | |
Wasserscheide zwischen Nil und Kongo. An jeder Windung sieht man Soldaten | |
auf Patrouille, die Waffe entsichert in der Hand. | |
Zurück in der Hauptstadt Bujumbura, auf dem Weg in ein Restaurant, umgeben | |
von barocken Statuen des burundischen Sicherheitschefs Adolphe | |
Nshimirimana, werden alle Fahrzeuge von Sicherheitskräften durchsucht. Die | |
belgische Botschaft rät, nach 16 Uhr nachmittags nicht auf die Straße zu | |
gehen. | |
Das ist Burundi heute, ein knappes Jahr nach der friedlichen Wiederwahl von | |
Präsident Pierre Nkurunziza. Offiziell ist der kleine Nachbar Ruandas ein | |
"Post-Konflikt-Staat", in dem die jahrzehntelangen Kriege zwischen Hutu und | |
Tutsi, die hunderttausende Todesopfer forderten, überwunden sind und | |
Frieden eingekehrt ist. Daran hält sich auch der offizielle Sprachgebrauch. | |
Als Bauern in der Provinz Muvinga vor zwei Monaten 13 Leichen im | |
Ruvubufluss fanden, manche in Säcken, andere mit auf dem Rücken gefesselten | |
Händen, sprach die Polizei von einem "Streit zwischen Jägern". | |
Aber dann schossen Unbekannte auf die Benzinlager am Busbahnhof von | |
Bujumbura, eine Granate explodierte in einem Stammlokal der | |
Regierungspartei CNDD (Nationalrat zur Verteidigung der Demokratie) und | |
tötete vier Menschen. Als die CNDD noch Burundis größte Hutu-Rebellenarmee | |
war und gegen die jahrzehntelang regierenden Tutsi-Militärs kämpfte, | |
nannten sich ihre Kämpfer "Abagumyabanga" - "diejenigen, die Geheimnisse | |
wahren können". Kein Wunder, dass sie ungern über die Krise in ihrem Land | |
reden. | |
## Neue bewaffnete Rebellion | |
Das offene Geheimnis sprach schließlich Verteidigungsminister Pontion | |
Gaciyubwenge aus. Es gebe eine neue bewaffnete Rebellion in Burundi, sagte | |
er im Mai der Zeitschrift Iwacu. Urheber seien Agathon Rwasa, Führer der | |
einst radikalsten Hutu-Guerilla FNL (Nationale Befreiungsfront), der sich | |
vor einem Jahr in den Kongo absetzte, sowie Leonard Nyangoma. | |
Burundis Armee bestätigt, dass es im Rukokowald, an der Grenze zur | |
Demokratischen Republik Kongo regelmäßig Gefechte gibt, an denen viele | |
Parteien teilnehmen: Rwasas FNL-Rebellen, Kongos Armee, ostkongolesische | |
Milizen und die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur | |
Befreiung Ruandas), die im Ostkongo ihre Basis hat. Es soll ein informelles | |
Abkommen geben, das es Kongos Armee erlaubt, in Burundi solche Gruppen zu | |
jagen. Burundi sei seinerseits bereit, im Kongo zu intervenieren, sagte der | |
Minister. | |
Präsident Pierre Nkurunziza, ehemals CNDD-Rebellenführer, spielt lieber | |
Fußball, als zu regieren, lästert ein pensionierter Politiker. Für einen | |
Staatsjob ist ein Mitgliedsausweis der Regierungspartei Pflicht, Karriere | |
im Staatsdienst verläuft parallel zur Karriere in der Partei. Unzählige | |
kompetente Beamte, Tutsi wie Hutu, haben sich deshalb ins Ausland oder in | |
den Privatsektor zurückgezogen. Internationale Kritik an Nkurunziza gibt es | |
jedoch nicht. | |
Weil Burundi 4.500 Soldaten für die AU-Eingreiftruppe in Somalia stellt und | |
dort 40 Mann im Kampf gegen Islamisten verloren hat, genießt der Präsident | |
eine Art Immunität bei UNO und USA, sagt ein burundischer Exdiplomat. Als | |
die Regierungspartei am 14. Mai ihr neues Hauptquartier einweihte, kamen | |
alle ausländischen Diplomaten zur Feier im Stadtteil Ngagara. Das Gebäude | |
kostete 15 Millionen Dollar, ein Fünftel der jährlichen Einnahmen aus dem | |
Kaffeeexport, Burundis wichtigstem Devisenbringer. Die Kaffeeernte hat | |
mangels Investitionen auf die Hälfte abgenommen. | |
Nie waren auf dem zentralen Markt der Hauptstadt und dem | |
Unabhängigkeitsplatz im Stadtzentrum so viele zerlumpte Bettler und | |
Straßenkinder zu sehen wie heute. Und noch nie fuhren auf den Straßen so | |
viele Luxusgeländewagen. Die Bevölkerung nennt sie "Gesundheitszentren". | |
Denn jedes dieser Autos kostet so viel, wie solch ein Zentrum draußen auf | |
dem Land kosten würde, weshalb auch keins gebaut wird. | |
10 Jun 2011 | |
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Michel Temer | |
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Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
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