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# taz.de -- Sinti- und Roma-Abschiebungen: Kein Bleiberecht für Roma
> Die SPD-Mehrheit im Innenausschuss lehnt einen generellen Abschiebestopp
> für Sinti und Roma ab. Nicht einmal eine Expertenanhörung zum Thema darf
> es geben.
Bild: Vorbildlich integriert, aber ohne Perspektive unter der SPD: Die Romni Mu…
Bleiberecht abgelehnt: Gemeinsam mit CDU und FDP verwarf die regierende SPD
am Dienstag im Innenausschuss gestern einen Antrag der Linkspartei die
"Abschiebungen von Roma und Sinti in die Nachfolgerepubliken Jugoslawiens
zu stoppen".
Auch ein GAL-Antrag, die Rückführung beider Volksgruppen für ein halbes
Jahr auszusetzen und eine politische Initiative für eine bundesweite
Regelung zu starten, fand bei der SPD keine Zustimmung.
Selbst eine Expertenanhörung zum Thema lehnten die Sozialdemokraten ab.
"Wir werden in Hamburg jeden Einzelfall prüfen, aber wir haben nicht die
Absicht eine Generalregelung zu verabschieden", begründete SPD-Innensenator
Michael Neumann die Blockade seiner Partei. Für die betroffenen rund 700
bis 1.000 Sinti und Roma, die in Hamburg leben, heißt das: Sie müssen
weiter zwischen Hoffen und Bangen ausharren.
Das gilt auch für Marija Kurtic, die um ein Bleiberecht für sich und ihre
Familie kämpft. Sollten sie und ihr Mann aber abgeschoben werden, würde die
Mutter notfalls sogar ihre drei in Deutschland geborenen Kinder - heute
zwölf, 15 und 18 Jahre alt - "in Hamburg zurücklassen", um ihnen die Chance
auf eine Zukunft zu geben.
2003 musste die Familie der 1991 aus Ex-Jugoslawien geflüchteten Frau
Hamburg erstmals in Richtung Serbien verlassen. Die Kinder verstanden die
Sprache nicht und konnten nicht zur Schule gehen; die ganze Familie habe
"in extremer Armut gelebt". Das wolle sie, sagt die heute 37-Jährige, ihren
Kindern nicht noch einmal zumuten. Dann schon lieber Abschied, Bruch der
Familie, "weil wir in Serbien keine Zukunft haben".
Für Birgit Sokolowski, die Leiterin der Elternschule Mümmelmannsberg, wäre
eine solche Trennung aber keine Lösung: "Es ist nicht wieder gutzumachen,
was die Seele erleidet, wenn Familien auseinandergerissen werden", sagt
sie.
Anke Burmeister, Lehrerin der benachbarten Stadtteilschule Mümmelmannsberg
schwärmt von den Sinti und Roma, die sie unterrichtet: Seit 20 Jahren sei
sie dabei, unterrichte viele Migranten, habe aber "noch nie so
integrations- und leistungsbereite Kinder" in der Klasse gehabt. Ihr Fazit:
"Hamburg müsste sich schämen, solche Familien auszuweisen."
Bestärkt werden solche Appelle etwa durch die Pastorin Fanny Dethloff,
Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche, die die Forderung nach
einem dauerhaften Bleiberecht für die Roma und Sinti unterstützt und den
Senat auffordert, "die verfehlte harte Abschiebungspolitik der vergangenen
Jahre zu korrigieren". Auch Jürgen F. Bollmann, Propst der Nordelbischen
evangelisch-lutherischen Kirche, nimmt "die drohende Abschiebung" der Roma
und Sinti "entsetzt zur Kenntnis".
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights
Watch warnen immer wieder vor einer Abschiebung von Roma und Sinti nach
Serbien, Mazedonien oder in das Kosovo. Hier würden die "Rückgeführten"
gewalttätige, oft rassistisch motivierte Übergriffe, Not und Armut
erwarten. "Wir brauchen dringend Arbeitskräfte und schicken diese Menschen
zurück ins Elend", äußert Mehmet Yildiz, Bürgerschaftsabgeordneter der
Linkspartei, sein Unverständnis für die Position der SPD.
14 Jun 2011
## AUTOREN
Marco Carini
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