# taz.de -- Pogrome in Südafrika: Vogelfrei in den Townships | |
> Eine neue Welle von Gewalt gegen Ausländer erschüttert schwarze | |
> Armenviertel. Aufgebrachte Schlägertrupps wüten in Dörfern und steinigen | |
> einen Simbabwer. | |
Bild: Simbabwer auf der Flucht ins angeblich gelobte Südafrika 2008. | |
JOHANNESBURG taz | Die Angst geht wieder um in Südafrikas Townships. Seit | |
vor drei Jahren mehr als 60 Migranten von ihren südafrikanischen Nachbarn | |
zu Tode geprügelt und ihre Häuser angezündet wurden, ist die Lage nicht | |
mehr so angespannt gewesen. In der vergangenen Woche wurde der Simbabwer | |
Godfrey Sibanda von einem hasserfüllten Mob auf seinem Weg nach Hause im | |
Township Seshego in der Stadt Polokwane umzingelt und zu Tode gesteinigt. | |
Später zogen wütende Schlägertrupps, bis zu 200 Menschen stark, durch die | |
Gemeinde und zündeten Häuser von Ausländern an. Die marodierenden | |
Südafrikaner durchsuchten Hütten mit Taschenlampen nach Simbabwern und | |
warfen Hab und Gut ihrer ausländischen Nachbarn vor die Tür. Laut Berichten | |
flohen mehr als 3.000 Simbabwer in die Büsche, um sich in Sicherheit zu | |
bringen. Rund zwanzig Familien suchten Schutz in der Polizeistation. | |
Diese Fluchtwelle in Polokwane ist seit 2008 die größte nach | |
ausländerfeindlichen Angriffen in Südafrika. In den vergangenen Jahren gab | |
es vereinzelt immer wieder Ausländergruppen, die aus Angst vor Gewalt in | |
Polizeistationen flüchteten. Erst im Mai wurden somalische Ladenbesitzer in | |
Port Elizabeth überfallen und ausgeraubt. In Soweto nahe Johannesburg | |
klagten Somalis vor wenigen Wochen, Einheimische drohten, sie zu | |
vertreiben. Einschüchterung afrikanischer Migranten durch ihre schwarzen | |
Nachbarn ist nach wie vor an der Tagesordnung in Südafrika, obwohl die | |
Regierung in den Gemeinden Aufklärungskampagnen startete, nachdem 2008 | |
Tausende von Menschen vertrieben worden waren. | |
## Steinigung für angebliche Vergewaltigung | |
In Seshego patrouillieren jetzt Polizeiwagen durch die Straßen und | |
Hubschrauber kreisen über dem Township. Zwölf Verdächtige standen gestern | |
wegen der Tötung des Simbabwers und wegen Brandstiftung vor Gericht, | |
darunter eine Gemeindeabgeordnete des regierenden Afrikanischen | |
Nationalkongresses (ANC). Godfrey Sibanda war gesteinigt worden, weil er | |
angeblich ein kleines Mädchen vergewaltigt, entführt und ermordet hatte. | |
Doch die Polizei hat für diese Vorwürfe keine Beweise vorliegen und warnte, | |
das Gesetz nicht in eigene Hände zu nehmen. | |
Der 27-jährige Christopher Manyanhaire ist mit seiner Familie zur | |
Polizeistation in Seshego geflüchtet. "Die Einheimischen beschweren sich, | |
dass Simbabwer staatliche Häuser billig von ihren Eigentümern mieten", sagt | |
der junge Mann. Aber die Südafrikanerin Paulina Makokwane meint: "Sie haben | |
kein Recht, in einem von der Regierung gebauten Haus zu leben, diese Häuser | |
sind für uns Südafrikaner." | |
200.000 Anträge auf Aufenthaltsgenehmigung von Flüchtlingen und | |
Asylsuchenden sind derzeit in Südafrika anhängig, sagt Sanda Kimbimbi, | |
Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR - die höchste Zahl der Welt. | |
Achtzig Prozent davon sind Simbabwer, der Rest kommt aus Somalia, der | |
Demokratischen Republik Kongo, Äthiopien, Burundi und Ruanda. "Wir sind | |
höchst besorgt", sagt Kimbimbi angesichts der Ausländerfeindlichkeit im | |
Land. Die Bearbeitung der Anträge dauere ewig, die Justiz arbeite zu | |
langsam. Es gelte weitgehend die Annahme, man könne Ausländer verfolgen, | |
ohne bestraft zu werden. | |
21 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Martina Schwikowski | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
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