| # taz.de -- EU-Roadmap für Klimaschutz: Rotes Licht aus Warschau | |
| > Der polnische Umweltminister verhindert die Diskussion über ein | |
| > ehrgeizigeres Klimaschutzziel. Alle anderen EU-Staaten sind dafür. Polen | |
| > übernimmt die Ratspräsidentschaft. | |
| Bild: In Polen kommt der Strom aus der Kohle: Braunkohlekraftwerk Turów an der… | |
| BERLIN taz | Der europäische Klimaschutz hat einen weiteren Dämpfer | |
| erhalten: Bei der Sitzung der EU-Umweltminister am Dienstagabend in | |
| Luxemburg hat Polen verhindert, dass die Europäische Union eine | |
| Selbstverpflichtung zu mehr Klimaschutz auch nur in Betracht zieht. Damit | |
| blockiert das Land eine Erhöhung des Reduktionsziels bis 2020 von 20 auf 25 | |
| Prozent, die von Kommission, Parlament und von den anderen 26 Staaten im | |
| Umweltrat gefordert wird. | |
| Konkret ging es um Befassung der 27 EU-Länder mit der "Klima-Roadmap", die | |
| die Kommission im März vorgelegt hat. Sie zeigte eine Strategie auf, die | |
| Treibhausgas-Emissionen der Gemeinschaft bis 2050 um 80 Prozent gegenüber | |
| 1990 zu verringern. Der erste Zwischenschritt dazu soll eine Reduktion um | |
| 25 Prozent bis 2020 sein – mehr als die 20 Prozent, die bislang geplant | |
| sind. | |
| Eine Formulierung in der Vorlage, dass die Länder "die 25 Prozent der | |
| Roadmap zur Kenntnis nehmen", war dem polnischen Umweltminister Andrzej | |
| Kraszewski nach Aussagen von Teilnehmern schon zu viel – obwohl der Bericht | |
| lange auch bei den Polen unstrittig war. | |
| Erst nach rotem Licht aus Warschau habe Kraszewski sein Veto eingelegt, | |
| hieß es. Im Gespräch mit der Financial Times forderte er dann "größere | |
| Solidarität in Europa und mehr Verständnis für die Situation einzelner | |
| Länder". Damit gibt es keinen Beschluss der Umweltminister, und das Thema | |
| wird am Donnerstag im EU-Parlament und eventuell auch auf dem EU-Gipfel der | |
| Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag debattiert. | |
| ## "Zehn gute Gründe" | |
| Aber Polen ist derzeit nicht irgendein Land: Am 1. Juli übernimmt Warschau | |
| die EU-Ratspräsidentschaft und damit auch die europäische | |
| Verhandlungsführung etwa bei den UN-Klimaverhandlungen. Ein "peinlicher" | |
| Zustand sei das, heißt es in Brüssel. Die Kommission sucht nun nach einer | |
| Formulierung, die es Polen noch erlaubt, ins europäische Klimaboot zu | |
| steigen. Für | |
| Esther Bollendorff von der Umweltorganisation Friends of the Earth stellt | |
| sich die Frage, ob Polen seine Weigerung als Faustpfand im Poker um | |
| Zuschüsse aus dem neuen EU-Haushalt einsetzt oder ob es darum gehe, die | |
| Erfüllung des EU-weiten 25-Prozent-Ziels anders auf die Mitgliedsstaaten zu | |
| verteilen. | |
| Andere Beobachter weisen darauf hin, dass Polen 90 Prozent seines Stroms | |
| aus Kohle erzeugt, die Arbeitsplätze in der Kohle wichtig sind und im | |
| Herbst Wahlen anstehen. Christoph Bals von Germanwatch ist pessimistisch: | |
| Den nächsten Anlauf zu einem 30-Prozent-Ziel werde es "wohl erst 2012 unter | |
| dänischer Präsidentschaft geben", sagt er. | |
| Sieben Umwelt- und Entwicklungs-NGOs haben "zehn gute Gründe" aufgelistet, | |
| warum die EU einseitig ihre Verpflichtung zur Reduktion auf 30 Prozent | |
| erhöhen sollte: Das bringe unter anderem eine "positive Dynamik für die | |
| Wirtschaft", senke Kosten, vermindere die Abhängigkeit von Energieimporten, | |
| bringe Einnahmen aus dem Emissionshandel und verschaffe den internationalen | |
| Klimagesprächen "Schubkraft". | |
| 22 Jun 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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