# taz.de -- Havarie auf dem Roten Meer: Flüchtlinge sterben im Feuer | |
> Der Seeweg durch den Golf von Aden und das Rote Meer gilt als tödlichste | |
> Route der Welt. Fast 200 Menschen sterben auf der Flucht nach | |
> Saudi-Arabien. | |
Bild: Mit einer Nussschale durch den Golf von Aden: somalische Flüchtlinge. | |
BERLIN taz | Fast 200 afrikanische Flüchtlinge, die aus Sudan über das Rote | |
Meer nach Saudi-Arabien reisen wollten, sind im Roten Meer ums Leben | |
gekommen. Die sudanesische Polizei bestätigte am Dienstag Berichte, wonach | |
am Sonntag 197 Menschen aus "Nachbarländern" nach einem Feuer auf ihrem | |
Boot bei der illegalen Seeüberquerung ertrunken seien. Drei seien gerettet | |
worden. | |
Im Hafen des sudanesischen Ausgangsortes Tokar nahe der eritreischen | |
Grenze, so die Angaben weiter, wurde zugleich ein weiterer | |
"Schmuggelversuch" von 247 Afrikanern vereitelt. Die vier jemenitischen | |
Besitzer des havarierten Bootes, das unter kubanischer Flagge segelte, | |
wurden festgenommen. | |
Es ist das erste Mal, dass sich ein solches Flüchtlingsdrama auf der | |
mehrere hundert Kilometer langen Seeroute von Sudan über das Rote Meer nach | |
Saudi-Arabien ereignet. Betroffen waren vor allem Somalis und Eritreer. Das | |
deutet darauf hin, dass traditionelle Fluchtrouten aus Ostafrika nach | |
Europa oder in den Nahen Osten nicht mehr zugänglich sind. Eine führt über | |
Libyen und das Mittelmeer, die andere über den Golf von Aden und Jemen. | |
Beide sind inzwischen Kriegsgebiet und werden von Flüchtlingen weiträumig | |
umfahren. | |
Die Lebenssituation am Horn von Afrika ist derzeit aufgrund einer schweren | |
Dürre, der andauernden Kämpfe in Somalia und der anhaltenden Repression in | |
Eritrea so dramatisch wie lange nicht, berichten Hilfsorganisationen. Das | |
britische Hilfswerk Oxfam sprach am Dienstag in Bezug auf Äthiopien, | |
Somalia und Kenia von der "schlimmsten Lebensmittelkrise des 21. | |
Jahrhunderts" und warnte: "Zwei schlechte Regenzeiten in Folge, hartnäckige | |
Armut und mangelnde Investitionen in betroffenen Gebieten haben 12 | |
Millionen Menschen in einen Kampf ums Überleben gestoßen. Diese Menschen | |
haben bereits so gut wie alles verloren". Die humanitäre UN-Abteilung OCHA | |
bilanziert: "2011 ist die trockenste Zeit im östlichen Horn von Afrika seit | |
1995." 10,2 Millionen Menschen bräuchten dringend Nothilfe. | |
## Ein Viertel aller Somalier auf der Flucht | |
Da Nothilfe in weiten Landstrichen aus Sicherheitsgründen nicht vor Ort | |
geleistet werden kann, setzen sich immer mehr Menschen in Bewegung. Nach | |
Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind ein Viertel der somalischen | |
Bevölkerung, knapp zwei Millionen Menschen, inner- oder außerhalb Somalias | |
auf der Flucht. Im somalischen Flüchtlingslager Dadaab in Kenia, mit | |
380.000 Bewohnern das größte der Welt und längst überfüllt, kommen laut | |
UNHCR täglich 1400 Neuankömmlinge an, viele davon kurz vor dem Hungertod; | |
vor kurzem starben dort mehrere Menschen bei Hungerunruhen. | |
Bis Ende Mai landeten dieses Jahr bereits 9.000 Somalis und 27.000 | |
Äthiopier im instabilen Jemen, eine Rekordzahl. Im Golf von Aden zwischen | |
Somalia und Jemen ertranken nach UNHCR-Angaben dieses Jahr bereits 108 | |
Menschen - nach nur 15 im gesamten Jahr 2010. "Die Migrationsrouten durch | |
den Golf von Aden und das Rote Meer sind derzeit die belebtesten und | |
tödlichsten der Welt", so UNHCR. Wobei sie auch zu den belebtesten | |
Seehandelsrouten gehören - sie verbinden Europa mit Asien. | |
Eigentlich müsste es möglich sein, Flüchtlingen auf diesen Seerouten rasch | |
zu helfen. In Dschibuti an der Meerenge zwischen dem Roten Meer und dem | |
Golf von Aden befindet sich die größte Militärbasis Europas und der USA in | |
Afrika; vor Jemens Küste patrouillieren EU- und Nato-Schiffe zur Abwehr | |
somalischer Piratenüberfälle. Diese internationale Präsenz scheint aber die | |
Flucht über das Meer eher zu erschweren, was offenbar Migranten jetzt in | |
die Überfahrt aus Ostsudan treibt, wo das Meer am breitesten und die | |
Zufahrt am kompliziersten ist. | |
6 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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