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# taz.de -- Ausstellung über jüdische Flüchtlinge in Shanghai: Rettender Haf…
> Eine Hamburger Ausstellung widmet sich den 20.000 Juden, die vor der
> Verfolgung nach Shanghai flohen - und ihrer Dankbarkeit gegenüber einer
> fremd gebliebenen Stadt.
Bild: Beatrice Wolf um 1940 in ihrem Shanghaier ZImmer.
Es war das "Exil der kleinen Leute" und kaum erste Wahl: Wegen der
Entfernung, aber auch, weil man wenig wusste über Land, Leute und
Gepflogenheiten.
Wer als Jude spät - also nach der Pogromnacht von 1938 - noch aus
Nazi-Deutschland fliehen wollte, für den war Shanghai die letzte Hoffnung:
Es war die einzige Stadt, für die kein Visum benötigt wurde, während
überall sonst die Grenzen für Flüchtlinge aus Hitler-Deutschland weitgehend
dicht gemacht worden waren.
"Das einzige Land, wo man hingehen konnte, war Shanghai. Da brauchte man
keine Visa, nur ein Ticket für das Schiff und einen Pass mit dem ,J'
darin", schreibt der aus Hamburg stammende Walter Josef Fraser.
Zu lesen sind seine Worte zusammen mit einer Kurz-Vita Frasers derzeit im
Hamburgmuseum, wo noch knapp zwei Wochen lang die Ausstellung "Atmen und
halbwegs frei sein" über jüdische Flüchtlinge in Shanghai läuft.
Erstellt wurde sie aus Anlass von 25 Jahren Städtepartnerschaft zwischen
Hamburg und Shanghai, die Anregung für das Kooperationsprojekt kam vom
Hamburger Senat.
Dieser ein wenig bürokratisch-interkulturellen Genese wohl ist zu
verdanken, dass "Atmen und halbwegs frei sein" so wissenschaftlich wie
geradezu rührend bodenständig daher kommt: Da liegen einerseits Briefe,
Identitätsnachweise und Dokumente des Jüdischen Hilfskomitees in Vitrinen.
Gleich daneben aber hat man eine Original-Laterne aus dem Shanghaier Bezirk
Hongkou auf-, eine alte Holz-Haustür eingehängt.
Hongkou war das Viertel, in dem die meisten jüdischen Flüchtlinge lebten.
Es war ja gerade nicht die Oberschicht, die da auf die letzte Minute floh,
als die Wohlhabenden, so sie denn wollten, längst weg waren.
Es traten zumeist Mittellose die Reise nach Fernost an, wo sie auf
preiswerte Wohnungen angewiesen waren - und die fanden sich eben in dem
heruntergekommenen Stadtteil. Auch die Japaner, die China seit Ausbruch des
Zweiten Japanisch-Chinesischen Kriegs 1937 großteils besetzt hielten,
forcierten die dortige Ansiedlung der Flüchtlinge.
1943 errichtete das Kaiserreich, inzwischen als Verbündeter Deutschlands in
den Zweiten Weltkrieg eingetreten, in Hongkou ein Ghetto, das die
Flüchtlinge nur mit Passierschein verlassen durften.
Die relative Shanghaier Freiheit insgesamt war eher der weltpolitischen
Lage geschuldet als einem ausdrücklichen Willen zu helfen: Briten,
Franzosen und Amerikaner hatten dort entmilitarisierte Territorien
ausgehandelt, die nicht chinesischem Recht unterstanden - und also auch
keiner Visapflicht für Flüchtlinge.
"Die meisten betrachteten diesen Ort als Provisorium", sagt
Ausstellungskuratorin Sybille Baumbach. Tatsächlich sind die nun auf einer
Stellwand platzierten Fotos der Flüchtlinge keine Dokumente einer
gelungenen Integration.
Dafür bezeugen sie die extreme Armut der Chinesen: Bettler am Straßenrand,
Kinder in zerrissenen Kleidern schauen in die Kamera; daneben eine
europäische Dame am aus der Heimat mitgebrachten Tisch.
Es hätte ein "Clash of Cultures" werden können, ein konflikthaftes
Zusammentreffen - aber so kam es nicht: "Eine erstaunliche Sache, die ich
nicht vergessen kann, ist, dass die Menschen von Hongkou, obwohl sie noch
mehr litten als wir, uns immer mit sehr viel Sympathie begegnet sind", hat
Jerry Moses später geschrieben.
Unsentimentale Dankbarkeit ist allgegenwärtig in der Hamburger Ausstellung,
die sehr deutlich macht, dass die Shanghaier Gesellschaft mit 20.000
Flüchtlingen eigentlich überfordert war.
Jian Chen, Kurator des Shanghai Jewish Refugee Museum, bestätigt, dass
chinesische Autoritäten den Flüchtlingen nicht helfen konnten. Die
Versorgung besorgten andere: der Jüdische Hilfsfonds, das American Jewish
Joint Distribution Committee (JOINT), die Shanghaier jüdischen Gemeinden.
Hilfe hatten sie nötig: Nur wenige unter den Flüchtlingen konnten in
Shanghai eine Existenz aufbauen. Die meisten nahmen nach 1945 - auf dem Weg
nach Australien, Israel oder in die USA - so wenig mit, wie sie hergebracht
hatten.
Und genau hierin liegt der Erkenntnisgewinn der Schau, die ein Film über
Wang Faliang abrundet, der in den 30er Jahren in Hongkou lebte und später
Führungen durch das Viertel anbot: Die Flucht nach Shanghai war alles
andere als ein fernöstlich-exotisches Abenteuer, sondern eine Reise in die
Armut mit einem einzigen Zweck: Leben retten.
## bis 19. 7., Hamburgmuseum
6 Jul 2011
## AUTOREN
Petra Schellen
Petra Schellen
## TAGS
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Minderjährige Geflüchtete
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